Es gibt Eis, es gab Eis

Ín Schleswig-Holstein öffnen die Eisdielen, lese ich am Morgen in den Nachrichten, natürlich deutlich unterhalb all der Schlagzeilen zur gewohnten Schrecklichkeit der Welt. Wobei Eisdiele ein Wort ist, das seltsam aus der Zeit gefallen scheint. Wenn man es dreimal nacheinander laut aufsagt, fühlt man sich direkt in die Großelterngeneration versetzt, und die Kugel kostet wieder fünfzig Pfennig oder was damals der Preis gewesen sein mag.

In Österreich sagen sie Eissalon, sehe ich gerade. Das klingt für mich so, als müsse man dort etwas aufrechter sitzen und das Eis etwas vornehmer löffeln, an Lecken gar nicht zu denken. Das Wort Eisdiele wiederum hat nicht nur einen heimatlichen Klang, es kommt vielleicht sogar aus Hamburg, guck an.

Bei uns um die Ecke hat die Eisdiele schon seit Wochen auf, sie wirbt aber noch für Heißgetränke, auf Schildern vor der Tür und bei meist einstelligen Temperaturen. Der Februar ist dennoch extrem zu warm, schreiben die Wetterseiten, es wird ein Rekordmonat, und ein guter Rekord ist das nicht.

Ich lese nebenbei die Aufzeichnungen eines Helgoländer Arztes (Walter Kropatschek: Tage und Nächte auf Helgoland), im Februar 1940 berichtet er von Eisschollen, die an der Insel im Nebel vorbeitreiben.

Ich weiß nicht, ob ich es noch zur Ausstellung in der Kunsthalle nebenan schaffe, Caspar David Friedrich, da könnte ich mir auch ein Bild von Eis auf dem Meer ansehen, glaube ich. Einmal im Leben habe ich das an der Ostsee sogar selbst erlebt. Ein zugefrorenes Meer, Eis bis zum Horizont. Man konnte darauf herumlaufen und weit raus.

Meine Eltern und Großeltern haben das sicher noch öfter als ich erlebt, für meine Söhne ist es dagegen schon unvorstellbar. Bilder aus einem Märchenland.

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Gehört: Die Sonderfolge der „Lage der Nation“ zur Spaltung der Gesellschaft, das Interview mit dem Soziologen Steffen Mau, der zu diesem Thema forscht und ein Buch geschrieben hat (Triggerpunkte: Konsens und Konflikt in der Gegenwartsgesellschaft). Die Laune steigt beim Hören sicher nicht, aber man kann noch etwas lernen über die Methoden der populistischen Strategieteams.

Und ein paar kurze Sätze, die man konstruktiv verstehen kann, gibt es am Ende auch noch. Immerhin.

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10 Kommentare

  1. Dann war das Eis bei euch aber teuer. Ich kann mich noch an 10 und 20 Pfennige erinnern und an meinen erbosten Vater, als es dann irgendwann tatsächlich 50 Pfennige waren.

  2. Natürlich gibt es mehr Salons als den Friseursalon, aber meine erste Assoziation waren ausschließlich Damen jenseits der 60 (Früher waren Damen jenseits der 60 wirklich alt im Vergleich zu heute. Heute sind Damen jenseits der 60 ja maximal jenseits der 45. Auch hier ein Klima(kterium)wandel…wobei das ja alle anderen Geschlechter genauso betrifft…), die alle während der Anfertigung ihrer Dauerwelle unter diesem Haubenföhn sitzen und das Eis ganz vornehm und mit gespitzten Lippen nur von der Löffelspitze herunter einatmen. Dabei wäre ein leiser Luftzug zu hören, wenn die Haubenföhne das Ganze nicht übertönten. Und so können die vornehmen Damen Österreichs sehr vornehm ihr Eis schlürfend wegschnabulieren, ohne dass jemand etwas merkt. Alle anderen Menschen unterhalb der 60 und ohne Dauerwelle gingen in diesem Bild des Eissalons leer aus. Oder Österreich wäre das Land der Dauerwellen…
    na gut, na gut… ich gebe zu, so ganz geht es nicht auf. Aber lustig ist es trotzdem.

