Anmerkungen zum Totensonntag

Es ist Totensonntag, ich erreichte in dieser Woche passend einen Peak, einen Höhepunkt im Erwachsensein, im Ernstsein und in der saisonalen Anpassung.

Ernst und erwachsen: Wir haben nach reichlich Vorlauf und Bedenkzeit unser Testament notariell und hoffentlich kunstvoll geregelt. Ebenso, wo wir schon dabei waren, unsere Patientenverfügungen und was man für Ernstfälle aller Art so braucht. Also vielleicht braucht, irgendwann braucht, wer weiß wann braucht – aber eben mit gewisser Wahrscheinlichkeit braucht. Wie der Notar angenehm norddeutsch und arm an Pathos sagte: „Wir regeln jetzt also tot und halbtot.“

Es ist ein gutes Gefühl, dergleichen in eine verlässlich wirkende Ordnung gebracht zu haben, so dass man sich nicht mehr darum kümmern muss. Das gefällt mir außerordentlich, ich räume ohnehin gerne auf, und die Freude über dieses Ergebnis, sie fühlt sich paradoxerweise recht lebendig an.

Den Termin für die Unterzeichnung des Testaments habe ich nicht mit Absicht in die Woche vor den Totensonntag gelegt, aber merkwürdig korrekt kam es mir vor, als ich den Zusammenhang erst bemerkte.

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Ferner war ich gestern im Deutsche Requiem von Brahms, das im Hamburger Michel aufgeführt wurde, mit Erika Baikoff, Sopran, und Rafael Fingerlos, Bariton, als Solisten. Ich berichtete hier über die Planung und wie es dazu kam. Auch beim Kauf dieser Konzertkarte habe ich aber nicht weiter auf den Termin geachtet, ich verstand das Timing erst hinterher.

Im Bild sehen Sie hier nicht den Michel, im Bild sehen Sie St. Jacobi, ein passendes Detail an der Fassade.

Die Inschrift Memento Mori über einer Kirchentür, darüber Schädel im Halbrelief

Nach der Aufführung des Requiems, es wurde vorher darum gebeten, gab es keine Beifallsbezeugungen, das wurde als unpassend empfunden. Stattdessen erhoben sich Publikum, Chor, Orchester und Solisten und standen sich eine Weile stumm gegenüber. Ich bin Neuling bei Konzerten mit klassischer Musik, ich fange damit erst an, arbeite mich ein und kenne die Gepflogenheiten in Konzertsälen und Kirchen daher kaum, ich fand es beeindruckend und angenehm würdevoll.

Wie auch die Musik. Schwere Kost, wie der bekannte ukrainische Feuilletonist Klitschko es vielleicht formuliert hätte, aber es gefiel mir. Auch so, dass ich den Besuch im nächsten Jahr nach Möglichkeit wiederholen werde. Es ist ein Hamburger Traditionskonzert, ich reihe mich da ein. Zumal ich noch den freundlichen Service bieten kann, auch dort den Altersschnitt durch meine Anwesenheit dezent zu senken.

Die große Orgel im Hamburger Michel

Die nächste Eskalationsstufe wird wohl das Weihnachtsoratorium von Bach sein. Es ist einigermaßen naheliegend und ich möchte in Übung bleiben.

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Was passt noch, an diesem speziellen Sonntag. Vielleicht der Herr Kreisler:

„Das Beste ist: Ich weiß nicht, ob ich tot bin.
Das Leben scheint mir jedenfalls sehr lange her.
Ich glaub, dass ich in irgendeinem Boot bin,
und wenn ich’s lenke, lachen alle sehr.“

Ich mag diesen Einstieg.


„Die Welt ist weit, viel weiter, als ich geh‘n kann,
der Himmel nah und außerdem besonders blau.
Ich glaube kaum, dass irgendwas gescheh’n kann.
Was schon geschah, war auch nicht sehr genau.“

Oder, es geht moderner und vielleicht massenkompatibler, mit Eilen Jewell und ihrem Song Rain, der ist auch in besonderer Weise dran:


“There’s only one constant in this whole world
And that’s nothin‘ ever stays the same
Someday my life will be over
And no one will remember my name

That’s all right, cause what’s in a name?
And who needs another one to memorize anyway?
Make no fuss over my grave
Just plant somethin‘ pretty and call it a day.”

