Nicht gut, nur besser

Home-Office der turbulenten Art am Dienstag. Sofern man sich Arbeit am Schreibtisch in einer turbulenten Ausprägung überhaupt vorstellen kann. Immerhin, und da haben wir also wieder ein Immerhin erbeutet, so sagen wir es uns ab und zu gegenseitig während der Arbeit auf, immerhin geht es bei uns nicht um Menschenleben oder verderbliche Lebensmittel. Und dann geht’s ja noch. Sagen wir uns also vor und machen dann einfach weiter, ohne eine etwaige beruhigende Wirkung erst abzuwarten.

Aber es klingt doch irgendwie tröstlich, für einen Moment. In anderen Berufen haben sie echtere Probleme.

Während der Bürostunden wird es draußen heller als sonst, wärmer auch, freundlicher. Ich ahne es allerdings zunächst nur, es ist etwas hinter meinem Rücken, das sich ändert. Ich sehe selbstverständlich auf den Bildschirm, es ist nur so eine Ahnung. Der Kontrollgang auf den Balkon bestätigt meine Vermutung dann Stunden später: Massive Vorfrühlingsverschärfung. Der Himmel sieht heute aus wie aufgestockt, dem Blau wurden große Mengen Grauanteil entzogen, was entstehen da oben für Möglichkeiten.

Raum für neue Jahreszeiten vielleicht. In den Nachrichten sehe ich außerdem kleine Meldungen über verfrühte Vogelzugbeobachtungen und in den kleinen Beeten am Rand der Fußwege, in den städtischen Hundeklos sprießt das Unkraut in frischem Grün und drängelt sich schon. Hier und da sind auch Menschen im Bild, die seltsam entspannt aussehen.

Ein Paar sitzt auf dem gepflasterten Ufer der Kleinen Alster und sieht auf die Alterarkaden

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Falls Sie neulich meiner Empfehlung (hier) gefolgt sind und sich die dort verlinkte Meyerhoff-Lesung zur Belebung Ihrer Laune angehört haben, es gibt auch eine Folge der angenehm entspannten Radioreihe „Zwischentöne“ mit ihm. Ganz frisch ist sie noch, diese Sendung, und sie passt hervorragend hinter das Lesevergnügen.

Man hört ihm gerne zu, denke ich. 67 Minuten, auf den Wegen zum Discounter und zu anderen Läden habe ich das gehört, und feine Unterhaltung beim Alltagsprogramm war es.

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Gesehen: Eine Doku bei arte über Roy Orbison, noch einmal eine Stunde ohne Politik. Ich sammele es mir so zusammen, im Moment sogar ziemlich berechnend, tatsächlich mit Blick auf die Uhr. Es muss genug vom Tag eher unbelastet sein, dann kann mit dem Rest besser umgegangen werden. Obwohl ich es, das ist auch klar, nicht schaffen werde, gut damit umgehen zu können.

Nicht gut, nur besser. Die Zeiten drängen zu seltsamen Feststellungen.

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Gonna be a long Monday

Gonna be a long Monday, sang ich am sehr frühen Montagmorgen leise unter der Dusche, denn Du sollst Deinen John Prine ehren und situativ korrekt anbringen, wo immer es geht.

“Gonna be a long Monday

Stuck like the tick of a clock

That’s come unwound – again.”

„Der Regen beginnt in 25 Minuten“, sagte die Wetter-App bei meinem ersten Blick darauf. Eine Botschaft, nach der man gewohnt hamburgisch eingenordet ist, noch bevor man vom Draußen irgendetwas wahrgenommen hat. Nach 24 Minuten dann die ersten Tropfen auf dem Dach; ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert.

Ich sah aus dem Fenster. Ein Notarztwagen fuhr mit sich drehendem Blaulicht langsam die Straße entlang. An der Kirche vorbei, einmal um den Block und wieder unter meinem Fenster durch, Schrittgeschwindigkeit nur. Das blaue Flackern spiegelte sich in den Pfützen auf der Straße und in den noch dunklen Fenstern. Vermutlich wurde da eine Hausnummer gesucht, der Mensch auf dem Beifahrersitz hatte die Scheibe heruntergefahren und sich hinausgelehnt, sah sich um. Immerhin kommen die nicht wegen mir, dachte ich, um auch diesen Tag mit einem gekonnt eingefädelten Immerhin zu beginnen. Man muss sich psychologisch hier und da zu helfen wissen.

