Seit vier oder fünf Tagen finde ich jeden Morgen irgendwo eine Schlagzeile, die mir berichtet, dass der Papst eine gute Nacht gehabt habe. Wie besinnlich und wie immerhin ist das denn. Da ruhig mal einen Moment innehalten und es erfreut zur Kenntnis nehmen, was offensichtlich auch eine Nachricht sein kann: Jemand hat gut geschlafen. Und also überlebt, das auch.
Es wirkt ausgesprochen skurril, solche Sätze in unserer aktuellen Nachrichtenumgebung zu lesen. Aber es hat auch etwas in seiner verblüffenden Rückwärtsgewandtheit. Neofeudalismus in nett, was es alles gibt.
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Nach der wiederum etwas marathonmäßigen Montagsarbeit fuhr ich spontan mit der U-Bahn runter zu den Elbbrücken, um von dort einige Minuten auf die Elbe zu sehen und den Tag zu veratmen. Flussabwärts sah ich dabei, versteht sich, denn flussaufwärts wirkt an dieser Stelle irgendwie nicht sinnvoll. Wenn es überhaupt irgendwo sinnvoll wirkt, flussaufwärts zu sehen, ich bin mir gerade nicht sicher.
Dahin jedenfalls sah ich, wo der Hafen ins Bild rückt. Wo später, also viel später, Blankenese kommt, irgendwann Cuxhaven, wo die Elbe schließlich mündet, wo Helgoland liegt, England, Schottland und alles. Und dann leise La Paloma pfeifen, ein alter Hamburger Trick zur zuverlässigen Befindlichkeitsverbesserung.
Eine Art Rettungsblick war das für mich. Denn es kann einem wieder ein wenig Richtung und Ziel vermitteln, an einem gut orientierten Strom zu stehen, der eindeutig weiß, wo er hinwill. Das fühlt sich manchmal gut und innerlich ordnend an. Besonders dann, wenn man stundenlang eher wild und verworren an einem Bildschirm gearbeitet hat. Ohne rechten Bezug zur greifbaren Wirklichkeit und ohne rechte Aussicht auf Erlösung oder auch nur auf finale Verfertigung.
Was man in einem Büro so macht, Sie kennen das.
Zwei junge Frauen gingen an mir vorbei, während ich an dieser Station stand und die Flusslandschaft mit Schiffen und Stadt vor mir einen Moment bestaunte, ich hörte einen ihrer Sätze: „Bei uns gehen jetzt die ganzen Boomer in Rente, das ist ja auch so ein Problem, meine Güte.“
Es wirkte wieder ein wenig dokumäßig, dass eine der Frauen dies so ausgesprochen passend und auch gut verständlich aufsagte, als sie an mir vorbeiging, etwas theaterhaft wirkte es vielleicht auch. Aber man sucht es sich nicht aus, und so geht es da draußen eben zu. Dieses in den Medien oft erörterte Problem spiegelt sich tatsächlich vielfach in der Wirklichkeit, q.e.d.
Verbuchen wir es einfach unter Bestätigungsbloggerei, wofür man vielleicht eine neue Rubrik einführen und ein Format erfinden müsste.
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Herfried Münkler kam hier in letzter Zeit öfter vor und nun schon wieder, denn ich empfehle gerne, sogar besonders gerne seine Wahlnachlese und Lagebeurteilung im Politikteilpodcast der Zeit. 46 Minuten, die ich ausdrücklich auch wegen der Sprache weiterreiche.
Denn der Herr Münkler ist ein gebildeter Mensch, der sehr viel von dem versteht, was er da beurteilt. Und er würdigt auf die denkbar angenehmste und niveauvollste Art einige Gestalten der aktuellen Politik wunderbar herab, es war mir ein wahres Fest. Zumal ich die Meinungen glücklicherweise fast durchweg teilte, das fügte sich ebenfalls angenehm.
Auf dieser Ebene zu diskutieren – es ist doch etwas anderes als das, was wir in den Nachrichten meist als Wortmeldungen aus den Parlamenten etc. lesen.
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Frau Novemberregen dagegen wird lästige Bürgerin, und das halte ich auch für eine ausgesprochen respektable Entscheidung.
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Edward Zitron schließlich ist wieder lesenswert, wenn Sie sich für AI oder für den AI-Markt interessieren. Auch wenn der Text wieder betont länglich daherkommt: There is no AI revolution. Keine der Firmen im AI-Kontext verdient Geld, und er hat sicher Recht damit, dass man es nicht oft genug sagen kann.
Kein Gewinn, nirgends. Aber wir nehmen es nicht als Tagesmotto, nur als Nachricht.
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Sie können hier Geld in die virtuelle Version des Hutes werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch. Die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.
Die Boomer waren meine Chefs, als ich angefangen habe zu arbeiten – sie in Rente gehen zu sehen, während man selbst weiterhin (seit Jahrzehnten beim gleichen Arbeitgeber) befristet ist, macht mich schon lange nachdenklich ….
Dass der Papst gut geschlafen hat, interessiert weltweit sicher mehr Menschen, als dass das kleine Deutschland eine neue Bundesregierung hat- durchaus eine Nachricht wert!
Im Zusammenhang mit dem Gesundheitszustand des Papstes las ich die Tage, es „wehe ein Hauch von Konklave durch die Welt“. Das macht den Februarwind doch gleich etwas bedeutsamer.
„Auf jeder Seite seines Romans komme das Wort „flußabwärts“ hundertmal vor.“ Ein Satz aus einem seiner grandiosen „Hagenbuch hat jetzt zugegeben“-Texte von Hanns Dieter Hüsch, den ich mal komplett auswendig wußte.
„Was man in einem Büro so macht, Sie kennen das.“ Oh ja, ich kenne das. Immerhin (da ist es wieder) bezahlen sie mich gut und die Aussicht ist grandios.
Gestern Abend habe ich auf dem Heimweg angehalten und ein Foto mit Blick flussaufwaerts gemacht. Es kann durchaus Sinn ergeben.