Man möchte einen Besen holen

Im Garten, auf der Terrasse vor der Laube, am Sonntag, der auch noch üppig warm ist. Die Blütenblätter der Magnolie fallen schon, es ist immer eine kurze Freude an der Purpurpracht, wenige Tage nur. Und die schweren Blüten fallen mit einem ausgesprochen uneleganten Geräusch auf den Boden, mit einem etwas ordinär anmutenden *platsch*, das nicht recht zu dem so kunstreichen Blühen passen will. Es deutet sich in diesem Geräusch schon an, wie es bald weitergehen wird, denn das mit dem Verfall, das kann die Magnolie nicht so gut, bei aller Liebe nicht, das ist nun einmal nicht ihr Metier. Was unter ihr herumliegt, dieses abgetragene, fortgeworfene Zeug, das sieht schon nach kurzer Zeit eher nach Schmuddel und Restmüll aus, nicht nach den dekorativ sanft vergehenden Resten eines großen, berauschenden Frühlingszaubers.

Man möchte einen Besen und einen Plastiksack holen, nicht die Kamera.

Auf der anderen Seite der Laube öffnet währenddessen der Flieder in der Nachmittagssonne die Blüten. Alle paar Minuten sehe ich eine Blüte mehr an dem Strauch, es ist fast so, als müsste ich auch zusehen können, wie sie aufgehen, aber es geschieht dann aber doch zu zeitlupig für mich. Wenn man nah genug an diesem Flieder vorbeigeht, dann ist schon etwas vom Duft zu ahnen, ein dünner Strich von Maiparfüm nur, es ist eine schwache, süße Ahnung in der Luft.

Und nachdem ich neulich stundenlang auf den Gimpel gewartet habe, sieht die Herzdame ihn heute prompt im Vorbeiflug, aber ihr „Guck mal! Guck mal!“ kommt zu spät für mich. Ich sehe ihn wieder nicht, nicht einmal den Schatten eines Flügels sehe ich. Ich fühle mich allmählich etwas vergimpelt von diesem Vogel, aber ich werde ihn im Laufe des Sommers schon noch erwischen. Warte, warte nur ein Weilchen.

Ich mache Kaffee, den ersten Gartenkaffee in diesem Jahr. Wir haben das Wasser wieder angestellt, wir kümmern uns um die Saisonanfangsmaßnahmen.

Ich lese später im Gartenstuhl den Anfang von „Nahe dem wilden Herzen“, von der brasilianischen Autorin Clarice Lispector, und es ist ein sehr guter Anfang (Deutsch von Ray-Güde Mertin). So ein Anfang ist das, bei dem man sich betont bequem hinsetzen und unbedingt stundenlang Zeit haben möchte, wenn nicht sogar einen weiteren Tag frei– hier ein Artikel im Standard über die Autorin. Ein sehr guter, aber kein leichter Text, merkt man dann nach wenigen Seiten, der erfordert deutlich Konzentration, vielleicht sogar mehr, als man im Gartenstuhl in der Nachmittagssonne aufbringen kann.

Ich werde es noch herausfinden.

Das Buch "Nahe dem wilden Herzen" liegt im Gras neben Magnolienblütenblättern, die noch gut aussehen und farblich zur Schrift auf dem Einband passen

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3 Kommentare

  1. Guten Abend Herr Buddenbohm,
    zuallererst vielen Dank für ihre wundervollen Alltagsbeschreibungen und das ganze Wissen, dass sie in ihren Texten verpacken.

    Kennen Sie Nachtkerzen?
    Vielleicht wäre diese etwas für ihren Garten. Sobald es dunkel wird kann man dabei zusehen, wie sich die strahlend gelben Blüten eine nach der anderen öffnen. … plopp. .. plopp…. plopp

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