Früher das Eisbein

Gestern waren wir auf einer Fachtagung mit psychologisch-pädagogischer Ausrichtung zu Sonderformen im Autismus-Spektrum. Darüber müsste nun eigentlich die Herzdame etwas schreiben, die da viel tiefer im Thema ist als ich, sie hatte es hier schon einmal erwähnt. Die Herzdame aber hat gerade keine Zeit, es ist überaus bedauerlich.

Es klang in mehreren Vorträgen und auch in Gesprächen am Rande durch, wie vollkommen desolat die Situation rund um die Diagnostik immer noch ist (dies gilt auch in den meisten anderen Ländern, soweit es mir bekannt ist), aber das wissen ohnehin alle, die sich mit Neurodivergenz auch nur von Ferne einmal beschäftigt haben. Und es gilt auch bei ADHS ähnlich, schon gar für Erwachsene.

Fünf Stunden inhaltsreiche Vorträge an einem Sonnabend jedenfalls, danach war ich durch. Es war tatsächlich sehr interessant, aber anspruchsvolles Programm am Wochenende finde ich doch einigermaßen herausfordernd. Dafür fehlt es mir etwas an Form.

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Dann ein ausgesprochen grauer Sonntag. Es ist wieder kühler geworden, selbstverständlich nieselt es auch pausenlos. Auf den Straßen fliegt noch nennenswert mehr Müll herum als sonst, auch durchnässte Altkleider, teils zerfetzt, sowie Lebensmittel, verstreutes Obst, zertretene Mandarinen und dergleichen, aus den Hauseingängen gezogene Isomatten von Obdachlosen, daneben leere und kaputte Flaschen, dazu wie immer all der Unrat, den die Möwen hier zuverlässig aus den Containern und Papierkörben zerren und nach eingehender Prüfung und Zerlegung an die Krähen, Tauben und Spatzen zur weiteren Verwertung durchreichen.

Die Stadt wirkt um den Bahnhof herum insgesamt heruntergekommen, man kann es kaum übersehen, dabei kam sie doch wieder nur auf den Februar. Es ist alles wie in jedem Jahr. Nie fehlt die so gnädig manches verbrämende Laubdekoration mehr als in diesem Monat.

Ich lese in Efraim, das ist ein weiterer Roman von Alfred Andersch, hier eine Rezension dazu. Die Hauptfigur isst in dem Kapitel, in dem ich bin, gerade ein Eisbein, das ist ein Gericht, an das ich schon lange nicht mehr gedacht habe, jahrelang nicht, es ist mir komplett entfallen. In meiner Kindheit war es regelmäßig auf dem Tisch und aus heutiger Sicht verstehe ich, wie schon das Eisbeinessen einen geschichtlichen Bezug hatte, denn die älteren Personen am Tisch, die den Hunger aus den Jahrzehnten vor meiner Geburt vermutlich kannten, aßen das schwabbelnde Fett am Fleisch mit, wir Kinder dagegen nicht, bloß nicht.

Im Weiterbildungsteil des Tages, der bei mir gerade projektbezogen wie von selbst anfällt, beschäftige ich mich mit Erich Lüth und weiß es zu schätzen, dass ich mit meinem Bibliotheksausweis auch das Munzinger-Archiv nutzen kann. Ich habe es bisher gar nicht vermisst, aber wenn man es schon im Angebot hat … Erich Lüth war einmal Hamburger Senatsdirektor und Leiter der staatlichen Pressestelle mit bemerkenswertem Lebenslauf. In der Wikipedia findet sich ein Absatz zum Lüth-Urteil des Bundesverfassungsgesetzes, eine interessante Sache. Ich komme hier im Moment an deutscher Geschichte wohl nirgendwo vorbei.

Hier noch mehr zu diesem Urteil. In den Details ist es wohl nur noch für den Freundeskreis Jura spannend, zu dem ich allerdings nicht gehöre.

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