Im Freizeitpark bei Nacht

Gehört: Ein Zeitzeichen zum Geburtstag von Rio Reiser.

***

Um es vorwegzunehmen, die Antwort auf die vorgestern so hoffnungsfroh gestellte Frage, was die Maus am Donnerstag macht, sie fiel doch eher ernüchternd aus. Man hätte beim vollständigen Memorieren des Gedichtes gewarnt sein können, ich weiß.

***

Es kommt am Vormittag eine Mail an meinen Abi-Jahrgang-Verteiler. Das jährliche Update der Adressen etc. Es wird darin vorausschauend darauf hingewiesen, die beruflichen Mail-Adressen vielleicht einmal gegen private Varianten auszutauschen, rechtzeitig vor Eintritt des Rentenalters. Und guck, da war das Thema wieder.

Im Büro passend dazu der Smalltalk mit den Kolleginnen, die noch wenige Wochen vor sich haben, noch einige Monate, noch ein Jahr …

***

Der Deutsche Wetterdienst meldet währenddessen den Blühbeginn der Hasel in Norddeutschland. Wird sind damit, ob es heute noch einmal schneit oder nicht, im Vorfrühling angekommen. Früher als gewöhnlich, aber wer würde sich noch wundern. Die Nordsee ist warm wie nie und LA brennt ab, das ging auch durch die Nachrichten. Man liest es so nebenbei oder schon nicht mehr, wie die anderen Meldungen aus dieser Rubrik.

***

Mehr Positives müsste man finden. Wir merken es alle, wir reden ja auch alle immer öfter davon, online und offline. „Was ist eigentlich gut?“ Vor ein paar Tagen erst habe ich genau diese Frage wörtlich in einem eher beiläufigen Gespräch gehört. Und man wird dann auch noch fündig.

Ich habe es einfach. Ich muss für das Gute nur einschlafen, denn ich träume sensationell. Richtig gut träume ich. Wobei ich sonst nicht zum Selbstlob neige, aber träumen kann ich, so viel steht fest. Auf äußerst angenehme Art unterhaltsam träume ich. Manchmal auch im genau richtigen Ausmaß anspruchsvoll. In jedem Fall aber wahnsinnig interessant und auch mitreißend, um das von mir so sehr gehasste Wort spannend zu vermeiden. Mitunter auch auf eine faszinierende Art seltsam, abgedreht und abstrakt. Und selbstverständlich auch nicht ohne explicit content. Für den ich nicht einmal nachweisen muss, dass ich wirklich mindestens achtzehn Jahre alt bin, für den ich auch nicht erst Warnungen wegklicken muss, es ist komfortabel eingerichtet.

Vor allem aber, wenn man die Lage der Wirklichkeit bedenkt, träume ich insgesamt verblüffend erbaulich. Ja, das ist im Ernst das treffende Wort. Ich komme gestärkt aus meinen Träumen heraus, ich stehe frühmorgens auf wie seelisch frisch betankt. Und das fast vollkommen verlässlich. Wie bestellt also, wie per Abo und gerne wieder.

Am Ende wird es so etwas wie eine seelische Inversions-Wetterlage sein. Ich nehme doch an, die andere Variante wird üblicher sein. Dass also die Nächte noch schlechter sind als die Tage, dass man unter Albträumen leidet und sich nachts an seinen quälenden Ängsten, Sorgen etc. abarbeitet. Dass man von den zahllosen Problemen der wach verbrachten Stunden bis weit in den unruhigen Schlaf hinein belästigt und verfolgt wird.

Ich dagegen habe die heile Welt bei Nacht. Freizeitpark nichts dagegen.

Die Nacht ist da, das was gescheh‘“, so sang Gustav Gründgens einst. Über den ich lieber nicht lange nachdenken will, sonst bringen mich die Assoziationen zu seinem Lebenslauf erneut in Gefahr, da muss ich im Geiste schnell eine Kurve nehmen.

Sonst lande ich am Ende doch bei den aktuellen Themen und also auch bei dem Elend mit den Rechten. Sonst müsste ich noch einmal eine Stunde schlafen, um die Belastungen des Wachzustandes erneut auszugleichen.

Plötzlich wieder so müde. Dermaßen müde.

Ein Aufkleber "Nie wieder Faschismus" auf der Rückseite eines Verkehrsschildes

***

Sie können hier Geld in die virtuelle Version des Hutes werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch. Die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

Mittwochsmeldung

Eine Blog-Nachricht aus Österreich und eine aus Los Angeles.

***

Am Mittwochmorgen habe ich so ausgeprägt wie selten ein ausgesprochen unangenehmes Gefühl, für das es dieses berühmte Comicbild aus Tim & Struppi gibt, welches in den sozialen Medien wieder und wieder ritualisiert geteilt wird. Es kann und kann an diesem Tag nicht erst die Wochenmitte sein. Unmöglich ist das, es ist auszuschließen und sollte keineswegs Bestandteil meiner Wirklichkeit sein. Es müsste mindestens Donnerstag sein, eher aber Freitag, und morgen also frei, endlich frei.

Wie es auch schon auf das Monatsende zugeht, und sicher nicht erst der 8. Tag sein kann.

