Als der vor vielen Jahren aus der Stadt geflohene, aber in Berlin irritierend junggebliebene Mek neulich in Hamburg war, er berichtete hier, sprachen wir abends mit der bekannten Exbloggerin Isa, wie es bei Internetveteranen so ist, natürlich auch darüber, was aus welcher Figur aus einem nur ungefähr bezeichneten Damals geworden ist. Wer jetzt also noch wo schreibt, wer vielleicht sogar noch bloggt, wer überhaupt noch irgendetwas irgendwo vermeldet, wer wenigstens noch Bilder postet oder längst bedenklich komplett verstummt ist.
Wer also wohin verschollen ist, wer verrückt oder wer berühmt geworden ist und wer, das nimmt allmählich immer mehr Raum ein, verstorben ist.
Als groben Teiler im Rückblick auf dieses ungefähre Damals erwähnten wir mehrmals das formelhafte und zeitscheidende „vor Corona“ oder „nach Corona“. Und wenn man das etwas weiter durchdenkt – wir könnten vielleicht doch zur Vereinfachung unserer chronologischen Empfindungen die Zeitrechnung einfach mit dem Startpunkt 2020 resetten. Je länger ich darüber nachdenke, desto plausibler kommt es mir vor.
Wir wären jetzt im Jahr 5, damit kann ich viel anfangen und es sofort emotional bestätigen. Es würde sich alles logischer und plausibler anfühlen, nicht wahr. Und auch das, was wir etwa im Jahre 1 v. Cr. gemacht haben – sehen Sie doch, wir müssten aus der altvertrauten Abkürzung v. Chr. nur ein h entfernen und schon wäre alles viel nachvollziehbarer – es wäre viel besser einsortiert in den Ablauf. Wie simpel, wie einladend auch.
Es wurde dann, fast war es unweigerlich und weist vermutlich auf unser kommendes Gebrabbel im Seniorenheim hin, auch Twitter erwähnt. Dann auch so etwas wie Threads, das ich schon wieder verdrängt hatte. Aber ja, das gibt es auch, und einige Versprengte sind sogar dort zu finden. Untergegangene Reiche und versunkene Städte der digitalen Art haben wir jedenfalls besprochen. Eines Tages, werde ich feierlich zu meinen Söhnen sagen, werden die letzten noch aufrufbaren Internet-Archive-Screenshots längst vergangener Plattformen Euch gehören.
Und sie werden beruhigend „Ja, ja“ murmeln und dabei augenrollend heimlich auf die Uhr sehen, während das Pflegepersonal (und jetzt alle: wenn es dann überhaupt noch Pflegepersonal gibt!) mit dem Abendessen auf dem Servierwagen heranrollt. Das Graubrot, der Schmelzkäse, die blassgrüne Gurkenscheibe.
Ob wir das Bild des finalen Abendmahls noch irgendwo posten werden? Das letzte Bild vom letzten Mann verbleibt dann ohne Likes. Er sieht noch einen Augenblick auf das Ende des Streams, er aktualisiert ein letztes Mal, dann wird abgeblendet.
Aber pardon, ich merke gerade, ich bin gedanklich und in der Stimmung schon weit in den Herbst vorgegangen, so geht es ja nicht. Erst noch das Sommerliche pflichtgemäß abfeiern und durchziehen, versteht sich.
Ein ganzer August noch, in dem die Nächte uns zerschmelzen werden – wie ein Zitroneneis.
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Einige der Verschollenen sind Mitleserinnen, nach wie vor. Und wie das Leben so spielt, könnte aus einer davon sogar eine Großstadtbesucherin werden, weil Nachkommen gelegentlich die Republik erobern und Hamburg im Auge haben für Akademisches in der sehr nahen Zukunft. Ich werde natürlich auf angemessene Kleidung achten 🙂
Ich stehe ggf. natürlich gerne für Spontankaffee etc. zur Verfügung, es wäre eine Freude.