Kalendarisch und meteorologisch verortet, so sicherte ich meine Rahmenbedingungen ab und begab mich in weitere Gewissheiten. Danach erst die Nachrichtenseiten, danach erst das ganze Elend. Dann das Home-Office, die aufgewärmten Arbeitsreste der letzten Woche. Wobei es sich mit dem Aufwärmen von Arbeit nicht wie beim Gulasch verhält, es ist keine zuverlässige Steigerung des Genusses zu erwarten.

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Gesehen: Eine arte-Doku über die Katharina Blum von Heinrich Böll: „Das Erbe einer Erzählung.“ Auch dann interessant, wenn einem die Erzählung damals im Deutschunterricht gründlich versaut worden ist.

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Die Kaltmamsell erklärt uns noch einmal das mit der VG Wort und den Blogs.

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Und zweimal gab es gerade Interviews mit Christian Drosten, die Älteren erinnern sich, einmal in der taz zum Lesen und einmal zum Hören im Radio. Es fühlt sich an, als sei es enorm lange her, dass die in diesen Interviews behandelten Themen noch an der Tagesordnung in allen Medien waren, dass wir alle über wenig anderes sprachen und schrieben. Auch nach mittlerweile fünf Jahren bleibt es dabei, dass der Pandemiebeginn damals nicht nur meinem, sondern vermutlich unserem Zeitgefühl einen schweren und wohl irreparablen Schaden zugefügt hat. Seitdem ist und war alles irgendwann, genauere Einschätzungen sind schwierig.

Und damit ab in den Tunnel der Restwoche. Und die hört auch irgendwann auf.

Die U-Bahn-Röhre des U2-Tunnels im Hauptbahnhof

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Kartoffelsuppe, Dokus, Podcasts

Den Sonntag habe ich halb tatenlos vergrübelt, weil eine Kolumne einigermaßen dringend zu schreiben war und meine Kreativität zunächst etwas außerplanmäßig untertourig lief. „Is this a deadline, which I see before me?” Wie schon der geplagte Freiberufler Macbeth bei Shakespeare bangend fragte.

Den Rest des Tages habe ich dann mit Kochen (Kartoffelsuppe), Dokus und Podcasts verbracht, es hätte also schlimmer kommen können. Ab und zu habe ich mich außerdem leicht vor der kommenden Woche gegruselt. So wurde mir nicht langweilig und die Stimmung glitt nicht in allzu entspannte Bereiche ab, man kommt da sonst auch schwer wieder heraus.

Außerdem bin ich wie immer lange draußen herumgelaufen (Regen, Kälte, das ganze Programm wieder) und habe dabei das Hörbuch laufen lassen, Ian McEwans Lektionen, das immer noch gut und ablenkend ist. Denn ablenken muss man sich für einige Stunden pro Tag in diesen Zeiten. Schon ein kurzer Nebenbeiblick auf irgendeinen Bildschirm und die abgebildete Nachrichtenlage darauf verdirbt die Laune doch recht zuverlässig.

Da, wo man im Stadtteil gerade eine Turnhalle abgerissen hat, im Zweifelsfalle bei uns immer, um ein neues Hotel zu bauen, sieht man nun ein größeres Graffiti.

Ein großes Graffiti an einer Mauer hinter einer Brachfläche: "Gentrifizierung vorantreiben!"

Abends weitere Erzählungen von Alice Munro im Bett. Und so verging meine Zeit, die am Sonntag mir gegeben war.

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Gerne gesehen: Eine ARD-Doku, bei der man schon wieder etwas bemüht an aktuellen politischen Fragen vorbeidenken muss. Wenn man das hinbekommt, dann ist die Sendung immerhin entspannt zu betrachten: Menschen am Rande der Welt – Grönland. Über einen kleinen Ort weit draußen, jenseits von allem, irgendwo hinterm Eis. 40 Häuser nur, von denen im Winter nur zehn bewohnt sind. Mit Schule, Kirche und Handel, was man so braucht.

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Gehört: Eine Ergänzung noch zur neulich verlinkten Sendung über die Eisschmelze im Klimawandel: Bayerns Gletscher sind verloren. Und zwar sind sie demnächst verloren, wenn nicht sogar sofort, unverzüglich.

Außerdem hörte ich am Wochenende zwei längere Sendungen. Eine vom Deutschlandfunk über Geschichte und Gegenwart der Baltischen Staaten: Mit feindseligen Nachbarn kennen sie sich aus. 44 Minuten sind das. Ich fand die Folge lehrreich, denn es gab, wie ich leider merkte, erstaunlich große, wenn nicht schon peinliche Wissenslücken bei mir. Besonders aus der Zeit des Umbruchs nach dem Sowjetreich.