Der Januar war doch bereits vollkommen ausreichend mit allem befüllt, wir werden uns darauf doch sicher einigen können. Übervoll ist er längst, let’s call it a month. Immer wieder das Drosten-Zitat im Sinn und auch auf den Lippen, am liebsten aber auch als Autoresponder in Outlook, als probate Antwort auf alles: „Ja, ist gut jetzt.

Wenn man das so weiter rechnet – wir werden am Jahresende vermutlich etwa ein Jahrzehnt mit dem Jahr 2025 zugebracht haben. Und das ist in einer ohnehin stark alternden Bevölkerung womöglich etwas ungünstig.

***

Ansonsten ein Tag in Hammerbrook, das Office-Office. Zu Fuß gehe ich am frühen Morgen dort hin, durch die Dunkelheit, durch die Kälte, durch den Sturm auch, schon wieder durch den Sturm. Ein wilder Südwest weht um mich herum, in Spitzen bis 9 Bft und meine Winterjacke flattert wie das Cape von Batman im Wind. Die Frisur aber sitzt, der Noise-Cancelling-Kopfhörer hält mir Haare und Hirn zusammen.

Der Mittelkanal in Hammerbrook an einem dunklen Januarmorgen, Licht aus den Fenstern der Bürogebäude an den Ufern

Ich höre unterwegs weiter Münklers „Welt in Aufruhr“, während eine ruppige Böe gerade ein größeres Bauzaunteil quer über eine Kreuzung vor mir verschiebt. Das passt wieder schön zusammen, es wirkt wie für mich inszeniert, und ich nicke der Realität also anerkennend zu. Auch würdigen, was geboten wird.

Im Coffee-Shop hole ich mir vor der Arbeit noch das richtig gute Zeug to-go. Ich werde dort mit einem freundlichen „Da bist du ja wieder“ begrüßt, und es klingt fast ein wenig so, als hätte auch ein „endlich“ in diesen Satz gepasst. Mit einiger Sicherheit ist dies im Offline-Teil der Welt der netteste Satz der Woche bisher, ach was, des Jahres sogar. Stets sollte man sorgsam auch auf so etwas achten, damit die Stimmung ebenfalls weiterhin sitzt.

Der Rest des Tages aber … fragen Sie nicht, nein, fragen Sie nicht.  Fragen wir uns lieber, was die Maus am Donnerstag macht, das ist zielführender und verweist immerhin auf neue Möglichkeiten.

***

Sie können hier Geld in die virtuelle Version des Hutes werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch. Die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

 

Dieses eine Spielzeug

Ich betreibe Konzentrationssport, es ist ungemein anstrengend. Und zwar höre ich ein Sachbuch als Hörbuch. Ein Sachbuch, bei dem der Inhalt eher nicht fluffig aufbereitet ist, also nicht bewusst unterkomplex angelegt ist, wie es heute modern ist. Wobei dann schon unangenehm auffällt, wie schnell und wie oft ich geistig abdrifte, auch weit abdrifte. Oder dass ich einem etwas längeren, komplizierteren Satz nur mit Wiederholungen zu folgen vermag. Es ist womöglich also an der Zeit, Konzentrationssport zu betreiben.

Jedenfalls: Welt in Aufruhr von Herfried Münkler, gelesen von Wolfgang Wagner. Ungekürzte 15 Stunden, das reicht diesmal für ein paar Spaziergänge mehr. Ob es einen an irgendeiner Stelle vom allgemeinen Fatalismus abbringen kann, das muss sich erst noch erweisen, nach den ersten beiden Stunden sind Zweifel daran angebracht. Es wird also für die seelische Verfassung am Ende gar nicht besser sein als das Doom-Scrolling, obwohl doch so viele gerade zum Lesen von Büchern raten, um dem entschlossen zu begegnen.

Ich habe den Verdacht, ich doomscrolle hinterher nur qualifizierter.

Aber die Lage ist nun einmal, wie sie ist. Und wenn das Nachrichtengemisch sich auf dem Niveau der letzten Tage weiterentwickelt, woran ich leider kaum Zweifel haben kann, dann werden wir schon bald zeitlich nicht mehr hinterherkommen. Selbst dann nicht, wenn wir uns auf wenige Quellen beschränken. Es wird zu viel sein, an zu vielen Fronten und zu viel zu vielen Themen. Und auch damit wird man dann irgendwie umgehen müssen, auch dazu muss man erst noch eine Einstellung suchen und finden, auch Werkzeuge, Methoden etc.

Als ob man nicht schon genug zu tun hätte.

***

Es starb Peter Yarrrow, das war der von Peter, Paul and Mary. Wir winken also ein letztes Mal dem Vater von Puff, dem Magic Dragon. Ein wundertrauriges Lied. In dem Video gleich sieht man ein komplett seliges, verzücktes Publikum, die Aufnahmen der Zuhörerinnen sind bei diesem Jubiläums-Auftritt fast interessanter als die der Gruppe. Das ist schön, das ist dermaßen nett und rührend, das gibt es ja heute kaum noch, möchte man beim Zusehen krückstockfuchtelnd murmeln und schon wieder äußerst nostalgisch werden. Als wenn es einen Sinn hätte, als wenn an der Nostalgie etwas Wahres wäre.

