Kishon und Kafka

Am Freitag gebe ich auf, diese Woche ist an Absurdität kaum noch zu überbieten, was für ein lächerlich überzogenes Drehbuch. Ich habe nicht Psychologie studiert, aber manchmal glaube ich doch, typische Versuchsanordnungen im Umfeld zu erkennen. Ich bin nur eine Woche alleine mit den Söhnen, und es findet alles, was auch nur ansatzweise kompliziert werden oder entgleisen und eskalieren kann, an diesen paar Tagen statt. Wenigstens habe ich in der Wartezone des Polizeireviers ausreichend Gelegenheit, mir darüber Gedanken zu machen. Meine Güte.

Keine Details, und es ist auch nichts passiert, es kostete am Ende nur wieder Zeit, so viel Zeit, bitte weitergehen. Zusammenfassend jedenfalls eine Mischung aus Kishon und Kafka, es klingt lustiger, als es war. Wie hieß es damals in der Muppet-Show: I am the bear currently known as not amused.

Lange Telefonate mit der Herzdame. Wir organisieren dieses und jenes, und dann auch noch den Rest und Weiteres. Wenn Sie sterben, hinterlegen Sie doch bitte vorher Ihre Zugangsdaten, besonders zu allem, was Geld kostet, wir haben da gerade ein Learning, wie man heute sagt. Wir überlegen anschließend auch noch für uns, ob wir eigentlich gegenseitig … man will gar nicht darüber nachdenken, aber die Wirklichkeit stößt einen darauf, wieder und wieder. Und so schlecht sind wir da gar nicht. Aber natürlich, man kann immer noch etwas verbessern, man kann an der Strategie feilen, denn wirklich top sind wir auch nicht. So schwer ein Todesfall in der engeren Familie jedenfalls ist, etwas optimieren kann man auch dabei.

Ich fahre ansonsten am Freitag mit mehr Tomatenpflanzen am frühen Morgen U-Bahn, als ein Mensch überhaupt alleine tragen kann. Aber wenn ich erst einmal seelisch komplett durch bin, wird mir auch so etwas egal. Alles einfach dennoch machen, dann wachsen einem manchmal auch spontan Orang-Utan-Arme, mit denen man erstaunliche Mengen Zeug umklammern und kilometerweite tragen kann. Die Tomaten sind jetzt in der Erde, vermutlich in letzter Minute. Wäre ich gärtnerischer Krankenpfleger, ich hätte einige der floralen Patienten gerne noch etwas länger beim Erwachen aus dem Koma beobachtet, aber keine Zeit, keine Zeit.

Im Garten wäre es ansonsten recht schön, habe ich immerhin gedacht, während ich dort hektisch einen Pflegefall nach dem anderen verbuddelte. Es sieht nett aus dort, es klingt auch gut, es riecht sogar gut, so angenehm fliederig-fröhlich. Vielleicht in der übernächsten Woche noch einmal nachsehen. Aber im Moment sieht es ein wenig so aus, als sei 2023 das Jahr der komplett verpassten Saison.

Nun, etwas Chance besteht noch, es werden wohl weitere Monate nachgeliefert.

Kurz vor dem Verlassen des Gartens noch zwei Radieschen direkt aus dem Beet gegessen. Etwas klein, etwas sandig, aber gut, aber meine.

Dann schon wieder Packen für die nächste Reise nach Nordostwestfalen. Mit allen Familienmitglieder Abfahrt- und Ankunftszeiten diskutieren, vier Personen, vier Meinungen, ich veratme alles. Alle möglichen Geräte und Kabel aus den Zimmern zusammensuchen, alles laden und sortieren. Gefühlt verbringt man in jedem Jahr mehr Zeit damit, es gibt überhaupt viel zu wenig, das einfacher wird. Das denke ich auch beruflich oft, und nicht nur bezogen auf meinen Job, der Trend geht gesellschaftlich in die falsche Richtung, zumindest meinem Eindruck nach. Wir nutzen auch die Digitalisierung gerne, um Dinge noch schwerer zu machen und sie gleichzeitig offline zu verunmöglichen, was man am Beispiel des Online-Bankings gut und gründlich ausführen könnte, und so war es doch eigentlich nicht gemeint, Sie erinnern sich vielleicht. Es sollte alles leichter werden, einfacher, schneller auch.

Vielleicht sollte man tatsächlich einmal aus Protest gegen das fortwährende Anwachsen der Komplikationen im Leben komplett offline verreisen, nur mit Notizbuch. Eine Postkarte pro Woche schreiben. Erinnern Sie sich noch an den Geschmack von Briefmarken? Meine Güte, was einem so einfällt.

***

Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

4 Kommentare

  1. alles richtig beschrieben, irgendetwas läuft ganz schief in der gesellschaft. zuviel digital scheint zunehmend gehirnareale absterben zu lassen. und wenn dann noch niemand verantwortlich sein will, werden wir das land der berater und ratgeberbücher, alles unsere lebenszeit. da ist tomaten pflanzen erholung und richtig zukunftsorientiert, schön.

  2. Außer Zugangsdaten denken Sie bitte auch an Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und ggf. (vor allem, wenn Kinder im Spiel sind) Testament!

  3. Lieber Herr Buddenbohm,
    das mit den Beerdigungen, dem Nachlasssortieren und sich Gedanken machen über das Sterben anderer und auch den eigenen Tod gehört zum Älterwerden und es ist nicht schön.
    Zum Thema „kann ich es meinen Angehörigen einfacher machen“ haben sich schon einige Menschen ganz praktische Lösungen überlegt. Im gut sortierten Buchhandel gibt es so Hefte, z. B. von Stiftung Warentest, in denen es genau um das alles geht mit ausfüllbaren Vorlagen, auch der digitale Nachlass nebst Passwörtern kann da abgelegt werden.
    Mein Mann und ich haben das vor einiger Zeit mal gemacht, weil wir bei der Wohnungsauflösung der dementen Schwiegereltern auch vor einem schrecklichen Berg gestanden hatten und das unseren Kindern in der Form nicht überlassen wollten.
    Vielleicht suchen Sie sich mal etwas raus, was Ihren Vorstellungen entspricht. Meist ergeben sich auch gute Gespräche daraus mit der Partnerin/dem Partner.
    Das klingt jetzt vielleicht paradox, aber manchmal tut es auch gut, über so etwas zu reden.
    Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie viel Kraft und von Herzen alles Gute,
    Eva

  4. Wir haben zum Thema Testament neulich einen (sogar kostenlosen) Vortrag bei der örtlichen VHS besucht. Dabei hat sich rausgestellt, dass bei „jüngeren Menschen“ – und ohne Firmen, Ländereien oder ähnlichen Besitz – aus Sicht der vortragenden Rechtsanwältin für Erbrecht meist erst Mal ein relativ einfaches Testament absolut ausreichend (aber trotzdem wichtig!) ist. Aufwändigere Testamente sollten dann erst im „höheren Lebensalter“ gestaltet werden, wenn sich nicht mehr viel am zu Vererbenden und der Lebenssituation ändert.

    Ich kann so einen Vortrag als Einstieg in das Thema nur empfehlen!

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