Sehr guter Kuchen

Sehr guter Kuchen

17.5., ein Mittwoch, weiterhin im Heimatdorf der Herzdame. Der Beerdigungstag, den ich durch den Nachruf auf meinen Schwiegervater schon einigermaßen gründlich gewürdigt habe. Ich möchte höchstens noch das Staunen ergänzen, mit dem ich morgens auf die Familie sah, die sich gerade geschlossen schwarz anzog – was für ein starker Zauber diese ritualisierte Kleidung doch ist, es hat mich noch einmal beeindruckt. Man verwandelt sich, man verwandelt die Situation und den Tag, es sind magische Handlungen für jedermann, sie wirken sich auch auf die Mitmenschen aus.

Eine Freundin aus Hamburg war an diesem Tag auch dabei, die das Heimatdorf noch nicht kannte und hier staunend begeistert herumlief, weil sie alles so schön fand, die Gegend, die Straße, das Haus, den Garten. Es ist immer förderlich für die eigene Wahrnehmung, wenn andere Menschen etwas gut oder interessant finden, was man selbst schon oft, vielleicht zu oft gesehen hat. Ich gucke auch immer, wenn bei uns im kleinen Bahnhofsviertel die Touristen wieder vor der Kirche stehenbleiben, selbst kurz hoch zum Turm und denke: Er ist aber auch wirklich schön. Ich würde den vermutlich auch fotografieren, wenn ich nicht gerade direkt vor ihm wohnen würde.

Im Verlaufe dieses Tages habe ich mir keine Notizen gemacht, das passiert mir selten. Aber man möchte bei Beerdigungen auch nicht reportermäßig kritzelnd im Kreis der Familie und der Freunde sitzen, das gehört sich nicht.

Mit einigen Anwesenden haben wir über die Unterschiede gesprochen, die es regional bei Trauerfeiern gibt. Wo wird traditionell warmes Essen serviert, welche Suppe muss es dann sein, ist das festgelegt, wo gibt es belegte Brote, wo Schnaps, wo diesen gerade nicht. Es fällt in Deutschland überall anders aus und die Französin, die auch dabei war, sagte, das sei in Frankreich auch so (ich sehe gerade, bei Anke kann man eine entsprechende Variation nachlesen). Ein Flickenteppich der Rituale und Gewohnheiten durch die Regionen. Also immer erst gucken, was die anderen machen, es ist sicherer. Wir saßen später bei Kaffee und Kuchen im Gemeindehaus, alle aßen den im Dorf bei solchen Anlässen gewohnten Kuchen und nur drei Anwesenden, nämlich uns Hamburgern und der Französin, fiel vermutlich auf, wie sensationell gut dieser Kuchen war. Ich hätte wie damals Dale Cooper dauernd beim Kauen etwas von „Das ist verdammt guter Kuchen“ murmeln können. So etwas machen die Bäckereien bei uns nicht mehr, schon lange nicht mehr, wir kriegten uns gar nicht ein vor Begeisterung. Sensationeller, und dabei ganz einfacher Kuchen. Die Französin ist ausgebildete Köchin, ist Profi, kennt sich aus mit den guten Sachen, sie muss es also wissen, und wir packten ihr vor der Abfahrt noch etwas vom Kuchen ein.

Ich habe später an diesem Tag den Nachruf geschrieben. Ich habe die Herzdame und ihre Mutter natürlich noch vor der Veröffentlichung den Text lesen lassen, man will bei so etwas nichts falsch machen. Ich habe es eher skeptisch veröffentlicht, passt es, passt es nicht, kann man das so machen, wird man es verstehen, wird man das gerne lesen – ich werde wohl nie ein wirklich sicheres Gefühl für meine eigenen Texte entwickeln.

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2 Kommentare

  1. Der Nachruf war wirklich sehr gelungen.

    Ja, Beerdigungen sind schon etwas speziell … Ich kenne sie in Deutschland auch nur mit Kaffee und Kuchen. Meist Blechkuchen, wie Streuselkuchen, im Nordhessischen gern Schmandkuchen oder Obststreusel je nach Jahreszeit, Rhabarber, Apfel oder Zwetschge. Schreibt man die noch so oder hat die neue Rechtschreibung sie auch verändert?

    Und dann gehen alle nach Hause. Alles ist wie vorher und doch nie wieder.

  2. Schwierig – und regional unterschiedlich – auch die Frage, ob man der Familie des Verstorbenen einen Umschlag Geld zukommen lässt, da kann man mit Tun und Unterlassen auch arg Fettnäpfchen treffen…

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