Bei diesem Lied allerdings kann die Nostalgie auch recht gezielt sein und vielleicht auch tatsächlich auf eine Wahrheit verweisen. Nämlich bezogen auf dieses eine Spielzeug, welches bei uns damals, also ganz damals, die Rolle von Puff hatte. Wir werden doch alle so etwas gehabt haben, hoffe ich. Es gehört wohl in jeder Kindheit so, dass irgendetwas derart mit einem lebt und mit einem Abenteuer besteht. Diese Abenteuer, von denen andere gar nichts ahnen.

Das entsprechende Stofftier bei mir gibt es sogar noch. Es liegt weitgehend unbeachtet und also auch unbehelligt in einem der Kinderzimmer der Söhne. Ab und zu zwinkern wir uns heimlich und in alter Verbundenheit kameradschaftlich zu, wenn ich beim Staubsaugen an dem Regal vorbeikomme. An diesem Regal, in dem es vermutlich durchgehend an jene Zeiten denkt, in denen es bei uns beiden noch etwas lustiger zuging.

In einer plattdeutschen Version des Liedes, gesungen etwa von Knut Kiesewetter, gab es das Land Honalee aus dem Original natürlich nicht, sondern einen norddeutschen Hinweis für den Freundeskreis Insel:

„Drees, de Wunnerdraken leevte anne Strand
Keem de Harvst mit Stormgebruus flog hej na Helgoland.“

Und dort treibt er sich auch heute noch herum, möchte ich annehmen. Vielleicht sollte ich beim nächsten Besuch der Insel etwas mehr darauf achten. Ja, vielleicht sollte ich mir wieder einmal etwas in dieser Art vornehmen. Etwas, das Sinn hat und schön ist.

***

Sie können hier Geld in die virtuelle Version des Hutes werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch. Die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

Heute nicht, mit Verzögerung und später

Etwas Geschichtsunterricht habe ich gehört. Natürlich zum Faschismus, damit es sich aktuell und spannend anfühlt, heute muss doch alles spannend sein. Zwei Folgen von „Alles Geschichte“ beim BR zum Ende von Mussolini gab es. Einmal über den italienischen Widerstand, einmal über die Republik von Salò. Letztere wäre mir nicht einmal ein Begriff gewesen, manchmal entdeckt man auch überraschende Bildungslücken. Die kam damals im Geschichtsunterricht wohl nicht vor, diese Republik, und sie ist mir auch danach nicht begegnet. Nanu.

***

Ein neues Wort für den Smalltalk habe ich gelesen: Climateflation. Damit kann man dann im Supermarkt vor dem Olivenölregal mit anderen Menschen ins Gespräch kommen und gemeinsam über die absurd anmutenden Preise lachen. Also wenn man unbedingt mit anderen Menschen im Supermarkt Gespräche führen möchte. Und wenn man außerdem noch lachen kann. Es fällt verschieden aus.

***

Die Nachrichtenlage, die unser Kanzler vielleicht als „irgendwie komisch“ bezeichnen würde, findet im Moment nur in meinem Computer und auf meinem Smartphone statt. Nichts aus den Schlagzeilen, kein einziges Element aus den aktuellen Debatten und Skandalgeschichten hörte ich in meinem Umfeld als Element des Smalltalks, nicht einmal eine witzig sein sollende Andeutung. Und kein Graffiti wurde hier in der Gegend in den letzten Tagen neu gesprüht. Kein frischer Aufkleber pappt an irgendeinem Laternenpfahl, keine Demos mit neu gemalten Schildern und frisch getexteten Sprüchen starten abends vor dem Hauptbahnhof. Gar nichts dergleichen. Ich kann einfach vom Schreibtisch aufstehen und rausgehen, und da ist dann nichts.

Also da ist schon etwas, versteht sich. Da sind diverse unübersehbare Probleme, besonders sozialer Natur, aber auch bezogen auf den Verkehr, auf die Infrastruktur etc. Man wird schon fündig und sieht die Zeichen der Zeit, wenn man etwas aufpasst und halbwegs informiert ist. Man sieht diese Zeichen auch, siehe oben, jederzeit auf den Preisschildern im Supermarkt.

Aber es sind die Spuren einer zeitlich ausgedehnteren, breiteren Gegenwart, das sind alles Themen, die uns schon länger begleiten. Man kann man sich noch, während man durch die Straßen geht und die Szenerie aufmerksam liest, eine gewisse Langsamkeit der Entwicklung einbilden. Einen ruhigen Fluss der Ereignisse, eine gewisse Stetigkeit und Regelmäßigkeit des Ablaufs und auch eine halbwegs überschaubare Gemächlichkeit in der Eskalation.

Guckt man dagegen auf Bildschirme, liest man online die wirren Weltnachrichten nach, die roten Eilmeldungen und den ganzen Rest, geht es da um eilige, dringende Entwicklungen und um Einstürze. Man sieht die Geschichte Haken schlagen und die Welt geradezu zusammenkrachen, besonders wenn einem das Herz eher links schlägt.

Oder es kann sich zumindest nach einem Zusammenkrachen anfühlen. Man meint irgendwann, das Bersten zu hören.

