Vom Zusammensuchen des Werkzeugs

Die gerade erst im Blog erwähnte Goethe-Biografie von Thomas Steinfeld kam prompt als Geschenk. Ich bin einigermaßen verblüfft und natürlich begeistert. Daher weiß ich jetzt auch, dass sich die 800 Seiten gewichts- und umfangsmäßig nach einem wahrhaft großen Vorhaben anfühlen. Man wird nach dem abendlichen Lesen in den Armen fühlen, was man im Bett gehalten hat, aber ich freue mich auf die Lektüre.

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In der Zeit (Paywall) schreibt Ulrich Machold einen Essay über ein Thema, mit dem ich seit Jahren allen Leuten um mich herum offline und online auf die Nerven gehe. Ich zitiere den Untertitel, weil er erklärender ist: „Wenn es keine Idee von einem Morgen gibt, verliert die Gesellschaft den Glauben ans Heute.

Dieser Essay endet, und es ist nicht als Kritik an Ulrich Machold gemeint, allerdings etwas schwach. Ich sehe aber auch nicht, wie er besser enden könnte. Denn ich denke nach wie vor, es liegt daran, dass wir als Gesellschaft an dieser Stelle gerade schwach enden.

Das mit dem schwachen Ende gilt ebenfalls für einen Text zum Jahreswechsel von Robert Misik in der taz. Er schreibt da auch über den Negativismus, über unsere allzu schlechte kollektive Gefühlslage: „Immerhin, wir leben noch“ – und es gibt einen ausgesprochen unbefriedigenden Ausklang in den letzten Absätzen.

Das möchte man alles so nicht stehen lassen. Ich jedenfalls nicht, denn ich bin, wie mehrfach betont, trotzgeleitet und renitent. Ich möchte es anders haben, als es ist. Um die Gefühlslage also wenigstens für heute zu retten, reiche ich eben noch eine eher aufbauende Überschrift aus den USA nach. Dort ist man uns in der drastischen Abwärtsbewegung und also auch im intensiven Nachdenken darüber bekanntlich deutlich voraus. Ich sehe da gerade einen Titel, der uns vielleicht etwas anders stimmen kann. Der vor allem auch den gewiss großen Freundeskreis Fiktion und Realität sofort ansprechen dürfte: „Don’t like the way things are going? Wait for the inevitable plot twist.

Das in diesem Artikel von Dan Gardner ganz am Ende zitierte „Keep buggering on“ von Churchill legen wir uns in Gedanken vielleicht einmal neben das neulich zitierte und von Judy Garand gesungene „We’ll have to muddle through somehow.“

Denn so füllt sich der Werkzeugkasten für den Umgang mit der Wirklichkeit in diesem Jahr. Man muss es sich alles etwas mühsam zusammensuchen.

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Und sonst: Wir haben Weihnachten in den Keller gebracht, es war mir ein Fest.

In der Innenstadt sah ich beim Spaziergang überall neue Plakate und Schriftzüge in den Schaufenstern. „End of season sale“, wie jetzt in routinierter Weltläufigkeit das heißt, was wir früher noch provinziell und sprachlich ungelenk Winterschlussverkauf genannt haben. Das konnte auch keinen Spaß machen, mit dieser knarrenden Bezeichnung, man versteht das im Rückblick.

Leere Kleiderbügel in einem Schaufenster, jeder trägt einen lilafarbenen "Sale"-Plastik-Clip am Haken

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2 Kommentare

  1. Gibt es für diese fehlenden Visionen von einer Zukunft eigentlich Austauschplattformen? Also so ein Projekt wie „Was machen die da?“, bei dem sich verschiedene Menschen überlegen, wie sie sich eine gute Zukunft vorstellen? Natürlich unter den Einschränkungen, dass ein „weiter wie bisher“ nicht möglich ist. Ich fände es wirklich spannend, wie andere sich das vorstellen (und wäre auch bereit, meine eigene Vorstellung einer lebenswerten Zukunft zu teilen ?)

    Lieben Dank für’s stete Schreiben und Teilen!

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