Aufspürendes Herumstehen

Mittwoch, der 3. Oktober. Ich stehe mit der geöffneten Merlin-Bird-App (keine bezahlte Werbung) in Schwiegermutters Garten und warte auf die Stimmen der Singvögel. Ich nutze die App schon eine ganze Weile und finde sie sehr gut, aber ich habe kürzlich erst angefangen, die erkannten Vögel auch zu speichern, so dass ich für einen Anwender mit Erfahrung eine beschämend kurze Liste von Treffern habe. Die muss sehr viel länger werden, auch origineller. Das ist nun also meine Pokémon-Variante, nachdem mich das Originalspiel damals nicht sehr und nur kurz interessiert hat, und ich ärgere mich erheblich, dass ich die Basstölpel auf Helgoland neulich nicht in der App erbeutet habe. Ich habe einfach nicht daran gedacht.

Ich stehe also neben einer Hecke und warte. Ich lausche, ich speichere, guck an, die Bachstelze, der Wippsteert im Plattdeutschen. Ich gehe eine Hecke weiter, ich bleibe stehen und warten. Es ist eine Art aufspürendes Herumstehen, also eine prima Besinnlichkeitsübung, nur dass mir von dem Wort schon schlecht wird. Egal, ich warte, ich stehe still, ich höre, ich bin beschäftigt. Genau hinhören. Der Wind, die Zweige und das Laub in der Hecke, die Autos auf der Landstraße, die Schritte der Herzdame auf dem Hof. Die Axt von Sohn II, der Holz für seine Oma hackt, für den Fall, dass es im Ernst noch Herbst oder gar Winter wird.

Dann der Trecker, der hinten auf dem Feld eggt. Krähen fliegen dorthin, zu der aufsteigenden Staubwolke, eilig flattern sie, denn es gibt reiches Buffet in den Ackerfurchen, und sie drängen und lärmen wie hungrige All-Inclusive-Resort-Gäste bei der abendlichen Fütterung. Der Staub weht in braunen Wolken heran zu mir, er riecht nach August, Sonne und Erde. 26 Grad, immer noch.

Aus der Hecke jetzt der Buchfink, da habe ich ihn.

Auf dem Feld nebenan steht blühende Phacelia, Bienenfreund, auch Bienenweide, Büschelschön genannt. Dunkelblau, unübersehbar weit, die norddeutsche Entsprechung zu den Lavendelfeldern in Südfrankreich. Einige gelbe Einsprengsel, das ist Senfblüte, dann noch vereinzelte Sonnenblumen, wie verlaufen stehen sie hoch aufragend in der Masse der anderen Blumen und halten Ausschau nach Artgenossen.

An den Obstbäumen am Straßenrand hängen Äpfel und Birnen, teils sehr verlockend aussehend, leuchtend wie bei Fontane, aber zu hoch hängen sie, ich komme nirgendwo dran. Es scheint sich niemand die Mühe zu machen, hier etwas zu ernten, es ist schade. Aber das gilt auch für unsere Schrebergartenkolonie, es ist eigentlich unfassbar, was dort alles nicht geerntet wird. Es sind erhebliche Werte und sicher teils auch verpasste Genüsse, alte Sorten, vielleicht sogar vergessene Sorten.

Die Krähen fliegen später zurück zum großen Walnussbaum am Ortseingang und plündern den weiter, sie horten irgendwo die noch grün umhüllten Nüsse und bearbeiten sie vermutlich erst später. Ob sie auch hier den Trick mit den Autos anwenden, die für sie beim Drüberfahren die Schale aufknacken, das weiß ich nicht. In Hamburg kann man das tatsächlich so beobachten, es begeistert mich immer sehr.

Es gibt später am Nachmittag wieder Waffeln im Garten, mit allem. Waffeln sind sehr gut, und die Waffeln hier sind die besten. Von dem uralten Waffeleisen, das allerdings heute den Geist aufgibt. Na, das darf es auch, nach etwa fünfzig Jahren oder mehr.

Ein Teller mit Waffeln, Eis, Sahne, Puderzucker

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Ein Kommentar

  1. Vorsicht, Herr Buddenbohm, Sie werden noch zum Fotoblogger! Die Ansichten der letzten beiden Tage sind herzig

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