Alles muss man neu singen

Am Montag Home-Office bei offener Balkontür und lauer Luft. Auch das Arbeitsgefühl ist jetzt jahreszeitlich irritiert, das passt hier alles nicht mehr recht zusammen. Ist es Sommer, ist es Frühling, laut Wetterbericht wird es ab morgen schon wieder herbstlich. Nur den Winter, den können wir allmählich ganz ausschließen.

Ein Sohn hat nach frühen Prüfungen frei und fährt schon am Vormittag in den Garten. Dezenter Neid, zumal er sich dort erfolgreich mit drei Stockenten anfreundet, die ihm dann traulich aus der Hand fressen. Es gibt Momente, da finde ich so etwas deutlich attraktiver als meine Arbeit, es ist ganz seltsam.

Währenddessen vor dem Balkon, ich gehe zwischendurch nachsehen: Der April ist gekommen, die Bäume schlagen aus. Komm, lieber April, und mache den Spielplatz wieder grün.

Alles muss man neu singen, und es sind hier und da Textanpassungen erforderlich.

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Gehört: Eine Folge von Radiowissen über die DDR-Literatur: Rückkehr, Aufbau, Kritik. 23 Minuten. Ich habe bei der DDR-Literatur größere Bildungslücken, aber z.B. die Reimann-Tagebücher haben mich doch nachhaltig beeindruckt.

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Den Thomas Wolfe, „Schau heimwärts, Engel“, habe ich erfolgreich durchgelesen, der dickste Roman seit längerer Zeit war es, und ich habe ihn wieder zurück in den öffentlichen Bücherschrank gestellt. Dafür von dort einen Adolf Muschg mitgenommen, Liebesgeschichten aus der Schweiz im schmalen Suhrkamp-Band. Ein sicher etwas seltsamer Tausch, aber so geht dieses Spiel nun einmal. Man muss im Geiste flott hin- und herschalten können, zumal auch die Clarice Lispector noch hier herumliegt, die wiederum vollkommen anders schrieb.

Im Wikipedia-Artikel zu Muschg sehe ich, dass er extremer Hypochonder ist: „Mit Selbstironie erzählt er von seiner nachgeholten Hochzeitsreise 1968 auf einem Frachtschiff, wie er zum Schrecken des Kapitäns wurde, als er, einige Tage vom nächsten Hafen (und Krankenhaus) entfernt, behauptete, er habe einen vereiterten Blinddarm, der sofort operiert werden müsste. Der Erste Offizier liess sich die Symptome schildern, gab sie per Funk an eine Klinik in Danzig weiter und kam dann mit der beruhigenden Mitteilung zu Muschg, es sei kein Blinddarmdurchbruch, sondern ein Magenkrebs, und der liesse noch viel Zeit für eine Operation. Muschg aber war kerngesund.“

Immer schön, wenn andere in gewisser Hinsicht noch seltsamer sind als man selbst. Auch so etwas kann trostreich sein, auch an so etwas kann man sich manchmal etwas aufrichten.

Und apropos Aufrichten, ich danke für die Trinkgelder in den letzten Tagen, es war mir eine helle Freude.

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2 Kommentare

  1. Zur Literatur der einstigen DDR ist vielleicht von Interesse, dass der vor kurzem verstorbene Künstler Peter Sodann eine eigene Bibliothek geschaffen hat, in der
    a l l e Bücher, die seit 1945 bis 1990 in der DDR erschienen sind, erhalten sein sollen.
    Das finde ich sehr beeindruckend.

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