Kein heller Schein

Meine Versuche, an der Lage vorbeizudenken, sie gelingen durch die Bank nicht mehr. Es findet hier zwar selbstverständlich ein Alltag statt, wie er in nahezu jeder Lage stattfinden würde, in der man noch Arbeit, Haushalt, Familie etc. hat. Aber die Gedanken, sie kreisen nahezu unaufhörlich um das große, um das ganz große Problem der Zeit, um die Lage.

Ab und zu denke ich dann doch kurz an etwas anderes. An diese Themen, Sie erinnern sich vielleicht auch, mit denen man sich in gewöhnlicheren Zeiten so viel befasst hat. Und dann fällt es mir ein: „Gott verdammt, da gibt es ja noch weitere Probleme.“ Und das ist dann auch kein entspannender Aspekt, das hilft mir nicht weiter.

Unterm Strich, ich kann einfach zu keinem anderen Schluss kommen, bin ich mit der Wirklichkeit in einem Ausmaß nicht mehr einverstanden, welches ich mir früher so gar nicht habe vorstellen können. Die Entwicklung hin zu diesem Zustand begann 2015, eine nun zehnjährige, znnunehmende Entfremdung von der Gegenwart. Da sind wir zwischendurch aber längst über sieben Brücken gegangen, liebe Gemeinde. Da haben wir längst sieben dunkle Jahre überstanden, und nichts ist passiert, kein heller Schein weit und breit. Auf Song-Texte ist auch kein Verlass mehr.

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Ich sehe Musik-Dokus, das geht immerhin. Bei denen könnte man zwar auch jederzeit über die geschichtlichen Aspekte und die Verbindungslinien zur Gegenwart nachdenken, aber man kann es mit etwas Glück auch lassen. Für eine Stunde oder etwas mehr. Bei arte gerade im Angebot etwa The Mamas and the Papas und Frank Sinatra.

Ein weiterer Eskapismus-Link führt heute zu einer ausgezeichneten Radio-Doku über Connie Converse. Eine faszinierende Stunde von Monika Kursawe über die Frau, die den Folk erfand und verschwand. Connie Converse ist wichtig, wenn man sich auch nur ansatzweise für Folk oder für die verwandte Singer-Songwriter-Schiblade interessiert.

Man kann die Sendung aus feministischer Perspektive hören, man kann es auch geschichtlich und politisch interessant finden. Und man kann sich wundern, wieso sie Lieder schreiben konnte, die tatsächlich so klingen, als hätte man sie immer schon gekannt. Was jemand auch so in den Interviews sagt, und es stimmt.

Wenn man Romane, Geschichten, Drehbücher oder dergleichen schreibt, möchte man vielleicht auch etwas länger darüber nachdenken, dass sie New York damals erfolglos und ausgerechnet in dem Monat und in die Richtung verlassen hat, in dem und aus der Bob Dylan damals gerade ankam und zu seiner großen Karriere ansetzte. Nur ein kleiner Dreh und die beiden fuhren da aneinander vorbei … Was für eine Story.

32 Songs gibt es von Connie Converse, mehr nicht. Wenn Sie so etwas interessiert, zwei weitere Namen, die hervorragend dazu passen, sind Tia Blake und Molly Drake, die sich nur zufällig reimen. Beide mit winzigem Gesamtwerk, unbedingt hörenswert.

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Ich denke, ich setze die problematischen Links jetzt immer ans Ende, dann kann man sie besser ignorieren, wenn einem gerade nicht danach ist. Was mir vollkommen verständlich vorkommt.

Garrett Graff setzt seine Beobachtungen des fiktiven Auslandskorrespondenten, der die USA so analysiert, wie man sonst von dort auf ein Entwicklungsland blickte, fort, und es ist eine der besten und handlichsten Zusammenfassungen der Lage im Land: „White Nationalist Forces Consolidate Power Alongside Musk’s Junta.