Wie auch immer. Ich habe es gut, ich kann jederzeit in den Hauptbahnhof gehen und mich dort zu den anderen Menschen vor die große Anzeigetafel stellen, auf der die Abfahrtszeiten stehen. Ich kann die Zeiten der Züge der nächsten Stunden studieren, wie es da alle um mich herum auch machen. Und genau wie die vielen Reisenden neben mir kann ich all die Verspätungen nachlesen, auch wenn ich gar nicht mit einem Zug fahren möchte, gar kein Reisender bin. Einfach nur so, zur Beruhigung kann ich das machen.

„Verzögerung“, lese ich dann da oben etwa, „heute nicht“, lese ich danach. „Fällt aus“ steht natürlich auch dort und immer wieder das ganz schlichte, das allen Druck und alles Drängeln aus unseren Zeitplänen nehmende „später.“

Probier’s mal mit Gemütlichkeit kann ich dabei leise pfeifen oder summen und wieder nach Hause gehen, wo es warm und trocken ist, mit Ruhe und Gemütlichkeit. Überhaupt soll es entspannend sein und uns zur Ausschüttung von Glückshormone verhelfen, ab und zu etwas zu summen.

Es erdet mich immerhin ein wenig. Es kann beruhigend wirken, diese Zugmeldungen nachzulesen. Und man soll die Verdienste der Bahn auch nicht unerwähnt lassen, denke ich. Die hat es gerade schwer genug und wird viel zu oft heruntergemacht.

***

Ein Porträt einer Katze

***

Sie können hier Geld in die virtuelle Version des Hutes werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch. Die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

Hinnehmen und Bewirken

Falls Sie mindestens kreisstadtmäßig urban wohnen und demnächst 49 Minuten Zeit bei Tageslicht haben, was zugegebenermaßen im Januar etwas anspruchsvoll klingt, habe ich einen unterhaltsamen Vorschlag für Sie. Hören Sie sich den folgenden Podcast vom Deutschlandfunk zum „Überschreiben der Städte“ und zur Grenze zwischen Kunst und Widerstand an. Es geht um Graffiti, hören Sie das, während Sie selbst spazierengehend auf die Graffitis der eigenen Stadt gucken. Ich habe das tatsächlich so getestet, und es hat mir Spaß gemacht. In der Sendung werden an mehreren Stellen auch Graffitis vorgelesen und beschrieben. Man sieht dann unwillkürlich zumindest für einen Moment wieder etwas genauer auf die Tags in der eigenen Gegend.

Laut gelacht habe ich beim Hören, als einer der interviewten Sprayer mit dem gebotenen Ernst des Meisters sagte, dass man es aber von der Pike auf lernen müsse, dieses Verzieren der Häuserwände. Ich möchte wetten, dass er es mit erhobenem Zeigefinger gesagt hat, es klang so. Gleich habe ich die Ärzte dabei im Ohr gehabt: „Geh doch zu Onkel Werner in die Werkstatt.

Es wird außerdem der Song „Rappers Delight“ von der Sugarhill Gang kurz angespielt, bei dem ich eben auf die Talkshow-Version von Sandra Bullock verweisen möchte, falls Sie die nicht kennen:

Es lohnt aber auch unbedingt, sich das Original des Songs noch einmal anzusehen und nebenbei festzustellen – das Ding ist bereits unfassbare 45 Jahre alt. Meine Güte. Dann ist man selbst also auch mindestens … ab und zu trifft es einen doch.

Aber apropos. Gerade las ich bei Heinz Bude, in seinem „Abschied von den Boomern“, dass uns, ich zitiere sinngemäß, um den sechzigsten Geburtstag herum – das trifft auf mich allmählich zu – klar wird, „was man hinnehmen muss und was man noch bewirken kann.“ Und obwohl es Heinz Bude beim Schreiben des Buches nicht wissen konnte, ist auch das ein trefflich passender Satz, bzw. ist es eine passende Frage gerade für die Besinnungsarbeit am Anfang des Jahres 2025.

Schöne Grüße auch an die Leserinnen in Österreich, aber das nur am Rande und ohne jede Überheblichkeit. Wir werden hier früh genug dran sein.

Ein Aufklkeber an einem Ampelmast: Merz muss weg.

Wo war ich. Ach ja, der Song. Noch mit Krawatte dargebracht, das glaubt einem auch keiner, wenn man es nicht gesehen hat. Ruhig etwas lauter machen, ne.

Und bei arte kann man, wenn man sowieso schon bei diesen Themen gelandet ist, passend gerade etwas zu den Wurzeln der Hiphop-Kultur und auch noch etwas weiter zurück, bis zu Funk und Soul und wiederum deren Anfängen etwas lernen.

Nämlich in dieser vierteiligen Doku über James Brown, die mir als Wochenendunterhaltung diente: Say it out loud. Wieder einiges gelernt dabei. Musikgeschichte find ich meist halbwegs entspannend, obwohl nicht gerade wenig Politik in den Folgen vorkommt.

Danach noch etwas James Brown gehört, mit deutlich mehr Kenntnis, das war also ein Gewinn.

