Auch mal in alles passen und richtig sein

Kid37 schreibt über unheimlichen, wespenartigen Besuch, der dann doch etwas Besonderes ist und der auch noch töpfern kann. Was es alles gibt!

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Am Vormittag sitze ich in einem Wartezimmer herum und tue das, was der Name des Raumes in angenehmer Deutlichkeit vorgibt. Hier wurde gerade alles renoviert. Neue Möbel, neue Farbe an den Wänden, es sieht alles noch etwas nach Prospekt aus und riecht auch noch so. Nach Werbebroschüren für gepflegtes Wartezonendekor sieht es aus, so macht man das jetzt, in diesem Style lässt man zeitgemäß warten.

Cremeweiß überwiegt. Oder ist das Chamois, ist es Elfenbein, eine teuer anmutende Variante von Beige vielleicht, irgendwie im Ton auf jeden Fall an Sand erinnernd und hier und da belebt durch einige wenige dunklere, wärmere Elemente. Kamel, Reh und Fuchs. Dazwischen nur ein Hauch von Chrom, die Beine der Sitzmöbel, mattglänzend.

Kreideschrift auf dem Pflaster: Fucking ChiChi

Außer mir sitzt nur noch ein weiterer Mann in diesem Raum und nach einer Weile fällt es mir auf – wir passen beide farblich geradezu lächerlich gut in dieses Ambiente. Jedes Kleidungsstück haben wir im begrenzten Spektrum dieser Töne gewählt, die sicher beruhigend auf die Menschen wirken sollen, die dort geparkt werden. Und, auch das fällt mir etwas verzögert auf, wir sind, und da wirkt es dann endgültig so, als habe man uns in dieses Setting hineinretouchiert, gegenläufig im Farbverlauf. Sein Sakko und meine Hose im dunkleren Segment, seine Hose und mein Sakko cremefarben wie die Wände.

Es sieht auch gar nicht aus wie ein Prospekt, denke ich dann weiter, es sieht eher aus wie ein AI-Bild. Ich bin offensichtlich in die Plastikwelt geraten und müsste eigentlich dringend im nächsten Spiegel prüfen, ob meine Falten im Gesicht noch da sind. Ob ich noch so unrasiert bin, so wie ich hier hereingekommen bin. Etwas unangenehm dekogerecht fühle ich mich, und es ist ein überaus seltsames Gefühl. So muss es Models wohl gehen, wenn man sie für ein Event aufgebrezelt hat.

Wer mag das denn gepromptet haben, frage ich mich, und kommen dann erst nach dem Verlassen der Praxis auf etwas, das heute vielleicht naheliegt. Ich hätte nämlich – wenn man schon in einem KI-Bild sitzt! – jemanden bitten sollen, diesen Raum zu fotografieren. In der Komplettansicht mit mir und dem anderen Mann, und ich hätte dann zum Zwecke der Selbsterkenntnis irgendeine AI-Variante bitten sollen: „Beschreibe möglichst genau den Prompt, mit dem dieses Bild erstellt werden kann.“

Und dann hätte die Software vielleicht etwas ausgeworfen wie: „Ein elegant, modern und neugestaltet anmutendes Wartezimmer mit wenigen, sesselartigen Sitzgelegenheiten. Ein junger Mann und ein älterer Schrat in fast ironisch anmutender, zum Mobiliar exakt passender und vermutlich gerade erst erworbener, gepflegt wirkender Kleidung …“

Oder etwas ganz anderes? Na, ein wenig schade ist es schon. Es wäre doch zum Verifizieren der eigenen Schrathaftigkeit wahrhaftig interessant gewesen.

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5 Kommentare

  1. Vorschlag: Werfen Sie diese Vorgabe einem dieser frei herumrandalierenden KI-Portale vor die Füße und lassen uns dann bitte am Ergebnis teilhaben.

  2. Erinnert mich an ein Erlebnis auf Usedom: Trulla und Mann saßen schon beim Essen, als eine Busladung ankam und eine Kellnerin der anderen zuraunte „die Beigen kommen!“
    Seitdem achte ich als alter Mensch darauf, etwas farbiger aufzutreten, obwohl beige sanft zu den Falten ist…

    Sich in einem Wartezimmer mit den Wänden zu vereinen, passt aber irgendwie.

  3. Erkenne ich hier einen Widerspruch? Denn wie passt denn faltig und unrasiert zum glattgebügelten „Charm“ (naja) eines KI-Bildes? Vielleicht doch nicht so „dekogerecht“? 🙂

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