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Zwei, drei Links

Ich hatte neulich mein Abo der New York Times erwähnt. Diese Zeitung wird meinen Erwartungen eher nicht gerecht, denke ich, das werde ich nicht verlängern. Etwas Geld warf ich nun aber gerne Wired zu, bei der sie sich gerade intensiv am Putsch in den USA abarbeiten, wie es alle Medien dort und anderswo tun sollten. Und deren Abo man auch billigst bekommt (5 Euro für das erste Jahr, keine bezahlte Werbung, nein).

Na, man hangelt sich so durch.

Wenn Sie zum eher schrecklichen und frustrierenden Thema „Journalismus in dieser Lage“ noch einen ausgefeilten Longread vertragen, lesen Sie Ian Dunt (hier Wikipedia über ihn), der in seinem Newsletter „Striking 13“ zwar aus deutlich britischer Perspektive, gleichwohl leicht übertragbar das Ganze gut nachvollziehbar aufdröselt: „Journalism is collapsing in the middle of the information war.“

Immerhin bemüht er sich zum Ende hin um positive Aspekte und Sätze: „But we have the power to turn the tide.“

Man möchte, dass er Recht hat.

Ein Edding-Schriftzug "Angry" an einer mit Graffiti verzierten Außenmauer eines Kindergartens

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Im ohnehin empfehlenswerten Podcast von Carolin Emcke, „In aller Ruhe“ bei der SZ, spricht sie, und es passt in diesen Kontext, in der aktuellen Folge „Wissenschaft in Zeiten der Gegenaufklärung“ mit Patrick Cramer, dem Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft. Die mediale Wirklichkeit spielt eine größere Rolle im Gespräch. „Vernünftiger Diskurs hoppelt immer hinterher“, heißt es dort, nicht ganz satzbaugerecht zitiert. So banal es klingt, so sehr ist es gerade ein elementares Problem unserer Gesellschaft.

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Und wer wieder einmal ein abweichendes Thema braucht, ohne den ganzen Politik-Klimbim, was leicht nachvollziehbar ist – beim Deutschlandfunk hörte ich eine Sendung über alles, nämlich über den Kosmos: Vom Urknall und dem Multiversum.

Es ist kompliziert. Aber es entspannt in diesem Fall etwas, denn es verbleibt dabei, dass wir zwar alles studiert haben, wie damals der Dr. Faust, aber nicht einmal viel wissen, und dass es vielleicht sogar okay ist, wenn wir nicht alles wissen.

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Das Hörbuch dieser Tage: „Der ewige Spießer“ von Ödön von Horváth, gelesen von Robert Meyer.

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Heute im Vorfrühlingsprogramm

Falls jemand das Thema noch ertragen kann, es gibt hier bei Gil Duran im Newsletter The Nerd Reich eine ausführliche Ableitung der ideologischen Hintergründe dessen, was gerade in den USA passiert.

Und während ich nach wie vor nicht einzusehen vermag, warum all diese Newsletter nicht einfach verbloggt werden (*Krückstockgefuchtel*), ist es doch so, dass Newsletter gerade zu den besten Quellen zählen.

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In Deutschland gibt es, warum auch nicht, einen Zehn-Punkte-Plan in einem Blog. Und gleich deutlich vernünftiger als die Partei-Versionen.

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Die Herzdame unternahm währenddessen eine Dienstfahrt in die Metropole Dortmund. Durch die ich neulich auch gerade gefahren bin, es gibt dort in diesen Wochen ein deutlich erhöhtes Buddenbohmvorkommen.

Die Züge auf ihrer Reise waren sowohl auf der Hin- als auch auf der Rückfahrt pünktlich auf die Minute, es waren vollkommen problemlose Touren. Und damit haben Sie das jetzt auch einmal wieder gelesen und zur Kenntnis genommen, dass es so etwas noch gibt. Auch in diesem Land, auch im Jahr 2025. Nehmen Sie es als meinen bescheidenen Beitrag zur Verbreitung von Frohsinn, Hoffnung und konstruktiver Grundstimmung.

Die Herzdame hatte also mit ihren Fahrten deutlich mehr Glück als ich auf meinem Trip nach Bonn neulich. Aber gut, Bonn ist auch entlegener, abseitiger und kleiner. Von diesem kurzen Business-Trip hat die Herzdame uns dann, dem heiseren Bellen aus dem Nebenzimmer nach zu urteilen, frische Viren mitgebracht. Wie nett ist das denn.