Ja. Das kann man heute doch entspannt beim Kochen mitsingen. Wofür ich mir gerade eine bessere Box mit deutlich mehr Wumms organisiert habe, damit ich die Küche besser mit trauriger Musik beschallen kann, während meine Laune steigt, weil ich den Monat und die Jahreszeit nun einmal mag. So wie sie sind und mit allem.

Schließlich eine Instagram-Empfehlung, Cemetery Wildlife. Mit selten schönen Krähenbildern, man kann ein wenig neidisch werden. Aber der Neid, für kenntnisreiche Menschen aus dem katholischen Spektrum Invidia, er galt früher als Todsünde. Da lieber Abstand von nehmen.

Die sieben Todsünden kennzeichnen übrigens populistische Politikerinnen, Politiker und ihre zahllosen Skandale treffend, recht eindeutig sogar. Aber das nur am Rande.

Hier noch die alten Kreuze vor der Kirche im Heimatdorf der Herzdame.

Altes, etwas eingesunkenem, schräg stehende Grabmäler und Kreuze auf einem nebligen Kirchof

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5 Kommentare

  1. Ich bin seit langem langem stille Leserin hier. Heute aber muss ich mich melden. Die Worte des Notars werde ich gleich morgen an meine Chefin, eine Notarin, weitergeben. Vielleicht findet sie das auch, und gibt sie ebenfalls weiter.

    Ansonsten, gute Entscheidung alles notariell gemacht zu haben. Sag ich mal so aus meiner bescheidenen Sicht als Notarfachangestellte.

    Grüße aus NRW nach Hamburg, Helga

  2. Als Person, die zu viele Nachlässe in zu kurzer Zeit regeln musste, kann ich mich Helga nur anschließen. Und hinzufügen: Der Notar kommt eh ins Spiel – bei einem handschriftlichen Testament dann eben nach dem Tod. Und was mich da sehr erschreckt hat: Der Notar meinte, man könne diesen handschriftlichen Text auf die eine oder auch auf die völlig entgegengesetzte Weise interpretieren. Er könne fürs Nachlassgericht beides schlüssig begründen – was uns denn jetzt lieber sei? Zum Glück gab es in dem Fall keine Zweifel und keinen Anlass für Streit, aber das könnte bei anderen Menschen anders sein!
    Also, wer sicher sein möchte, dass alles wirklich nach den eigenen Vorstellungen umgesetzt wird, sollte ein notarielles Testament machen.

  3. Lieber Herr Buddenbohm,
    es freut mich, dass Sie solch eine Freude an schöner Chormusik gefunden habe. Ich singe seit über 20 Jahren in einer großen Kantorei und singe genau solche Werke (unter anderem). Wir hatten am letzten Wochenende das Mozartrequiem gesungen. Am 4. Advent kommen dann einige Teile vom Weihnachtsoratorium. Das wird sehr schön!
    Beim gemeinsamen Musizieren oder auch zuhören habe ich oft den Eindruck, dass diese Musik etwas mit einem macht. Dazu muss man, denke ich, nicht einmal zwingend religiös veranlagt sein. Aber die klassischen Komponisten (ja, fast nur Männer…) schafften es schon gut, alte Texte mit Musik zu verbinden, so dass die einem nachgehen.
    Viel Freude damit weiterhin
    Eva

  4. Ich sehe Parallelen – der Mann übt hier seit Wochen seinen Flötenpart für das Weihnachtsoratorium und im Brahms Requiem waren wir auch neulich, wobei er mich ebenfalls darauf vorbereitete, dass keinesfalls zu klatschen sei – Ergebnis: alles klatschte nach kurzer Pause und ich wusste nicht, ob ich nun mitmache oder eher nicht ….

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