Auf dem Heiligengeistfeld werden gerade erneut die Attraktionen des Hamburger Doms zusammengeschraubt, sehe ich beim obligatorischen Sonntagsspaziergang. Also ist, einem alten Scherz zufolge, wieder irgendeine Jahreszeit. Es könnte allerdings diese oder jene sein, dem Bild nach zu urteilen, denn die Passanten tragen Winter- oder Sommerkleidung. Die Temperaturempfindungen scheinen gerade von Mensch zu Mensch noch stärker als sonst abzuweichen. Es geht alles etwas durcheinander an diesem Wochenende.
Im Park Planten un Blomen drüben ist die Eisbahn währenddessen noch geöffnet, es werden auch noch Schlittschuhe darauf eingesetzt. Aber die Amüsierwilligen, die da heute fahren und kreisen, sie tragen buntes, kurzes Sportzeug wie zum Beachvolleyball. Eine gleitet elfenhaft im luftigen Ballerina-Outfit über die Fläche, und eine ältere Frau neben mir, die hier auch eine Weile zusieht, sagt prompt und kopfschüttelnd: „Die holt sich doch was weg.“
Auf den Rasenflächen ringsum blüht tausendfach leuchtend lilafarbener Krokus. Hier und da einige Narzissen büschelweise dazwischen. Sie sind für gelbe Akzente zuständig, in dieser Rolle stets bemüht und auch nicht ohne Erfolge.
Es sitzen etliche Pärchen auf den Parkbänken, die heute endlich einmal weder nass noch kalt sind. Es wird geschnäbelt und gekuschelt und geherzt auf diesen Bänken, es ist hier und da ganz ungemein Frühling. Man sieht es schon im Vorbeigehen deutlich, dass man es fühlen kann. Die Menschen gehen auch auffällig langsamer als sonst durch die Sonne dieses Sonntagnachmittags. Sie bleiben manchmal stehen und halten an manchen Stellen minutenlang ihre Gesichter in die Strahlen. Stehen dann mit geschlossenen Augen dort herum wie Statuen von Balkenhol im öffentlichen Raum.
Sie genießen wohl den Moment, wie man so sagt, sie benehmen sich wie Leute mit Tagesfreizeit.
Seltsam entspannt wirken sie alle, das ist ungewohnt. Die ganze Stadt wirkt entspannt an diesem Tag, wenn man sich so umsieht. Sogar die riesigen Möwen, die einen Mülleimer am Spielplatz plündern und eine halbleere Dönerbox fachgerecht zerlegen, Fleischfetzen und Pommes dabei um sich werfend, sie machen das irgendwie lässiger und geschmeidiger als sonst.
Man isst außerdem allgemein Eis. Vielleicht ist es das erste Eis des Jahres, dann ist es also ein Eis von gewisser Wichtigkeit und man sagt es sich gegenseitig auch auf, dass dies das erste Eis ist. Nach der Eisbestellung hakt man sich wieder unter und geht gemächlich weiter durch diesen Tag.
Man plaudert und schlendert und probiert auch einmal das Eis des jeweils anderen Menschen. Man leckt kichernd kreuzweise, aber es hat diesmal nichts mit Beschimpfungen oder nicht jugendfreien Themen zu tun.
Es kommen mir ab und zu Leute auf den Parkwegen entgegen, die eindeutig gut gelaunt aussehen. Manche davon gehen ohne jede Gesellschaft und ziehen ganz allein durch die große Anlage. Die sind einfach so in anderer Stimmung als sonst, nicht einmal sozial animiert. Aus sich heraus sind sie so, wie sie heute sind, muss man da wohl annehmen. Als sei es bei uns legitim, normal und gewohnt, beim Gehen einfach zu lächeln.
Und einen habe ich dann noch gesehen, der hat beim Gehen leise gepfiffen. Etwas passiert mit dieser Stadt.
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Wenn Sie aber gerade ebenfalls zu gut gelaunt sein sollten, lesen Sie einfach die Temperaturrekordwerte vom Wochenende nach, das reduziert die Frühlingsfreude sicher wieder etwas. Das markiert dann die notwendige Rückkehr zur allfälligen Betroffenheit und Sorge, was auch schön zum Montag passen wird.
Sollten Sie andererseits intellektuell gerade nicht ausgelastet sein, lesen Sie die Krassen Links von Michael Seemann nach, die helfen dabei verlässlich weiter.
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Im letzten Jahr sind zur gleichen Zeit noch bibbernd durch den Schnell gestapft … beim Nähwochenende haben wir sogar überlegt, ob wir uns schnell etwas kurzärmliges nähen ….