Die Saison fällt diesmal etwas speziell aus bei uns, to say the least.

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Ansonsten wird es in dieser Woche immerhin lichter über der Stadt, der Himmel wird deutlich höher. Die Luft wird weicher und der Vogelsang wird lieblicher, lockender. Die Helligkeit breitet sich merklich aus an den Rändern der Tage, ich höre Kindergeräusche zu ungewohnter Stunde vom Spielplatz her. Ich sehe aus dem Fenster, und die Eltern, die neben den Schaukeln stehen, haben nicht mehr diese leicht eingekrümmte Frostschutzhaltung aus der Phase der Winterwitterung.

Das Vorfrühlingsprogramm läuft nach altem und bewährtem Muster ab. Als sei die Welt noch die alte, zumindest auf den ersten Blick. Man muss es sich aussuchen, ob das weiter zu hinterfragen ist oder nicht, man muss es mit der seelischen Belastbarkeit vereinbaren können. Einerseits werden manche Vogelstimmen und auch Knospen, Austriebe etc. im Gesamtbild der Jahreszeit längst und für immer fehlen, passen auch die Temperaturen und andere Messwerte nicht mehr zu den langjährigen Mittelwerten, andererseits – guck mal da, die Schneeglöckchen neben der Hundescheiße im Beet vor dem Jugendzentrum. Schon schön.

Und zwischen diesen Betrachtungsmöglichkeiten man selbst, eher unentschlossen. Aber immerhin schon mit etwas leichterer Kleidung. Jedenfalls manchmal, jedenfalls zwischendurch.

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Gehört: Ein kurzes Hörbuch, „Eine Frau“ von Annie Ernaux, gelesen von Corinna Harfouch, Deutsch von Sonja Finck.  Verlagsangabe: „Dreizehn Tage nach dem Tod ihrer Mutter im Jahr 1986 schreibt Annie Ernaux ein kurzes, schmerzhaftes Requiem. Und lässt die Mutter als Repräsentantin einer Zeit und eines Milieus auferstehen, das auch das ihre war.

Kurz und beeindruckend, das hat es in sich.

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Im Bild ein übriggebliebenes Demoschild im Stadtteil, sicher noch wiederverwendbar.

Ein Demoplakat mit dem Text "Merz raus" (Filzstifte, bunt), das in einen Bauzaun vor einem leeren Grundstück eingehängt wurde

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My brain

Was macht währenddessen eigentlich das Leben, Herr Buddenbohm.

Nun. Ich war in der ersten Wochenhälfte noch krank und fast durchgehend mit Erholung beschäftigt, davon gibt es eher wenig zu berichten. Abgesehen vielleicht von der ärgerlichen Tatsache, dass mich die Weltlage (der Autor zeigt vage auf alles um ihm herum, hebt dann die Hände kurz zum Himmel und winkt anschließend mit resignierender Geste ab) im Ernst mehrfach von der doch so wichtigen Ruhe abgehalten hat. Also von der geistigen Ruhe.

Es hätte anders gehört, merkte ich deutlich. Aber es arbeitete und arbeitete in mir. In meinem Hirn war etwas los, es drehte und tickerte und analysierte und verglich, es ging Szenarien durch. Als wenn es irgendeinen Sinn gehabt hätte, als wenn es auch nur am Rande von Belang gewesen wäre, was ich von globalpolitischen oder gerade entscheidenden deutschen Fragen halte.

Aber man denkt dann eben doch mit heißem Bemühen, um nur ja klüger als zuvor zu sein, ungeachtet der eigenen Unwichtigkeit und Unwirksamkeit. Ich nehme an, es gilt so gerade für viele von uns.

Zwischendurch habe ich mich streng zur Ordnung gerufen, als ich nämlich drauf und dran war, mögliche deutsche Wahlergebnisse nach meiner aktuellen Einschätzung mal eben in Excel abbilden zu wollen. Ich habe das Notebook nach der ersten eingetippten Zahl verärgert wieder zugeklappt und mich lieber wieder hingelegt, und zwar mit Nachdruck.