***

Sie können hier Geld in die virtuelle Version des Hutes werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch. Die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

Vom Zusammensuchen des Werkzeugs

Die gerade erst im Blog erwähnte Goethe-Biografie von Thomas Steinfeld kam prompt als Geschenk. Ich bin einigermaßen verblüfft und natürlich begeistert. Daher weiß ich jetzt auch, dass sich die 800 Seiten gewichts- und umfangsmäßig nach einem wahrhaft großen Vorhaben anfühlen. Man wird nach dem abendlichen Lesen in den Armen fühlen, was man im Bett gehalten hat, aber ich freue mich auf die Lektüre.

***

In der Zeit (Paywall) schreibt Ulrich Machold einen Essay über ein Thema, mit dem ich seit Jahren allen Leuten um mich herum offline und online auf die Nerven gehe. Ich zitiere den Untertitel, weil er erklärender ist: „Wenn es keine Idee von einem Morgen gibt, verliert die Gesellschaft den Glauben ans Heute.

Dieser Essay endet, und es ist nicht als Kritik an Ulrich Machold gemeint, allerdings etwas schwach. Ich sehe aber auch nicht, wie er besser enden könnte. Denn ich denke nach wie vor, es liegt daran, dass wir als Gesellschaft an dieser Stelle gerade schwach enden.

Das mit dem schwachen Ende gilt ebenfalls für einen Text zum Jahreswechsel von Robert Misik in der taz. Er schreibt da auch über den Negativismus, über unsere allzu schlechte kollektive Gefühlslage: „Immerhin, wir leben noch“ – und es gibt einen ausgesprochen unbefriedigenden Ausklang in den letzten Absätzen.

Das möchte man alles so nicht stehen lassen. Ich jedenfalls nicht, denn ich bin, wie mehrfach betont, trotzgeleitet und renitent. Ich möchte es anders haben, als es ist. Um die Gefühlslage also wenigstens für heute zu retten, reiche ich eben noch eine eher aufbauende Überschrift aus den USA nach. Dort ist man uns in der drastischen Abwärtsbewegung und also auch im intensiven Nachdenken darüber bekanntlich deutlich voraus. Ich sehe da gerade einen Titel, der uns vielleicht etwas anders stimmen kann. Der vor allem auch den gewiss großen Freundeskreis Fiktion und Realität sofort ansprechen dürfte: „Don’t like the way things are going? Wait for the inevitable plot twist.

Das in diesem Artikel von Dan Gardner ganz am Ende zitierte „Keep buggering on“ von Churchill legen wir uns in Gedanken vielleicht einmal neben das neulich zitierte und von Judy Garand gesungene „We’ll have to muddle through somehow.“

Denn so füllt sich der Werkzeugkasten für den Umgang mit der Wirklichkeit in diesem Jahr. Man muss es sich alles etwas mühsam zusammensuchen.

***

Und sonst: Wir haben Weihnachten in den Keller gebracht, es war mir ein Fest.

In der Innenstadt sah ich beim Spaziergang überall neue Plakate und Schriftzüge in den Schaufenstern. „End of season sale“, wie jetzt in routinierter Weltläufigkeit das heißt, was wir früher noch provinziell und sprachlich ungelenk Winterschlussverkauf genannt haben. Das konnte auch keinen Spaß machen, mit dieser knarrenden Bezeichnung, man versteht das im Rückblick.

Leere Kleiderbügel in einem Schaufenster, jeder trägt einen lilafarbenen "Sale"-Plastik-Clip am Haken

***

Sie können hier Geld in die virtuelle Version des Hutes werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch. Die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

Im Schmuddelweiß der Stadtmitte

Noch einmal ein Dank, diesmal für die freundliche Zusendung des „Nachtstimmers“ von Maarten `t Hart, Deutsch von Gregor Seferens. Hier eine Rezension dieses Romans beim Deutschlandfunk. Es klingt wieder vielversprechend, außerdem geht es um Orgeln, das ist schon einmal ein feiner Ansatz und wird auch in diesem Jahr passen. Demnächst ins erste Konzert 2025 gehen.

Der Stapel der Bücher neben dem Bett wächst gerade beträchtlich, er wird bald schon für die langen Sommerabende reichen, und es ist gut so. Herzlichen Dank!

***

Nach längerer Pause, weil ich doch wieder von allem abgekommen war, habe ich endlich das empfehlenswerte Buch von Anatol Regnier durchgelesen: „Jeder schreibt für sich allein – Schriftsteller im Nationalsozialismus“ (Es kommen auch Schriftstellerinnen darin vor). Dieses Buch hatte ich vor einiger Zeit aufgrund einer nur kurzen Erwähnung bei Anke Gröner entdeckt.

Die Bezüge zur Gegenwart springen einen bei der Lektüre permanent an, wenn man heute über Kultur unter Diktaturen liest. Es gibt manchmal ein deutlich unangenehmes Timing, wenn man etwa einen Absatz bei Regnier liest, dann kurz rüber in die Nachrichten sieht und es nicht fassen kann, wie direkt diese Bezüge sein können, wie parallel die Themen. History repeating, und zwar in der denkbar schlechtesten Ausprägung. Man muss sich wieder zur Gefahr von rechts verhalten und damit irgendwie leben, wie lästig und unnötig ist das denn.

Gerade sehe ich eine passende Radiosendung über die Lage in Österreich: Die Literaturszene der Alpenrepublik nach dem Rechtsruck. Eine seltsame Sendung allerdings, ich höre reihenweise Aussagen, denen ich widersprechen möchte. Aber was weiß ich schon von Österreich.

