Wir bleiben in Bewegung

Gelesen: Bei der Kaltmamsell die Zitate von Hedwig Richter.

Außerdem den Zeno Cosini von Italo Svevo endlich durchgelesen, und ausgesprochen gerne. Das Buch zur Bücherei zurückgebracht und unter nicht geringen Mühen keine neuen Werke dort ausgeliehen. Jetzt lieber mal den Stapel neben dem Bett angehen! Disziplin, Konsequenz und alles, worin ich bekanntlich sehr gut bin.

Also blättere ich wieder weiter in „Personenbeschreibung – Tagebuch mit Menschen“ von Georg Stefan Troller, nach wie vor ein unterhaltsames Buch. Wobei ich allerdings bei fortschreitender Lektüre die negativen Bewertungen fast aller Menschen, die ihm beruflich begegnen, immer verstörender finde. Überaus scharfe, harte und auch schnell gefällte Urteile liest man da, erstaunlich wenig Milde und Gnade. Eher wenig Bemühen um Verständnis auch, und es zieht sich so durch.

Ich habe mir darüber noch nie tiefschürfende Gedanken gemacht und ich habe gewiss keine religiöse Motivation, aber ich habe beim Lesen doch so ein Gefühl, und Sie dürfen das gerne merkwürdig finden, als sei man auch als schreibender, beobachtender Mensch für menschliche Gnade zumindest am Rande zuständig. Aber das mag eine nicht übertragbare und kaum zeitgemäße Ansicht sein.

Wobei mir ein Song einfällt, von wem war der noch … Mary Gauthier. Auch ein interessanter Lebenslauf.

Es gibt, wenn ich schon dabei bin, in meinen Playlists auch ein Lied über Mercy in einer bekannten Instrumentalversion, nur mit einem kurzen, einleitenden Text von Cannonball Adderley: „You know, sometimes we are not prepared for adversity …“

Ein Stück aus meinem Geburtsjahr, ich mag es sehr. Ausnahmsweise ist auch das Publikum, das man nicht überhören kann, ein wichtiger und richtiger Teil der Live-Aufnahme geworden.

Und bei Youtube immer auch die Kommentare lessen, etwa den: „My dad was in Korea with cannon. He would tell me stories about being in the „cool“ tent with him

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Ansonsten eine weitere Werkwoche absolviert und anlässlich etlicher Meetings viel darüber nachgedacht, dass ich sprachlich allmählich aus der Berufswelt falle, was auch eine faszinierende Erfahrung ist. Ich komme an der Feststellung jedenfalls nicht vorbei: Der Slang dort ist nicht mehr meiner. Die letzten Bedeutungsverschiebungen bei Business-Vokabeln habe ich, haben wohl die meisten Menschen in meinem Alter nicht mehr mitgemacht. Wir denken anders, wir reden und schreiben auch anders. Es gibt teils auffällige Deutungsdifferenzen bei etlichen Vokabeln, sie müssen gar nicht englisch sein.

Es ist eine etwas irritierende Form des Fremdwerdens in der Welt. Die ich aber nicht einmal ansatzweise für originell halte und die auch nicht zu bewerten ist. Es ist doch nur der gewöhnliche Lauf der Dinge. Es ist ausgesprochen altersgerecht und das, was ich voller Begeisterung als noch karrierewilliger Mittzwanziger in Meetings von mir gegeben habe, es wird die damals Älteren auch mit großer Sicherheit verstört zurückgelassen haben. Wie in der Rückschau leider nur allzu klar zu erkennen ist.

Es ist also, wie es ist, und so können wir uns etwa über aktuelle Anglizismen gar nicht beschweren. Nicht über ihre Ausprägung, auch nicht über ihre Anzahl. Wir haben sie damals in den Büros immerhin mit eingeführt, wir haben dieser Sprachänderung entschlossen und modebewusst den Weg bereitet. Wir waren, haha, der erste Milestone in dieser Entwicklung.

Heute denken wir nur, schon wieder im Sinne eines Asterix-Zitates, dass die neuen Anglizismen nicht von hier sind.

Na, egal. Wenn man dauerhaft den Kopf schüttelt, ist man auch in Bewegung, nicht wahr. Und darauf kommt es doch an, in den letzten Berufsjahren.

Blick durch die Rathausarkaden, in denen gerade kein Menschengewimmel ist

Das sind die Rathausarkaden, die alle Gäste der Stadt besuchen müssen, es ist eine Pflicht. Deswegen ist es da nie leer, fast nie. Man braucht viele Besuche dort und auch verdammt viel Glück, um so ein Bild zu erwischen. Es war etwa zehn Sekunden so leer, länger nicht.

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6 Kommentare

  1. Als Lehrerin bekam ich neulich in einem Mitarbeitergespräch mitgeteilt, dass meine Jahresziele nicht s.m.a.r.t. genug formuliert wären. Ich gab meinen Text bei Chatgpt ein mit der Bitte „Kannst du das in Mc Kinsey-Deutsch umschreiben?“ Diese elende Version habe ich dann achselzuckend der Schulleitung gemailt und siehe da, es wurde von meiner Vorgesetzten ausdrücklich gelobt, im Sinne von „na bitte, du kannst es doch“.

  2. Ihre Haltung zur menschlichen Gnade des beobachtenden schreibenden Menschens ist sehr schön. Aber das Bild der Rathausarkaden kann nur eine geschickte Fälschung sein. 😉 Beste Grüße !

  3. Kopfschütteln, Krückstockfuchteln – ich versuche es nicht zu tun, aber man slided (!) da so rein… Sich nicht wie ein Dinosaurier zu fühlen, misslingt mehr und mehr.

  4. Wann in Herrgottsnamen wurde das schnöde „Lied“ denn zum „Song“? Mir scheint, ich bin noch viel gestriger als Sie, obwohl jünger…

  5. „Wenn man dauerhaft den Kopf schüttelt, ist man auch in Bewegung, nicht wahr. Und darauf kommt es doch an, in den letzten Berufsjahren.“

    Danke für diesen Satz. Da stimmt einfach mal wieder alles und ist so fein formuliert!

    Ich habe zwar noch mindestens 20 Jahre vor mir, aber ich fühle es jetzt schon…

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