Geht es denn noch, habe ich mich gefragt, hältst du dich jetzt für die Forschungsgruppe Wahlen oder was. Ich bin ein engagierter Bürger, habe ich mir dann leicht beleidigt geantwortet. Aber Teile von mir fragten sich gleichzeitig skeptisch, noch während ich dieses stolze Statement formulierte, ob es nicht vielleicht zu pathetisch klang.

Es kann dermaßen anstrengend sein, so allein mit sich auf dem Sof. Man sitzt da, macht sich Gedanken und merkt, wie man Kalorien verbraucht. Und es stimmt schon, dass man sich nicht immer die beste Gesellschaft ist.

Mose Allison, meine Damen und Herren. Es ist doch fast eine Pflichtübung, ihn nach solchen Absätzen zu spielen.

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 Im Bild noch eine Anmerkung im Stadtteil. Was einem auf dem Weg zum Einkauf so auffällt.

Ein Aufkleber auf einem Stromkasten: The only dangerous minority is the rich

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Die Kulturbeilage

Zwischendurch auch einmal konzentriert an etwas anderes denken, sich ablenken und flüchten.

Ich lese „Billard um halbzehn“ von Böll, ich schließe abends im Bett Bildungslücken. Ein Buchtitel, den ich gefühlt schon mein Leben lang kenne, der immer und überall herumstand, in Regalen, Literaturgeschichten und auch auf Lehrplänen. Und jetzt erst merke ich, dass meine Annahme, die mir stets selbstverständlich vorkam, es müsse im Titel 21:30 gemeint sein, falsch ist. Die Hauptfigur spielt morgens Billard. WTF.

Ich habe vermutlich etwas dumm geguckt. Also noch dümmer als sonst.

Gleich am Anfang wird da eine Sekretärin beschrieben, die an einem Schreibtisch sitzt und einen gelben, grünen oder blauen Heuss über ein Schwämmchen zieht. Und ich bin so alt und westdeutsch, ich verstehe das noch, was da ohne weitere Erläuterung beschrieben wird. Ich habe es auch gleich als Bild vor Augen, und zwar en Detail. Schon die Herzdame aber, etwas jünger als ich, versteht es nicht mehr auf Anhieb. Und die Söhne wären sicher vollkommen chancenlos. Einen grünen Heuss übers Schwämmchen ziehen, ja, is‘ klar.

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Mit für meine Verhältnisse beachtlicher Ausdauer habe ich außerdem die Lektionen von Ian McEwan als Hörbuch beendet, 22 Stunden Romanmarathon. Und wieder habe ich gemerkt, wenn in erzählenden Texten die Klimakrise oder die Coronapandemie vorkommen, gewinnen diese Werke für mich umgehend Sachbuchcharakter. Mir ist noch kein Prosatext begegnet, bei dem das nicht so war. Diese beiden Schlagwörter reißen alles Erzählte aus dem Fach Prosa heraus und sortieren es um in eine andere Abteilung.

Und im Falle von Corona ist es dann außerdem ein Sachbuch über etwas, bei dem ich mir nicht sicher sein kann, ob ich wirklich dabei war.

Also ich war selbstverständlich dabei. Wie wir alle, ich weiß, soweit bin ich noch bei Verstand – aber es fühlt sich beim Lesen oder Hören einfach nicht so an. Das haben andere Menschen zu anderen Zeiten erlebt, was da geschildert wird, vielleicht in einem Paralleluniversum.

Was mir wiederum schön belegt, dass die psychischen Verheerungen der Coronajahre wesentlich wilder waren und nach wie vor sind, als allgemein angenommen und akzeptiert wird. Aber das ist nur meine Privattheorie, das muss man nicht so sehen.