  3. Ich bin auch schon so alt, dass ich mich noch an zehn Pfennig pro Kugel Eis erinnere, UND ich habe meine zwanzig Pfennig seinerzeit in zwei Eis umgesetzt, je eine Waffel pro Kugel! Ich glaube, dreißig und vierzig Pfennig hat eine Kugel nie gekostet, ich kann mich zumindest nicht daran erinnern, sondern gleich 50 Pfennige.
    Und wie schockierend teuer war das Eis in Paris! Ich erinnere mich, dass mein Vater uns bei so einem kleinen Eiswagen an der Seine jedem ein Eis kaufen wollte, am Ende gab es ein Eis für uns drei.

  4. Da stand ich Mitte der 50er und überlegte: zur Eisdiele Rath, wo der Alte großzügig mit einem Suppenlöffel portionierte, oder zu Croci, wo es zum selben Preis eine kleine Kugel gab. Das Eis war leckerer bei Croci. Aber bei Rath gab’s viel mehr. Was nun?

  5. Bei uns gab’s weder Diele noch Salon. Wenn man als Kind in den 50er Jahren in der Hamburger Neustadt (noch voll mit Trümmern) einen oder zwei Groschen hatte hieß es „wer geht mit zum Eismann?“ Er war der einzige in der Gegend, zwischen Michel und Baumwall gelegen, und der Gedanke, es könne besser schmeckendes Eis geben, unvorstellbar.

  6. In den fünfziger Jahre nur eine italienische Eisdiele „Fontanella“ in einer westfälischen Kleinstadt. Jede Kugel 10 Pfennig. Sonntags fuhr mein ältester Bruder manchmal mit dem Fahrrad hin und holte den Nachtisch nach dem Sonntagsbraten. Eine Glasschüssel in der Einkaufstasche am Lenker. Er bekam 1,40 DM von meiner Mutter (wir waren 7 Personen). Der Eismann zählte 14 Kugeln in die Schüssel und dann „eine extra für Papa“. Er packte das ganze dick in Zeitungspapier ein, damit es auf der Rückfahrt kalt blieb und mein Bruder raste zurück nach Hause.

  7. @Trulla: Zwischen Michel und Baumwall gibt es noch heute eine „Eisdiele“, in der bis vor wenigen Jahren ein Mann schon deutlich jenseits des Renteneintrittsalters das allerbeste Zimteis der Welt verkaufte. Ein Muss bei jedem Hamburgbesuch. Letztes Jahr fand ich nach einem Inhaberwechsel nur noch die Standardsorten vor …

  8. Oh ja – Eisdiele und 10 Pfennig pro Kugel – ewig in Erinnerung : Von meiner überaus geizigen Oma 10 Pfennig für ein Eis bekommen, als 9jährige allein mit dem Radl in die Stadt (20 Minuten), stolz mein Lieblingseis „Zitrone“ bestellt – und „Banane“ erhalten. Die Enttäuschung war riesig, aber mein neunjähriges Ich zu schüchtern, um zu reklamieren. Aber n i e mehr Bananeneis gegessen – meine Bestellung als Jugendliche (nahezu jeden Nachmittag in der Eisdiele – war quasi der Jugendtreff in unsrer Kleinstadt) „zwei Kugeln mit Sahne aber ohne Banane“ war legendär. Die Eisdiele gibt es immer noch und mehrere Meilensteine in meinem Leben spielten sich dort ab – Kleinstadt und Eisdiele = ein eigener Kosmos 🙂

  9. Eis auf der Ostsee – das muss Mitte der 90er gewesen sein, da habe ich das auch einmal erlebt. Was für ein Glück, wusste man damals, frierend, ohne Geld für ein heißes Getränk, während man tagsüber aus der Jugendherberge rausgeschmissen wurde, noch nicht zu schätzen.

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