Das schwache Licht der Nordhalbkugel

Sonntag, der 12. November. Vorweg ein Dank für die überaus freundliche Zusendung von „all’orto“ von Claudio Del Principe, das ist ein Gemüsekochbuch, ein besonders schönes.

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Früher Wochenendmorgen am offenen Küchenfenster, es ist noch dunkel draußen, mein erster Kaffee. Kühl ist es geworden, sechs Grad, und es wird sicher bald kälter werden. Die Luft riecht spätherbstlich modrig und erdig vom Spielplatz her, wie Waldessenz mitten in der Stadt riecht es. Aus den noch halb belaubten Bäumen tropft und trieft es vom nächtlichen Regen. Es ist ausgesprochen ungemütlich, Rotkehlchen, Kohlmeisen und Spatzen sind heute zurückhaltend, leise Meldungen nur höre ich hin und wieder aus den Büschen. Die Fenster ringsum liegen zu dieser Stunde noch sämtlich im Dunkel, nur auf einem Schreibtisch in einem Arbeitszimmer ein Haus weiter steht ein stets beleuchteter Globus, ich sehe dort das schwache Licht der Nordhalbkugel.

Zwei Menschen gehen unten vorbei und reden leise, vermutlich höre ich gerade Russisch, aber sicher kann ich mir da nicht sein. Sie sehen in die Mülleimer vor den Häusern und an der Straßenecke, sie suchen Pfandflaschen. Jemand kommt kurz darauf schwarzgekleidet aus einer unbeleuchteten Souterrainwohnung und sieht sich mehrmals um, es sieht nach einem Moment aus einem Krimi aus, und vielleicht waren es auch nicht nur Pfandflaschen, nach denen da gesehen wurde.

Oben am Kirchturm die kreisenden Krähen, die haben alles gesehen. Die haben auch ein Auge auf mich.

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„Arnes Nachlass“ von Lenz durchgelesen und nicht gut gefunden. Man bemerkt die Schwächen seiner Figuren immer dann, wenn sie reden, denn das können sie nicht, sie sagen nur Texte auf. Aber die Hafenkulisse, die war gut, es war auch keine schlimm verschwendete Zeit. Dann „Wo warst du, Adam“, von Heinrich Böll, noch eine Bildungslücke geschlossen. Ein bitteres Buch vom Krieg.

Danach Erzählungen von Heimito von Doderer, den ich noch komplett vor mir habe. Es ist manchmal auch schön und beruhigend festzustellen, was man alles noch nicht gelesen hat, vielleicht kennen Sie das?

Über jeden fällt her, was ihm auf seiner Ebene zusteht, auf welcher er sich jeweils befindet und der Rang unserer Schwierigkeiten ist unserem Zustandswerte stets genau angemessen.

Schreibt der Herr von Doderer, und man möchte „Auch das noch!“ an den Rand schreiben.

Und wenn der Monat auch sonst bisher nicht viel taugt, als Leser bin ich doch hochzufrieden mit ihm, und das ist nicht wenig. Die Langstrecke ist mir mittlerweile bei Romanen wieder möglich, auch zwischendurch greife ich nun wieder öfter zum Buch, nicht zum Handy. Und ohne es unnötig verallgemeinern zu wollen, fühlt es sich für mich gerade gut und fast befreiend an, weniger online zu sein, auf eine Art auch selbstbestimmter.

Ein Graffiti an einem grauen Gestänge im Hafen: Read Books

Ich entnehme diversen Meldungen und Artikeln, dass ich auch mit dieser Entwicklung wieder nicht allein bin. Nie bist du ohne Nebendir, hieß es bei Ringelnatz, wenn auch in einem anderen Zusammenhang.

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