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Blick vom Balkon

Fünf Uhr morgens. Die Luftqualität ist schlecht, sagt die Wetter-App. Es ist diesig, sagt der verschwommene Lichtkranz um die Straßenlaterne. 2 Grad, meist bewölkt, einsetzender Regen in 6 Minuten. Das Rotkehlchen aber singt in der Dunkelheit, als sei dies der heranbrechende Morgen eines Wonnemonatmittwochs. Jemand rollkoffert zum Bahnhof, jemand mit einem großen Firmennamen auf dem Rücken schlurft zur Arbeit, jemand zieht einen schlaftrunkenen Hund hinter sich her und um den Block. Der gleiche Kaffee wie immer, die gleiche verlässliche Zubereitung auch. Die gleiche Sorte Milch hineingegossen, aus dem gleichen Becher wie an jedem Tag einen Schluck genommen. Er schmeckt bitterer als sonst.

Guten Morgen.

Die Welt ist währenddessen komplett verrückt geworden, was die Medien eher nicht mehr abbilden. Das berühmte „This is fine“-Meme, aber als Blick von einem beliebigen Balkon.

Die Welle schwappt über die Leute, es sind furchtbare Tage gerade, man liest sogar die Definition von Hoffnung in Philosophiebüchern nach.

„Nichts ist so trist

wie ein Optimist

mit der Nase am Asphalt

der sagt, ihm ist nicht kalt.“

Und man könnte noch mehr O-Töne aus der Blogwelt in dieser Richtung einfangen. Wie ein junger, vor die Tür geschickter Lokalradioreporter, der mit großem Mikro, zottelig umpuschelt,  frierend im Nieselregen in der Fußgängerzone steht und immer wieder „Was sagen Sie zu …“ fragt. Und alle, alle antworten: „Wir wissen es doch auch nicht“, und gehen dann kopfschüttelnd weiter.

Ich doch auch nicht, nein. Who am I, while the world burns?

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Dennoch auch die Nebenaspekte ab und zu beachten. Im Guardian ein Artikel über die Mode der neuen Machthaber in den USA, über das Power Dressing.

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Und Dan Gardner schreibt über die (Kultur-)Geschichte des Begriffs „The ugly American.“ Man hat gleich noch ein deutlicheres Bild der aktuellen Vorgänge, wenn man das liest.

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Noch einige Wahllinks, Sie könnten sich ja auch darüber gerade Gedanken machen. Einmal der Real-O-Mat, der nach dem tatsächlichen Abstimmungsverhalten wertet. Außerdem gibt es noch den Euromat, der „nur“ die europäischen Aspekte bedient.

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Zwei, drei Links

Morgens die Medien in Internet, aus Deutschland, aus Europa, aus den USA – auf allen Titelseiten, ausnahmslos, geht es um das unheilvolle Wirken der global verstreuten Ultrarechten, der Autoritären, der Techno-Oligarchen, der Freibeuter. Oder es geht um die, welche da unbedingt auch noch mitspielen wollen und es, wie in Deutschland, dummerweise vielleicht auch bald tun werden.

Wie auch immer. Nur zwei, drei Links. Etwa dieser Vortrag bei Deutschlandfunk Nova von Hein de Haas, einem Migrationsforscher, der „Mythen über Migration“ zum Thema hat.  Es geht um die Versachlichung einer strikt und durchgehend irrational geführten Debatte, bei der alle Argumente so verflacht werden, dass sie von reinen Dummheiten nicht mehr zu unterscheiden sind. Diese Versachlichung kann uns kollektiv nicht mehr gelingen, schon klar, aber man kann sich zumindest in den eigenen Gedanken noch darum bemühen.

Es gibt seinen Vortrag auch bei Youtube, da sieht man die Präsentation dazu. Und es gibt das Ganze als extended version in Buchform, hier die Perlentaucherseite dazu.

Ich habe es mir angehört. Ich höre es mir auch noch einmal an, vielleicht schreibe ich sogar etwas mit – und ich glaube, dass Sie an der einen oder anderen Stelle von den Feststellungen überrascht sein werden. Weil diese versachlichten Argumente keine Rolle im öffentlichen Diskurs spielen, uns also eher nicht durchgehend geläufig sind.

Interessant, erhellend und lehrreich ist das.

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Hier noch ein Artikel über generative KI und rechte Weltbilder: „Nostalgiemaschinen und Klischeeverstärker.“ Schau-der-haft.