Im Buch von Regnier werden jedenfalls viele Zwischentöne zugelassen. Es kommt ohne moralischen Rigorismus aus und urteilt eher zurückhaltend, das gefiel mir. In der öffentlichen Debatte der Gegenwart neigt man stark zu drastischen Schwarzweißunterscheidungen, ich teile das eher nicht. Der Mensch ist ein Durcheinander, in seinen Gedanken, in seinen Ansichten, auch in seinen Taten. Das war, fällt mir ein, auch in Kempowskis Roman „Alles umsonst“ gut dargestellt, diese Uneindeutigkeit der handelnden Personen. Die Unmöglichkeit, sie in jedem Fall klar erkennbar und auf einen Blick nach gut und schlecht zu gruppieren. Es geht dabei nicht simpel zu wie bei den Tauben im Märchen, wenn sie flugs die Erbsen sortieren.

Um ein aktuelles Beispiel zu nennen, als jener unsympathische Milliardär, der deutlich reicher ist, als es Dagobert je war, gerade diesen sogenannten „Gastartikel“ in der ebenfalls unsympathischen Zeitung hatte, las ich in den Timelines viele Forderungen, dass dort sofort alle kündigen müssten. Also vehemente Forderungen nach moralischer Eindeutigkeit und prozeduraler Logik, wenn so, dann so, und zwar sofort. Außerdem wurde die eine Person, die dann tatsächlich gekündigt hat, gleich als Widerstandskämpferin und moralische Heldin gefeiert.

Ich denke, beides wird der Wirklichkeit vermutlich nicht gerecht. Das neulich hier erwähnte „muddling through“ ist viel näher an dem, was mit hoher Wahrscheinlichkeit bei der Mehrzahl der Betroffenen stattfinden wird, ob es uns passt oder nicht.

Und nur manchmal wird alles recht klar sein oder uns zumindest so vorkommen. Wie hier bei der nun ehemaligen Karikaturistin der Washington Post.

***

Ansonsten die ersten beiden Bürotage geschafft. Etwas Schneeregen erlebt, etwas Graupel, etwas puren Schnee und das erste Stadtmitte-Schmuddelweiß des Winters. In den Vororten und in anderen Gegenden des Landes sieht es deutlich schöner aus als bei uns, sehe ich online. Man nimmt, was man kriegen kann.

Die ersten vereisten Wege gab es auch bereits und ich sah sogar schon, wie Sanitäter in der Innenstadt Gestürzte aufsammelten und im Krankenwagen wegfuhren. That escalated quickly.

„Freu dich nicht zu früh auf den Sommer,
Weihnachten ist grade erst vorbei
Im Treppenhaus riecht es noch nach Glühwein
Und im Fernsehen läuft der weiße Hai.“

Sven Regener hat es geschrieben, und es passt gerade gut. Aber es gibt mittlerweile viele Situationen, zu denen es passende Zeilen von Element of Crime gibt. Man könnte auch „Mit Element of Crime durchs Jahr“ und ähnliches herausbringen, Zitate auf Kalenderblättern, auf Postkartensets usw.

***

Sie können hier Geld in die virtuelle Version des Hutes werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

Würdevoll antriebslos

Gestern also mein erster Arbeitstag, während die Herzdame noch Urlaub hatte und die Söhne selbstverständlich noch Ferien. Da waren sie wieder, meine drei Probleme.

Starkes Fremdeln mit der Arbeit und mit diesem Timing. Beim Befinden des misslungenen Timings waren sich wenigstens alle einig, die sich da im Berufskontext trafen, die beiden Werktage in dieser Woche sind vollkommen verkehrt. Die hätte man noch frei haben müssen, die fühlen sich einfach nicht richtig an. Man hat da einen Planungsfehler gemacht, einen schweren. Immerhin war es ruhig, gab es erst einmal keine Meetings, keine Calls. Alle Welt ist in dieser Woche noch im Urlaub, verzögert den Jahresbeginn oder hat schlicht überhaupt keine Lust, mit anderen Menschen zu reden. Es ist mir alles recht.

Die Kolleginnen aus Bayern haben am Montag noch einen weiteren seltsamen Feiertag, sehe ich nebenbei. Bei uns eher leistungsorientierten Norddeutschen dauert es dagegen über hundert Tage bis zum nächsten. Es bietet keinen Trost, sich den Wandkalender und die rot markierten Tage zu besehen.

***

Bei einer Radiosendung aus der Reihe „Das Wissen“ habe ich immerhin etwas Passendes auf dem Weg nach Hammerbrook gelernt, nämlich dass das Wort Gelassenheit auf Meister Eckhart zurückgeht. Er hat das für uns durchdefiniert und sprachlich zusammengebastelt. Was man aus heutiger Sicht als lässige Leistung würdigen kann.

Der für die Söhne so überaus wichtige Zustand der gechillten seelischen Verfassung hat seine Wurzeln danach tief im 13. Jahrhundert, könnte ich jetzt kulturgeschichtlich ableiten. Und wenn man es so sieht, kommt es einem gleich etwas würdevoller und ehrenhafter vor, wie die beiden da antriebslos herumhängen, während andere Menschen arbeiten.

