Zwei arte-Dokus habe ich gerne gesehen, eine über Henry Fonda und eine über Robert Redford. Beide mit viel Bezug zur Geschichte der USA und auch zu den Veränderungen in der Gesellschaft im letzten Jahrhundert, wie sie sich in ihren Filmen und Rollen spiegeln. Es geht bei beiden Schauspielern auch um Ideale und Anstand. Um altmodisch gewordene Begriffe also, durch deren Benutzung man sich mittlerweile recht eindeutig als aus der Welt gefallen und gestrig deklariert.
Robert Redford lebt noch, er ist ein alter, amerikanischer Mann. Und man kann sich nicht genug darüber wundern, dass ein Land einen Typen wie ihn und gleichzeitig den neugewählten Präsidenten hervorbringen kann, einen anderen alten, amerikanischen Mann. Auch wenn er etwa zehn Jahre jünger ist.
Was für eine kaum noch glaubwürdige Distanz zwischen den beiden liegt, in welch verschiedene Universen sie gehören. Es ist eine Distanz, die schon wieder etwas kinomäßig anmutet. Ich werde diese Bezüge zum Medium Film offensichtlich nicht mehr los, und aus guten Gründen nicht. Sie ergeben sich so in diesen Zeiten, in denen die stark überzeichneten James-Bond-Bösewichte, die uns jahrzehntelang kaum glaubwürdig vorkamen, die auch gar nicht glaubwürdig sein sollten, mitten unter uns und äußerst unangenehm real sind.
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Ich hätte, was die Sprache und den Erzähltonfall betrifft, gerne noch mehr Herta Müller gehört. Ihr „Die Nacht ist aus Tinte gemacht“ hat mir sehr gefallen, aber inhaltlich überfordern mich ihre Werke gerade etwas. Man muss dem Erdulden von negativen Themen auch Grenzen setzen, solange man es noch kann. Was nichts an ihrer Berechtigung ändert, und ein anderes Mal wird es sicher wieder passen.
Kurzentschlossen bin ich erst einmal zu leichterer Lektüre gewechselt, zu Maigrets Memoiren von Simenon, gelesen von Walter Kreye. Deutsch von Hansjürgen Wille, Barbara Klau und Bärbel Brands.
Das ist, wenn Sie sich für Literatur, für das Schreiben und auch für das schwierige Verhältnis von Fiktion und Realität interessieren, ein erhellendes und faszinierendes Buch. Simenon treibt darin gedanklich einiges auf die Spitze und findet schöne Drehungen. „Die Wahrheit wirkt nie wahr“, lässt Maigret etwa den Herrn Simenon an der einen Stelle sagen (ja, tatsächlich so herum). Es ist ein komplizierter Sachverhalt für alle schreibenden Menschen, aber es ist so.
Walter Kreye hat ein Interview gegeben, als er die sämtlichen Maigrets neu eingelesen hat. Er stand, so erzählt er es, gerade auf einer Leiter am Bücherregal in seinem Wohnzimmer, direkt vor den sämtlichen Simenons, er streckte die Hand nach einem Band aus, als der entscheidende Anruf mit der Frage kam, ob er nicht die Krimi-Reihe von Simenon komplett einlesen wolle.
Kann das denn sein, klingt das wahr? Für Sie vielleicht nicht?
Für mich als Vielschreiber, der im Geiste dauernd die Begebenheiten des Alltags mitschreibt und die Wirklichkeit dabei manchmal etwas verharmlost, weil sie zu drastisch und zu überzeichnet ist und daher erstaunlich oft unglaubwürdig wirkt, klingt das wahr. Denn ich weiß, so geht es zu.
Aber in einer Welt, in der die James-Bond-Bösewichte als reale und sogar wählbare Personen herumlaufen, müssen wir das Verhältnis von Fiktion und Wirklichkeit ohnehin komplett neu bewerten.
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Im Bild die Herzdame, die Wirklichkeit mittels Fotofilter in Fiktion verwandelnd. Wenn man erst einmal darauf achtet …
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Danke für die Sonntagsmorgenfrühstückslektürre (nachdem alle Familienmitglieder den Tisch verlassen hatten) und einen entspannten dritten Advent ….