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Es gibt ferner zur Bundestagswahl eine neue Wahlomat-Version für die Erststimme (Von Abgeordnetenwatch). Gab es das schon einmal? Ich kann mich nicht erinnern.

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Heitere Links sind gerade selten, für das zynische Lachen zwischendurch vielleicht den Golftracker des US-Präsidenten nehmen.

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Lächeln und winken

Weiterhin krank. Es wird etwas langweilig, aber ich bin beim Hörbuch dennoch erst bei 52%, was mehr als merkwürdig ist. Und die Frage, wie oft am Tag man einschlafen kann, sie scheint nach wie vor nicht abschließend geklärt zu sein.

Zustandsbedingt habe ich also nicht pflichtgemäß gegen das weitere Kippen der Parteien, des Staates, der Gesellschaft und der allgemeinen Stimmung nach rechts mitdemonstriert. Aber ich sah in den Timelines die vielen Bilder und die Berichte aus etlichen Orten und fand diese immerhin erfreulich. Ich saß gewissermaßen lächelnd und winkend vor dem Bildschirm.

So nährt man sich seelisch von wenigem. Man braucht auch sonst fast nichts, wenn man krank ist. Man fährt allgemein die Bedürfnisse deutlich zurück, und das sogar freiwillig. „Nur etwas Taube, etwas Franzbrot“, wie es schon bei den Buddenbrooks zur passenden Diät in Krisenfällen hieß, vom kundigen Dr. Grabow souverän verordnet.

Aber apropos Dr. Grabow. Alle paar Jahre darf ich vielleicht eine Geschichte wiederholen. Es gibt doch gelegentlich zwei, drei neue Leserinnen, die nicht alles schon kennen und textfest mitsingen können. Eine Geschichte mit Bezug zum Thema Fiktion und Realität und sicher auch zur manchmal drängenden Frage der Glaubwürdigkeit des eigenen Lebens.

Eine Winzigkeit ist es nur. Aber doch eine, bei der ich mich immer wieder fragen könnte, ob ich echt bin, ob das alles hier seriös ausgeführt sein kann und wie unfassbar flach die Scherze der Wirklichkeit eigentlich herumalbern dürfen.

Und zwar geht es um das alte Genre des Witzes mit Nachnamen. Dafür ist der Dr. Grabow bei Thomas Mann nun gerade kein gutes Beispiel, der kommt eher harmlos daher und einen Scherz kann ich in seinem Namen nicht erkennen. Auch nicht mit Lübecker Orts- und Spezialkenntnis. Die Welt der Erzählungen bietet jedoch genug Beispiele für manchmal mühsam durchdacht erfundene Nachnamen der Figuren, die in der Sekundärliteratur dann seitenlang ausgedeutet werden und Gott weiß welche tiefe Bedeutung tragen.

Als ich damals nach dem Abitur von Lübeck nach Hamburg zog, suchte ich mir einen Hausarzt um die Ecke. Das machte man damals noch so, man ging einfach irgendwo hin. Die Praxen nahmen in jenen Jahren noch alle Patienten auf, es war noch lange kein Thema, dass sie überfüllt sein könnten, dass man eine Ärztin oder einen Arzt lange suchen musste. Dieser Arzt hieß Dr. Lau.

Als ich einige Jahre später während meiner ersten Ehe aufs Land zog, suchte ich mir in der kleinen Stadt ebenfalls einen Arzt, und natürlich nach der gleichen Methode. Ich ging also einfach da rein, wo Arzt dranstand. Und dieser Arzt hieß dann Dr. Mau.

Das ist alles. Aber heute noch, mehrere Jahrzehnte später, sitze ich manchmal so herum und aus dem Nichts fallen mir diese beiden Namen wieder ein. Ich sage sie sie mir dann laut auf, Dr. Lau und Dr. Mau. Ich habe die beiden Namen noch untereinander gestempelt im Impfausweis. Und ich lache recht zuverlässig.

Denn es kann und kann doch alles nicht ernstgemeint sein. Wenn so etwas da draußen möglich ist, außerhalb eines Drehbuchs oder eines Romans.

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Ansonsten heute nur ein paar Links, ich erlebe gerade nichts. Wenn Sie nur Zeit für einen Link haben, nehmen Sie bitte den letzten.

