Bauzaunversprechen

Im Instagramstream von Carola fängt es dieses Jahr also an, die erste Lebkuchensichtung war schon fällig, Herzensternebrezeln. Die Läden, die ich regelmäßig besuche, gehören nie zu den ersten in diesem seltsamen Rennen, habe ich in den letzten Jahren gemerkt. Hier gibt es stets noch etwas Schonzeit, zwei Wochen etwa.

Aber die Hausregel, die ich hier als Chefeinkäufer der Familie leicht für alle aufstellen konnte, lautet eh, dass es dergleichen erst gibt, wenn man einmal gründlich gefroren hat. Wenn ein Tag, vermutlich im späten Oktober erst, eine zumindest fast winterliche Anmutung hatte. Mit scharfkalter Luft, Frost, Winterjackenbedarf und allem.

Und vorher kommt uns dieses Zeug nicht ins Haus.

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In der Innenstadt steht ein Bauzaun vor der grässlichen und gemeinen Lücke, in der einmal der große C&A war, ältere Konsumentinnen erinnern sich. Nicht weit von dem Gebäude entfernt, in dem einmal Kaufhof war, was wiederum gegenüber von der Ecke ist, an der einmal Karstadt Sport war. Es ist eine Art Leerstellenstadtplan, den man sich da allmählich zusammenkonstruieren kann.

Jemand hat mit blauem Edding groß und eher ungelenk „Jesus liebt dich“ auf den Bauzaun geschrieben. Das Wort Jesus hat ein anderer Mensch dann wieder durchgestrichen und korrigierend durch „Marx“ ersetzt.

Ich bin bei beiden eher skeptisch, denke ich im Vorbeigehen. Allerdings bin ich auch kein Fachmann für eine derart ins Allgemeine erweiterte Zuneigung zum Menschen an sich. Ich würde gewiss nicht vorbehaltlos jeden lieben können, der an diesem Zaun vorbeilatscht, ich kenne mich da also überhaupt nicht aus.

Ich lese nur die Bauzaunversprechen in der Stadt mit, nehme zur Kenntnis und schreibe mit. Nach Möglichkeit im eigenen Metier bleiben.

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Gehört: Eine Folge Radiowissen über die literarische Moderne. Bei der ich es etwas geschichtsironisch finde, wie wenig uns diese Texte aus der Zeit heute noch ansprechen. Das damals, also zur Zeit dieser Moderne, als eher dröge geltende Zeug aus dem Realismus ist im Vergleich deutlich lesbarer geblieben. Jedenfalls für mich, aber ich denke, das wird mit einiger Wahrscheinlichkeit mehrheitsfähig sein im Freundeskreis Buch und Roman.

Danach hörte ich in letzter Zeit noch eine Folge über Henry Miller, eine über Jean-Paul Sartre sowie eine über die frühe Bundesrepublik, die 50er. Diese Jahrzehntefolgen finde ich sehr ansprechend, es gibt auch passend die DDR in den 50ern.

Ich habe mich jetzt erfolgreich und zufrieden quer durchs Archiv bei Radiowissen gehört. Falls Sie meinen Interessen in etwa folgen, ich nahm noch diese paar Sendungen zum Schluss mit:

Unternehmen Barbarossa

Vladimir Nabokov

Die industrielle Revolution

Über den Briefwechsel der Else Lasker-Schüler mit Gottfried Benn

Charles Lindbergh

Rudyard Kipling

Das war insgesamt eine angenehme Erfahrung, all diese Sendungen dort nachzuholen. Ein Bildungsformat, mit dem ich ausgesprochen gut zurechtkomme. Sehr schön, dass es so etwas bei den Öffentlich-Rechtlichen gibt, und alles ohne jede Werbung im Text. Man muss es ab und zu einmal ausdrücklich loben und feiern.

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Im nach wie vor sommerlichen Bild, morgen werden es wieder fast 30 Grad in Hamburg, die Alsterarkaden am Rathaus.

Die Hamburger Alsterarkaden und die Kleine Alster. Zwei Menschen sitzen auf den Treppen am Ufer, man sieht sie von hinten. Sommerliche Anmutung, blauer Himmel, Dekowölkchen.

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3 Kommentare

  1. Vergangenheitslandkarte („Wo C&A mal war“), ich kenn das gut, gegen Zukunftslandkarte à la Laurie Anderson: „Well just take a right where they’re going to build that new shopping mall, go straight past where they’re going to put in the freeway, take a left at what’s going to be the new sports center, and keep going until you hit the place where they’re thinking of building that drive-in bank.
    You can’t miss it.“

  2. Radiowissen höre ich auch inzwischen sehr gerne (danke für die Tipps!).
    Schön ist, dass die vom BR alle (?) Folgen im RSS-Feed lassen und der Podcatcher so zum Archiv wird.

  3. Schreibt doch auch gerne mal an die Sender, was ihr gut findet.
    Ich sitze im Rundfunkrat des BR und auch im Programmausschuss (ist allerdings nur beratend und kontrollierend in Bayern), und da kommt oft und ja oft durchaus berechtigte Kritik an, aber selten ein Lob.
    Solche Kommentare sind außerdem ein Grund, an Bewährtem festzuhalten 😉

    Und da die ÖRR gerade derart unter Beschuss stehen …

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