Doch, doch.

***

Außerdem gehört: Eine Sendung beim Deutschlandfunk über die neue Goethe-Biografie von Thomas Steinfeld. Das Buch mit stolzen 800 Seiten bezeichnet er da als „die schlankeste Version“ seines Vorhabens, und ich glaube, ich werde es lesen wollen.

Wie es mir für mein Seelenheil ohnehin sinnvoll vorkommt, aber das wird individuell verschieden ausfallen, mich noch stärker als bisher schon mit dem zu beschäftigen, was wir als Kultur-, Werte- und Bildungskanon etc. demnächst zu verteidigen haben werden.

In diesem Sinne habe ich mit großer Zufriedenheit gestern auch die Edith Wharton durchgelesen, „Winter“, das wieder zeigte, wie wenig Buchumfang man für tiefe Tragik braucht. Eine sehr einfache, sehr schlimme Geschichte. Und ihr einziges Buch, wenn ich es richtig mitbekommen habe, das auf dem Land spielt. Alles andere von ihr war urban geprägt, war New Yorker Stadtliteratur, und wird demnächst wohl verwunschzettelt. Es ist immer wieder schön, finde ich jedenfalls, dass man mit der Weltliteratur niemals fertig werden kann, dass aus Vergangenheit und Gegenwart noch unendlich viel für uns bereitsteht.

Man darf sich ausdrücklich überreich versorgt fühlen. Wenigstens in dieser Beziehung darf man das, und das ist nicht nichts.

***

Ein Graffiti auf einer Bodenplatte: "Mehr Liebe"

***

Sie können hier Geld in die virtuelle Version des Hutes werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch. Die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

Vor Eintritt des Übermuts

Vorweg noch einmal ein herzlicher Dank, es kam weitere Geschenkpost, ein besonders schöner Weihnachtsnachklapp. Ein Brief, in beneidenswert kultivierter Handschrift verfasst. Dazu ein Buch, das vielversprechend aussieht: „Gentleman über Bord“, von Herbert Clyde Lewis. Deutsch von Klaus Bonn, Nachwort von Jochen Schimmang, aus dem mare-Verlag. Ich denke, das will bald gelesen werden.

***

Alexander Svensson schreibt über die Typografie-Experimente bei der Deutschen Bahn.

***

Und Nicola hat wieder eine Monatsnotiz geschrieben, reich gefüllt. Man braucht etwas Zeit, und es ist sehr gut so.

***

Den Neujahrstag verbrachte ich ohne Neujahrsspaziergang, das war gleich ein Traditionsbruch, eine spontane Abweichung. Den ersten Monat habe ich auf diese Art also gleich wild und gefährlich beginnen lassen. Ich hatte einfach keine Lust, schon wieder nass zu werden, den was weiß ich wievielten Tag in Folge. Es regnete noch einmal durchgehend in dieser Stadt. es wurden sattsam bekannte touristische Klischees intensiv bedient.

Nur durch den Hauptbahnhof ging ich mehrmals, weil der Mensch doch Bewegung braucht, und dieser hier sogar besonders. Durch die überdachten Bereiche ging ich, durch die Tunnel und Hallen. Und ich nahm dort eine schier unendliche Parade übernächtigter Gestalten ab. Blass waren sie, verbraucht und verkatert, müde und zerknautscht. Mit kleinem Gepäck zogen sie zu den Bahnsteigen, Weekender-Leistungsschau, und sie verteilten sich von dort aus wohl sämtlich zurück in die diversen Vororte und auch in den Rest der Republik.

Alle begeben sich in diesen Tagen wieder auf ihre Plätze, um sich von dort aus bereit für den Start in das Jahr zu machen. Gähnend, frierend und aus einem beachtlichen Formtief heraus. Aber, man kennt es auch aus dem Sport, das beweist noch rein gar nichts für die nächste Saison.

Anatol Stefanowitsch schrieb auf Mastodon: „Lasst uns alle gemeinsam dafür sorgen, dass das neue Jahr nicht ganz so schlimm wird, wie wir wissen, dass es wird.“

Diesen Satz mochte ich.

Beim WDR hörte ich eine Sendung aus der Reihe Innenwelt. Sie hat leider einen eher blöden Titel, der nach Kalender- und Binsenweisheiten etc. klingt: „Optimistisch bleiben trotz schlechter Nachrichten“, der umreißt aber inhaltlich nur einen kleinen Teil der Folge. Der interviewte Prof. Jürgen Margraf von der Uni Bochum spricht gut, sehr kenntnisreich und mit besonders angenehmer Stimme, er fasst die Erkenntnislage zu Ängsten, zur sozialen Wirkung unserer Ängste und zu unserem Umgang damit einladend bündig zusammen.

Es ist sicher nicht unpassend, sich das gerade am Beginn dieses Jahres anzuhören. Aus naheliegenden Gründen, wie von Herrn Stefanowitsch oben passend zusammengefasst. Aus Gründen also, die sich leicht nachvollziehbar zu der kollektiv schlechten Stimmung, zu der Schwermutspirale verdichten, die wir vermutlich mittlerweile alle wahrnehmen.

