Am Sonntagmorgen war es exakt passend zum Kalender so weit. Ich sah morgens aus dem Küchenfenster auf einmal nicht mehr auf das üppige Grün der Sommermonate, sondern deutlich auf Grüngelb. In der Nacht musste draußen umdekoriert worden sein, und ein überraschend schneller Kulissenwechsel wie im Theater war das, der passte zu meinen momentanen Interessen. Soll die Natur ruhig auch etwas für uns inszenieren! Wenn es mir dabei nicht gerade das Dach per Herbststurm von der Wohnung weht, soll es mir alles recht sein. Die Saisoneröffnung wird nicht nur in Theatern gefeiert.
Das attraktive und tiefe Rot des Weinlaubs im Hintergrund des Bildausschnitts vor den etwas helleren Ziegeln der Kirchenwand. Dazu die nun kaum noch zu übersehenden braunen Untertöne des Verfalls auf dem Boden, die bald im Bild überwiegen werden.
Man muss sich mittlerweile deutlich Mühe geben, nicht auch bei solch harmlosen und althergebrachten Naturbeobachtungen die aktuelle Politik dauernd mitzudenken und fehlgeleitet in unangenehme Richtungen zu assoziieren. So viele Farben sind nun tendenziell unangenehm belegt und verbunden mit belastenden Nachrichten. Selbst die letzten Brombeeren an den Ranken sind neuerdings politisch kontaminiert und auf einmal mit Parteien und Programmen verbunden.
In alles grätscht einem die allgemeine Lage hinein, und zwar schon viele Stunden vor den ersten Hochrechnungen aus Brandenburg. Es war nur ein Zufall, dass ich ebenso wie bei den letzten Wahlen schon wieder mitten in einer Menschenmenge stand, als die ersten Hochrechnungen um 18 Uhr vermeldet wurden. Ich konnte daher auch diesmal beobachten, dass es keine Blicke auf die Smartphones um ich herum gab. Kein allgemeines und brennendes Interesse, keine sofort einsetzenden aufgeregten Diskussionen.
Es ist, wie es ist, und ich bewerte es auch diesmal nicht. Ich schreibe nur mit, was ich sehe, und selbstverständlich kann das bei Ihnen ganz anders gewesen sein.
Ich hatte dabei mein aktuelles Hörbuch von Klaus Mann auf dem Ohr, der sich im „Wendepunkt“ rückblickend und weitgehend ergebnislos fragt, wer angesichts der geschichtlichen Katastrophen in seiner Lebenszeit wann was hätte tun können, und der nebenbei auch staunt, was er und andere alles noch Normales und Lustiges gemacht haben, in den letzten Jahren vor 33. Was für eine seltsame Zeit das war.
Keine Patentantworten, nirgends.
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Während viele mit einem gewissen Entsetzen zur Kenntnis nahmen, dass Stefan Raab seit kurzer Zeit wieder da ist, ich sah zumindest in den Timelines etliche Kommentare in dieser Richtung, ohne mir die Sendungen selbst angetan zu haben, tauchten andererseits auch bisher unbekannte Briefe von Kleist und neue alte Noten von Mozart auf. Diese vermehrte Wiedergängerei liegt zeitlich unpassend weit vor Halloween und den bekanntlich durchlässigeren Nächten des späten Jahres, das ist zu bemängeln. Aber wenn auf einen wiederentdeckten Raab zwei wiederentdeckte Klassiker kommen, es soll mir am Ende vielleicht recht sein.
Der Frauenanteil ist allerdings wie fast immer und überall stark ausbaufähig. Ein paar bisher unbekannte Gedichte der Kaléko, einige Takte von Clara Schumann oder etwas in der Richtung dürften schon auch noch auftauchen.
Eine Frage der Quote und der Verhältnismäßigkeit, wie bei so vielen Themen.
Weiterhin die Sommerbilder hier zügig ablegen, bevor sie vollkommen unpassend werden und zur Stimmung vor der Haustür gar nicht mehr passen.
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Ich habe die ersten beiden Folgen von „So long, Marianne“ gesehen, die Leonard-Cohen-Serie, wie neulich erwähnt. Ich werde sie wohl komplett konsumieren, dabei bin ich doch mit der alten Maigret-Serie mit Bruno Cremer noch gar nicht fertig und verheddere mich also schon wieder.
Es geht doch nichts über Luxusprobleme, das hätte wohl auch Klaus Mann so befunden.
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