Montag, verdämmert

In der Nacht auf den Montag werde ich durch einen der Söhne um meinen Schlaf gebracht, weil sich einer von ihnen etwa gegen zwei Uhr Essen macht. Es sind immerhin Teenager im Wachstum, da ist die Not manchmal auch zu ungewöhnlichen Stunden groß und Abhilfe dringend erforderlich. Und ich weiß, dass in solchen Momenten quasi alles konsumiert wird, was grob als essbar verstanden werden kann.

Manchmal deute ich einigermaßen amüsiert am Morgen die nachts entstandenen Spuren in der Küche. Sherlock Holmes nichts dagegen, wo führt die Krümelspur hin, wozu gehört dieser Fetzen Verpackung neben dem Mülleimer, was hat da auf die Spüle getropft. Und was muss ich alles nachkaufen.

Ah, jemand hat die seit zwei Jahren abgelaufene Blockschokolade zum Backen gefunden, die ganz hinten im Schrank war. Wie sorgsam und gründlich sie dann beide auf einmal suchen können. Ich erinnere mich dunkel, auch selbst diese Phase in dem Alter gehabt zu haben. Diese Zeit, in der ich morgens ein ganzes Toastbrot mit gruseligen Mengen Nutella konsumiert habe. Im Nachhinein ist es ein eher belastender Gedanke, und man müsste sich meinetwegen auch nicht an alles erinnern. Manches gezielt löschen zu können, das kann eine so angenehme Vorstellung sein. Aber vermutlich würde ich auch das eskalieren und es bliebe dann wenig übrig. Problem.

In dieser Nacht jedenfalls seltsame Geräusche aus der Küche, das Backblech oder was auch immer poltert dort, etwas klirrt, etwas knarrt, jemand rückt einen Stuhl. Und ich werde diese Elternreflexe, die noch aus der Kleinkindzeit stammen, hartnäckig nicht los. Das ist nur der Herzdame gelungen, die selig weiterschläft, was auch immer in dieser Wohnung nachts passiert. Ich aber werde wach und höre angestrengt hin. Immerhin stehe ich nicht mehr auf und sehe nach, was da los ist. Sie werden schon klarkommen, die Söhne, was auch immer sie da treiben. Es wird schon gutgehen.

Aber wieder einzuschlafen, das ist manchmal eine doch hohe Kunst. Und diesmal gelingt es mir nicht.

Den Montag verbringe ich entsprechend in desaströser Müdigkeit am Schreibtisch im Home-Office und fühle mich dabei, als stünden mir etwa zwei Gehirnzellen zur Verfügung. Bleischwere Augenlider, eine Körperhaltung wie ein Sandsack auf dem Bürostuhl.

Ich könnte von diesem Stuhl rutschen, denke ich zwischendurch, und einfach gleich hier auf dem Boden schlafen. Wenigstens ein Viertelstündchen. Aber, sehe ich dann, es müsste erst einmal jemand staubsaugen, wie sieht es denn da unten schon wieder aus. Und wer in diesem Haushalt „jemand“ ist, das weiß ich auch mit nur zwei blinkenden Gehirnzellen noch. Wie ich vor Urzeiten schon einmal in einer Zeitungskolumne notiert habe, ist aus mir immerhin jemand geworden.

Ich schlafe also nicht, natürlich nicht. Ich mache weiter, selbstverständlich mache ich weiter. „Aushielt er, bis er das Ufer gewann“, Fontane hat mit seinen Zeilen sicher Menschen wie mich gemeint.

Aber als ob es mir jemand danken würde, „Unsere Liebe sein Lohn“, ja von wegen.

Ich lese zwischendurch die Nachrichten vom Wochenende nach. Ich denke, wenn ich ein wenig wütend werde, was mittlerweile systemimmanent geworden ist, wenn man sich mit der Lage beschäftigt, werde ich womöglich etwas munterer, etwas belebter, springt der Kreislauf vielleicht etwas an.

Die Nachrichten aber zitieren Sätze von Egon Krenz, die Älteren erinnern sich, und das nicht nur auf einer Seite. Ich bin also doch eingeschlafen und träume einigermaßen wirres Zeug. Wie auch immer mein Unterbewusstsein nun auf diesen Herrn aus der dunklen Vergangenheit kommt, man kann das nicht immer schlüssig nachverfolgen.

Der weitere Montag vergeht in der Unsicherheit des lockenden Halbschlafs und des fortwährenden Dämmerns. Und falls noch etwas anderes an diesem Tag war, dann habe ich es mit großer Sicherheit nicht mitbekommen.

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Im Bild ein ausgedientes Klavier am Straßenrand unter einer Brücke in Hammerbrook. Etwa so einsatzbereit und verstimmt wie ich zum Wochenanfang.

Ein marodes, ausgesetztes Klavier unter einer Brücke in Hammerbrook

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3 Kommentare

  1. Ein Buddenbohm-Moment! Ich hatte eben einen Buddenbohm-Moment: Bei der „Fest und Flauschig“-Folge, die ich gestern hörte, sprach Olli Schulz über einen Song über einen der big lakes („The Wreck of the Edmund Fitzgerald“, Gordon Lightfood) und mir kam ein Gedicht dazu in den Sinn…. Ich fand es. Lernte, dass es von Fontane ist und lese jetzt Zeilen daraus im Blog. Wie toll ist das?

  2. So weit sind wir noch nicht …. die Söhne sind mit elf und sieben noch zu klein, die Tochter mit 14 verwüstet die Küche hingegen tagsüber … interessant, was da alles noch auf uns wahrscheinlich ebenfalls zukommt ….

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