Wozu im Podcast dann beiläufig die Theorie der three degrees of influence erwähnt wird, und das kann man sich auch einmal genauer durchlesen und kurz über die eigene Rolle im Netzwerk nachdenken. Ich denke vielleicht auch noch länger darüber nach.

Das sind jedenfalls 47 Minuten, die ich gut investiert fand, ich habe da gerne zugehört.

***

Am Nachmittag bin ich kurz in Hammerbrook gewesen und dort, ausgerechnet dort, kam dann einmal die Sonne durch, war der Himmel einen Moment blau, war alles für fünfzehn Minuten andersartig beleuchtet, konnte man sich das Phänomen Sonnenschein noch einmal zeigen lassen.

Dann allerdings wieder Regen, noch vor Eintritt des Übermuts.

Ein Kanal in Hammerbrook, Bürbauten und moderne Hausboote, darüber strahlend blauer Himmel

***

Sie können hier Geld in die virtuelle Version des Hutes werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

Leise loslegen, Winter nachlegen

Wie schon im letzten Jahr, es ist doch längst ein Blog der Brauchtumspflege, fängt es hier leise an. In aller Dezenz. Also noch einmal nur Benny am Klavier, ohne jede Begleitung. Ich stelle mir dabei eine ansonsten leere Bühne vor, vielleicht sogar in einem leeren Theater. Er spielt ein bekanntes Stück, das einmal ein großer Erfolg der Band war. Einen Nachklang spielt er, und das passt gut zum ersten Tag, an dem das alte Jahr noch etwas überlappt.

An dem man sich bei der Jahreszahl gerne noch verschreibt, an dem man vom Neuen Jahr noch nichts zu berichten weiß.

Ich habe auch eine Musik-Variante für den Freundeskreis klassische Musik, nämlich die textlich naheliegende Bach-Kantate „Das alte Jahr vergangen ist.“ Der Rest des Textes ist von durch und durch christlicher Prägung, dazu finde ich keinen Bezug, aber der Titelzeile können wir uns alle anschließen. Es ist vergangen, so viel steht zweifelsfrei fest. Eine Frage, bei der das Land nicht gespalten ist, wie es sonst bei so vielen Themen unnötig oft betont wird.

Es spielen Vikingur Ólafsson und Halla Oddný Magnúsdóttir. Man muss doch mehrmals hinsehen, während man ihre Namen abtippt.


***

Gestern noch, manchmal halte sogar ich mich an Vorsätze, habe ich winterliches Essen mit Rotkohl gemacht, nämlich Zimthähnchen in Glühweinsauce. Das Rezept ist pappeinfach, es macht sich fast nebenbei, wirkt aber verlässlich festmäßig. Bei uns ist es mittlerweile ein Klassiker, das kann ich empfehlen.

***

Und auch in der Lektüre wurde es dann noch jahreszeitlich passend. Ich lese „Winter“ von Edith Wharton, Deutsch von Michaela Missen. Das Buch wurde verfilmt, mit Liam Neeson in der männlichen Hauptrolle des Ethan Frome, der im Original des Buches auch titelgebend war. Den Film kenne ich nicht, aber das Gesicht von Neeson sehe ich beim Lesen nun vor mir, und schlecht ist das nicht.

Eindrückliche Winterschilderungen aus Massachusetts gibt es in der tragischen Dreiecks-Geschichte. Ich merke, während ich im Hamburger Grau-, Nass- und Nebelwinter lese, wie weit weg diese Schilderungen von Schnee und Eis und klarem Winterwetter von hier aus schon sind. Die entsprechenden Landschaftsbilder und saisonalen Empfindungen habe ich nicht mehr spontan wie früher parat. Ich muss sie mir bei der Lektüre erst wieder zusammensetzen, mich bewusst erinnern. Wie war das damals, durch den Schnee zu gehen, Schnee in der Hand zu haben, Mondlicht auf Schnee zu sehen, gnadenlos durchgefroren nach Hause zu kommen. Aus dem Fenster lange in fallenden Schnee zu starren, all das. Es ist eine Weile her.

Na, egal. Für die nächsten Tagen sehe ich gerade ein, zwei Schneeflöckchen im Wetterbericht. Wer weiß.

***

Am Neujahrsmorgen kommt unser Viertel erst gegen fünf Uhr zur Ruhe, bis dahin wird ausgiebig Krieg gespielt, viel mehr als im letzten Jahr. Dann rüttelt nach nur einer halben Stunde der Nachtruhe schnell aufkommender Sturm energisch an allem, was im Stadtteil lose ist. Draußen grollt etwas dumpf über dem Dach, während ich dies schreibe. Zwei abgetakelte Tannenbäume rollen windgetrieben die Straße entlang, Jahresanfangs-Tumbleweed.

Dann klappert etwas an einem Gerüst gegenüber, wird etwas durchgerüttelt, zerklirrt Glas auf der Straße,  bricht irgendetwas Großes in einer heftigen Böe aus Südwest krachend weg.

Vielleicht so etwas wie ein riesiges Werbeplakat, vielleicht aber auch die letzten Reste vom alten Jahr. Und das ist dann auch gut so.

Auf einem Pfosten an den Landungsbrücken ein Graffiti-Herz, in dem "Liebt mehr" steht

***

Sie können hier Geld in die virtuelle Version des Hutes werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.