Ein Traum von Staub und Sommer

Ich habe über ein paar Tage eine Lücke in meinen Notizen, vielleicht fanden diese Tage gar nicht statt. Ich weiß es schon nicht mehr, und worauf soll man noch alles achten. Egal. Am Sonntag der letzten Woche, das weiß ich doch noch, war unser 19. Hochzeitstag, und das klingt doch schon erstaunlich fortgeschritten. Die Kalender-App auf dem Handy meldete es mir in anderen Worten, sie schrieb ins Pop-Up „Zuhause“ habe 19. Geburtstag, und das hat sie ausnahmsweise einmal sehr gut ausgedrückt.

Die ersten Kastanien rollen mir an einem dieser Tage vor die Füße und ich meine, mich deutlich zu erinnern, dass dieser Moment in den Vorjahren deutlich herbstlicher geprägt war. Das ganze Setting war anders, die Kulissen, die Stimmung. Allerdings traue ich meiner Erinnerung da nicht ganz, die überhaupt ein bemerkenswert unzuverlässiger Zeuge ist, wie mir mit jedem Jahr mehr klar wird, sie ist jederzeit vollkommen skrupellos zum Meineid bereit. Ich frage andere Menschen, und die sehen das wie ich, aber auch das muss nicht stimmen. Bias, Bubble etc. man kennt das. Ich könnte es selbstverständlich in meinem Blog nachlesen, wie es früher war. Ich könnte überhaupt vieles im Blog nachlesen, tatsächlich mache ich das aber nie, bei keinem einzigen Thema.

Eine frisch gefallene Kastanie, eine geringe Menge Herbstlaub auf einem Fußweg in Hammerbrook

Ich denke beim Schreiben oft, dass etwas später interessant werden könnte und schreibe manchmal auch ein wenig sogar für mich selbst als späteren Leser – dieses nachfolgende Interesse tritt dann aber kategorisch nicht ein. Ich bin stets zu sehr beschäftigt mit der Verarbeitung der Gegenwart, da kann ich mich nicht auch noch um „heute vor zwei, drei, vier Jahren“ kümmern. Außerdem besteht bei so etwas immer das nicht geringe Risiko, aus Versehen etwas nachzulesen, was man heute ganz anders sieht, was zwar bei lernfähigen Menschen einerseits normal und erwartbar ist, aber doch auch irgendwie peinlich, wie konnte man denn jemals so falsch liegen, was hat man den da bloß gedacht, was war man denn bloß für einer, und dann schämt man sich wieder für sich selbst, mehr als ohnehin schon … nein, das muss alles nicht sein.

Ich lese lieber bei anderen, wie es in diesem Jahr um den Herbst und den Sommer steht: Der Sommer, der nicht enden will. Also bitte, da haben wir es doch, q.e.d.

Auch gestern noch, das war in diesem Text der 27. September, ein sonniger Mittwoch, war es um die Mittagszeit und am Nachmittag Augustwetter in Hamburg, war es im Sakko schon zu warm und dreimal im Laufe des Tages hörte ich das Wort „unheimlich“ in Bezug auf das Wetter, was sicher eher milde ausgedrückt ist. Die weiteren Meldungen in den diversen Medien werden Sie vermutlich gesehen haben, die Klimaziele müssen als gerissen betrachtet werden, 1,5 Grad, 3 Grad, was auch immer, here we go, Artensterben, Extremwetter und alles. Wir sind alle unfassbar wenig aufgeregt angesichts der apokalyptischen Meldungen.

Wie auch immer. Wir schlafen hier noch bei offener Balkontür, es ist viertel vor Oktober. In der Nacht habe ich den ersten Klima-Albtraum, an den ich mich erinnern kann, es ist Hochsommer im späten November, und die immer noch fallenden Eicheln zerbröseln nach dem Aufprall auf dem Boden sofort zu Staub.

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Ein Kommentar

  1. Ich sah mich schon mehrmals genötigt, bei mir selbst nachzusehen/lesen. Letztens wollte der Kardiologe eine Anamnese meiner Herzrhythmusstörungen erheben, so daß ich meine Miszellen als Kalender verwenden konnte. Oder wenn Fragen aufkamen, wann nun genau ich die Fingersehnenrupturen hatte oder im KH lag. Oder wenn ich zu einem Thema komme, bei dem mir einfällt, dazu etwas gebracht zu haben, fungiert mein „Ein Notizbuch vom Nichtmehrleben“ als Fundus und Archiv und zeigt, daß es letztlich doch eine, wenn auch deporable Art von Leben ist, welches ich führe.

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