Ein Tagesschau-Video: Annette Dittert über fünf Jahre Brexit.

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Ein weiterer Aspekt der so unterirdisch niveaulos diskutierten Frage, welcher Mensch sich mit wessen Genehmigung wohin bewegen darf oder soll: Über den auch durch Europa ausgelösten Pflegenotstand in Ghana. Audio vom Deutschlandfunk, sechs Minuten.

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Ein Kalenderblatt über den lettischen Widerstandskämpfer Janis Lipke. Fünf Minuten Antifa, so viel Zeit muss auch sein.

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Der US-Autor Garrett Graff schreibt über den Putsch durch Musk: “Imagining how we’d cover overseas what’s happening to the U.S. right now.” (Via Katharina Borchert auf Bluesky)

Nach der Lektüre vielleicht auch kurz überlegen, wie deutsche Medien über die ersten Tage der neuen Präsidentschaft berichtet haben. Mit welcher Vorsicht,  mit welch überaus dezenten Formulierungen.

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Mit Ach und Weh

Am Donnerstag und Freitag habe ich ausgiebig herumgekränkelt, bei klarem und auch unerfreulich schnellem Abwärtstrend des Allgemeinzustandes und nicht ohne zwischendurch noch die Herzdame anzustecken, man will auch nicht allein leiden.

Bis ich etwa da ankam, wo ich zuletzt bei der ersten Covid-Infektion war. Eine solche ist es nun nicht, aber normale Infekte können es auch in sich haben. Es fällt einem dann wieder ein, was fast schon vergessen war. Ich habe noch Glück, ich habe so etwas selten und nicht quartalsweise, so wie viele andere.

Aber es gilt selbstverständlich, was die Tante Jolesch bei Friedrich Torberg sagte: „Gott soll einen hüten vor allem, was noch ein Glück ist.“ Könnte man auch mal wieder lesen, dieses Buch, muss man da nebenbei notieren.

Herumgelegen also. Mit Ach und Weh. Zwischendurch viel geschlafen, unruhige Fiebernickerchen, durchjagende Albträumchen und wirre Visionen, Sie kennen das. Was man so macht, wenn man krank ist. Sogar die Fieberbiber fielen mir zwischendurch wieder ein, aber diesen abgefahrenen Bezug verstehen vermutlich nur noch gestandene Bloggeria-Veteraninnen und Internet-Silverbacks. Those were the days, my friend, we thought they never end.

Zwischendurch immer mal wieder die Nachrichten mitgelesen. Wobei sich zeigte, dass die einigermaßen abgedrehte Nachrichtenlage, die zu durchleben wir gerade unangenehmerweise genötigt werden, sich teils von fiebrigen Träumen nicht mehr recht unterscheiden ließ und diese wiederum auch höchst ungebeten anreicherte.

Es kam mir auf diese Art alles vielleicht noch etwas verrückter und auch bedrohlicher vor als Ihnen. Und das will vermutlich etwas heißen, in diesen Tagen des freiheitlich-demokratischen Verfalls.

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Zwischendurch Marianne Faithfull winken. Auch wichtig.

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Und immer weiter die Lektionen von Ian McEwan gehört, wenn auch mit einigen Lücken, da ich zu oft einschlafe, wenn ich mich liegend mit Hörbüchern beschäftige. Es ist, wie bereits erwähnt, ein langes Hörbuch. Ich habe lange keines mehr mit einem solchen Umfang gehört.

Literarisch würde ich dem Autor mittlerweile einige freundliche Vorwürfe machen wollen. So wird etwa neben der Romanhandlung nennenswert zu viel Geschichtsunterricht eingebaut, manchmal eher lose mit der Handlung verwoben. Von wegen „show, don’t tell“, das wird hier teils ad absurdum geführt.

Aber die Vorwürfe muss ich gar nicht machen, denn auch der Geschichtsunterricht interessiert mich und ich höre also noch einmal nach, wie es damals mit der Kubakrise war, wie mit Tschernobyl oder auch mit dem aufkommenden Thatcherismus. Und ich finde alles interessant, da muss ich nicht meckern.

