Von Meisen und Menschen

Sonntag, der 9.Juli. Wieder die frühen Unwetter-Warnungen auf dem Smartphone, für alle Gegenden, die ich gespeichert habe, diesmal wegen der Hitze. Lila eingefärbte Landkarten beim Deutschen Wetterdienst, Lila mit alarmierend roten Streifen sogar, als Steigerung wären nur noch blinkende Grafiken denkbar, mit flackernden Blitzanimationen vielleicht.

Gewaltig drückende Luft da draußen, ich lebe von Ayran und Melone, der Sommerspeiseplan, im Garten noch ergänzt durch Sauerkirschen, Johannisbeeren, Stachelbeeren, Himbeeren direkt von den Sträuchern. Man kommt so durch.

Es ist heute überall viel zu heiß, in der Wohnung, auf den Straßen und Wegen, sogar in der U-Bahn, im Garten, und in der Laube erst recht. In der Laube ist es so warm, dass das Handy nicht lädt: „Der Ladevorgang wird fortgesetzt, wenn das Gerät wieder normale Temperatur erreicht hat.“ Sogar die Vögel bewegen sich heute betont langsam durch den Garten. Die Elstern schreiten gemächlich wie Störche über den Rasen der Parzelle, die Amsel sitzt nur unter dem Holunder und guckt verpeilt, als sei ihr hitzebedingt gerade entfallen, was Amseln normalerweise so machen. Die Blaumeisen hocken im schattigen Geäst der Magnolie, und da bleiben sie auch, lange. Leise nur hören wir sie schimpfen, vermutlich über das Klima. Vielleicht sagt eine ältere Meise gerade: „Früher hatten wir aber auch warme Tage!“, was weiß man schon. Es geht am Ende den Meisen wie den Menschen, in allen Familien findet man die mit den seltsamen Meinungen.

In den Beeten blühen die Montbretien, sie passen zum tropischen Wetter und wirken mit ihren hohen, frischroten Blüten ausgesprochen südlich, madeirahaft. Der Lavendel und der Schmetterlingsflieder blühen direkt daneben in einem tieferen Lila als je zuvor, und zwar beide im exakt gleichen Farbton, was sind das wieder für Absprachen, wie geht das zu. Vereinzelte Kohlweißlinge flattern vorbei, Schwebfliegen stehen in der Luft und katapultieren sich dann nach unbegreiflichen Beschlüssen plötzlich einen Meter weiter nach links oder rechts.

Ein Sohn ist heute irgendwo auf der Elbe mit einem Kajak unterwegs, einer ist in einem Sprungraum, also in so einer Trampolingeschichte, was für eine außerordentlich furchtbare Vorstellung das ist. Da wird eine Luft drin sein! Aber bitte, wenn es gefällt.

Später lese ich, dass ein Teenager an diesem Tag in der Elbe stirbt und halte entsprechende Vorträge. Ich komme mir unangenehm väterlich belehrend dabei vor, aber es nicht zu tun, das wäre in diesem Fall auch nicht recht. Es sterben entschieden zu viele Menschen in der Elbe. Besser einmal zu viel als zu wenig genervt, manchmal stimmt es für mich doch.

Die Herzdame kocht währenddessen Kirschmarmelade vor der Laube, sie hat sich die Kochplatten herausgeholt und auf den Gartentisch gestellt. Der Baum hängt immer noch voller Früchte.

Mehrere Gläser mit frisch eingekochter Kirschmarmelade

Ich lese unkonzentriert in Kaléko und Kirsch, ich schreibe unentschlossen dies und das. Ich stelle nebenbei fest, dass es die ersten Tomaten gibt, die eine einladende Farbe angenommen haben, ein freundliches Orange. Und eine einzige Heidelbeere trägt schon essbar aussehendes Blau, sehe ich, alle anderen sind noch zurückhaltend grün, sie werden jetzt aber zügig dicker. Bald, bald.

Es ist ein langsamer, ein ausgesprochen träger, ruhiggestellter Sonntag. Es ist zu heiß, um irgendetwas zu beschleunigen. Die Stunden vergehen seltsam dickflüssig, ein Sonntagssedativum.

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