Fahrplanmäßig durch die Viertel

Der Sturm heult und grollt am Mittwochnachmittag ums Haus, man müsste eigentlich frei haben und alte Schauerromane lesen, bei diesem Wetter. Regen prasselt an die Balkontür und irgendetwas zerklirrt unten auf der Straße, ein Blumentopf oder so etwas. Jedenfalls aber flog es nicht von unserem Balkon, da ist selbstverständlich alles gut gesichert, so viel Spießigkeit muss schon sein. Es wirbelt auch Zeug vor dem Fenster vorbei, sehe ich, sogar hier oben unterm Dach, Plastikfetzen, Papier und Pappe, was die unaufgeräumte Stadt alles so hergibt. Gestern erst haben sie mit Laubpüstern die Blätterberge unten auf dem Spielplatz verschoben, warum auch immer sie das im Januar machen, da werden die heute schon wieder vom Wind neu durchsortiert, diese Laubhaufen, und wie gründlich. Tand, Tand ist das Laubblasen von Menschenhand.

Ich schlage die Kaschnitz auf, ich lese: „Der Sturm schüttelt die Bäume, reißt ihnen Äste ab und schleudert die Äste auf den Gehsteig, kommt vom Atlantik, ist aber noch unverbraucht rüstig, durchaus imstande, Mauern einzustürzen, Kraftwagen von der Straße zu fegen.“ (Aus Tage, Tage, Jahre – Aufzeichnungen)

Die U-Bahnen fahren heute sicherheitshalber deutlich langsamer als sonst, die Autos stauen sich wie immer, die S-Bahnen fahren gar nicht mehr oder nur selten. Die Stadt wird ausgebremst und im Speckgürtel fallen die Zäune und Bäume um. Das macht mir alles nichts aus, ich gehe zu Fuß, ich gehe kühn gegen den Wind, ich werde nass. Na und! Trutz!

Wie ein stoischer Landmensch mit Hund auf den pflichtgemäßen Gassirunden um die immer gleichen Äcker, so schnüre ich hier fahrplanmäßig durch die Viertel und erledige Dinge.

Ich gehe zum Discounter. Es gibt nicht, was ich kochen will. Klaffende Lücken im Regal. Wo das Suppengrün lag, da blieb nur noch ein Möhrchen übrig, und das sieht nicht mehr gut aus. Ich koche etwas anderes, denke ich mir, ich kann mehr als ein Rezept, ich bin ein gestandener Hausmann. Aber das, was ich dafür brauche, das gibt es dann auch nicht, und so auch bei meiner dritten Idee. Liegt es am Bahnstreik, streikt noch irgendeine andere Branche, liegt es am Wetter oder an sonst etwas, ich weiß es nicht. Dieser Laden hat jedenfalls nichts, hilft nicht und löst heute keines meiner Probleme.

Ich aber habe ein volles Tiefkühlfach zuhause. Ich lebe im Widerstand gegen die Gemeinheiten des Alltags und komme irgendwie durch. Ich gehe nach Hause und mache alles dennoch, die Frisur sitzt. Ich lebe mit Gegenwind, das gehört hier so.

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4 Kommentare

  1. Früher (TM) hatten die Leute ja massenhaft Eingekochtes und Konservendosen im Keller. Auch so eine Erinnerung, die langsam verblasst.
    Ich habe mir allerdings einen Grünkohlvorrat in Dosen für das Sommerhalbjahr angelegt.

  2. Dieses lesend, bei genau solchem Wetter draußen, muss ich das erste Mal heute lächeln. Jawohl, Tand, Tand… Laubbläser gehören (imho) eh verboten, aber das nur am Rande.
    Trutz ist eins dieser wunderbaren, leider aussterbenden Wörter, es zu lesen hat mich sehr erfreut. Voll schön, mal wieder! 🙂 Danke!

  3. Die Engpässe im Supermarkt, hauptsächlich bei Obst und Gemüse, liegen zum Großteil an den Autobahnblockaden der französischen Bauern im Süden des Landes, die sich schon seit Tagen/Wochen hinziehen. Hier kommen die LKWs aus Spanien derzeit nur schwer durch oder müssen Umwege machen (siehe Googlemaps).

  4. Bin heute bei dem Sturm richtig schön weggepennt, während draußen die Landschaft vorbeiwehte. Und gegessen wird nur, was ohnehin im Haus ist. Muss heute nicht übertrieben werden das Rausgehen.

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