Kann ich das wenigstens bei einem Thema noch sagen.

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Noch dies und jenes versuchen

Gehört: Bei der Reihe „Zwischentöne“ kann ich mir auch einige der alten Sendungen anhören, dachte ich mir, und begann mit Wolf Lotter, aus dem Mai des letzten Jahres. Da geht es u.a. kurz um die lateinische Phrase nulla dies sine linea, kein Tag ohne Zeile, bzw. Linie.

Die Wendung wird auf dieser Wikipedia-Seite kurz erläutert und passt mir, wie man sich vorstellen kann, gut. Lotter sagt da: „Ein, zwei Stunden Schreiben, das braucht es, um den Kopf in einen Zustand zu bringen, um so denken zu können, wie ich es gerne hätte.“

Jo. So ist es, ich schließe mich an. Wie ich ab und zu an anderer Stelle sage, ohne das regelmäßige morgendliche Schreiben wäre ich vermutlich schon aus dem Verkehr gezogen worden. Man muss sich die Hilfsmittel zurechtlegen, wie man nur kann.

Interessant aber auch, dass Wolf Lotter das Recht auf Home-Office mit der Emanzipation des Individuums zusammenbringt, das sagte mir ebenfalls zu.

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Ansonsten im Laufe des Tages schleichend leicht angegrippt. Ab dem frühen Nachmittag erste Anzeichen von Schüttelfrost, Halsschmerzen etc. und von da an abwärts, man kennt das. Das stündlich zunehmende Krankheitsgefühl passte dann unangenehm gut zur Politik in diesem Land. Auch gewisse Werte und die Demokratie sind nicht mehr im besten Zustand. Die haben aber auch in den letzten Jahren unübersehbar abgebaut, wie wir alle bemerkt haben werden. Etwas hinfällig wirken sie mittlerweile, etwas angeschlagen, wenn nicht sogar deutlich pflegebedürftig. Die kommen ohne Hilfe doch gar nicht mehr klar, denkt man immer öfter.

Man könnte sich bei den negativen Formulierungen dieser Art noch weiter steigern, und bei gewissen Parteien habe ich ohnehin kaum noch Hoffnung auf Besserung. Das war es dann wohl.

Andererseits hilft uns die fatalistische Haltung nicht mehr weiter, wie wir ebenfalls alle wissen. Die Mühen der Ebene oder der Berge, wo sind wir eigentlich. Offene Feldschlacht und die Kunst des Krieges, allmähliche Verfertigung, Kaizen, alerta, alerta, was auch immer. To muddle through and to keep buggering on, wie in den letzten Wochen bereits für dieses Jahr vorgemerkt. Wir können aus den Geschichtsbüchern keinen Berechtigungsschein auf eine uns genehme und sich progressiv entwickelnde Weltlage ableiten, wie es aussieht. Es wirkte nur eine Weile lang so, und wir wollten es wohl auch zu lange glauben.

Jeder also wo, wie und was er kann, um es kurz zu fassen. Mit Bandenbildung und allem. Wir wollen uns doch etwas Mühe geben, wollen wir nicht?

Mit einer recht hohen Wahrscheinlichkeit wird sich mein Befinden allerdings in wenigen Tagen bereits deutlich verbessern, vielleicht sogar schon in Stunden. Wie es bei gewöhnlichen Infekten so ist. Beim Land, bei den Werten und bei der Demokratie wäre das in dieser Geschwindigkeit eine Wunderheilung, damit rechne ich nicht.

Es sind doch eher chronifizierte Gebrechen, die einer komplizierten Langzeittherapie bedürfen, und ein Ende ist auch nicht abzusehen. Die diagnostizierenden Fachleute machen vage Gesten der Unbestimmtheit und wissen noch nicht recht. Sie gucken mehrheitlich eher skeptisch als optimistisch, legen sich aber nicht fest. Noch dies und jenes versuchen, sagen sie, man will dann auch nicht ausgelassen haben. Wohin aber schickt man Länder, Werte und Systeme zur Kur?

Darüber heute ein wenig im Bett nachdenken. Ich lege mich wieder hin.

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