Aber gut, es war damals auch eine stark beschleunigte, enorm ereignisreiche Zeit. So eine aufgeladene Zeit, wie wir sie gerade wieder ähnlich erleben. Und vielleicht war es damals so schwer wie heute, bei allem hinterherzukommen, obwohl wir noch nicht den ganzen Tag am Internet hingen. Ich kann mich aber nicht ausreichend erinnern.

In Bezug auf die Sowjetunion fiel jedenfalls in der Sendung der wunderbar lapidare Satz: „Es war alles für immer, bis es vorbei war.

Die zweite längere Sendung war wieder der Podcast von Carolin Ehmke, „In aller Ruhe“, diesmal mit dem angenehm nüchternen Politwissenschaftler Volker Perthes, über die Lage in den USA und in Nahost, in Syrien.

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Gelesen: Sicher etwas um die Ecke gedacht, aber man kann sich küchenpsychologisch eine Linie denken, von den in den letzten Tagen hier geposteten Links und all den wüsten Meldungen in den Nachrichten über die Lage in den USA zum sich gerade belebenden Offline-Trend des Junk-Journalings. Ich finde es einigermaßen naheliegend.

Es spricht mich nicht an, aber ich kann den Reiz nachvollziehen.

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Eine anspruchsvolle Challenge

Regen auf der Dienstfahrt, Regen dann auch am nächsten Tag. Regen in Bonn, Regen in Hamburg und überall auf der Strecke dazwischen, ein nasses Land. Am zumindest theoretisch so schönen Rhein, im Ruhrgebiet, in Münster, in Osnabrück und selbstverständlich in Bremen, in Harburg. Und in Hamburg-Mitte erst recht.

Regen am Abend, Regen in der Nacht und Regen am Morgen. Da hatte man in den letzten Tagen etwas überaus Verlässliches. Da hatte man eine verlässliche Konstante in unseren zerfaserten Zeiten der Umbrüche. Und wenn man es so sah, wenn man es nur angestrengt genug auf genau diese Art betrachtete, dann gewann der Regen fast einen positiven Aspekt. Aber zugegeben, einfach war das nicht, sich dabei geistig stets auf Kurs zu halten, etwa während man gerade zum fünften Mal am Tag nass wurde.

Es war vielmehr in dieser Endlosschleife etwas herausfordernd. Aber egal, die Challenge heißt nun einmal Januar, so ging es auch als Meme mehrfach durch meine Timelines. Die überaus anspruchsvolle Challenge, bei der man jeden Tag dieses Monats hinter sich bringen muss.

In der Ferne bellte ein Sohn, während ich die letzten drei Absätze schrieb. Irgendwer ist hier an jedem Tag jahreszeitenkonform krank. Denn das Virenkarussell, das fährt immer, immer, immer rundherum. Und das gehört auch zur Szenerie, zur Zeit und also zur Challenge.

1942 oder 1943 war das, die Quellen sind sich nicht einig.

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Am Sonnabendnachmittag dann aber die gänzlich unvermutete Wende. Aufreißender Himmel und eine Helligkeit, die der Stadt seltsam lange erhalten blieb.  Zum ersten Mal wieder Licht zu meiner Spaziergangszeit. Zum ersten Mal wieder einige Motive nebenbei gesehen. Zwischendurch habe ich verwundert und sicherheitshalber die Uhr geprüft, wie passte das eigentlich alles zusammen.

Das Alsterboot "Goldbek" am Anleger Jungfernstieg, blaue Stunde, weiter Himmel

Dennoch keine Vorfrühlingsstimmung ansonsten. Haselblüte hin oder her, das nun doch nicht. Es war noch nicht diese besondere Licht- und Luftveränderung, die wir alle stets am gleichen Tag wahrnehmen, wenn wir die auf einmal laue Luft prüfen, saisonale Witterung aufnehmend wie jene wintergeplagten und ausgehungerten Frühmenschen, die in uns immer noch angelegt sind. Nein, das noch nicht.

Obwohl es in der letzten Woche immerhin schon zwei, drei Momente gab, ganz kurze Momente, schon mit etwas seltsam lieblich klingendem Vogelsang dabei – aber sie waren noch nicht lang und nicht annähernd intensiv genug, diese Momente.

Nein, es kommt alles noch. Vor den Blumenläden die Tulpen, die müssen uns erst einmal reichen.

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Gelesen:

The pathetic billionaire’s club: Paul Krugman über die amerikanischen Milliardäre und über Fuck-Me-Money. Im Abspann zeigt er Tears for fears mit dem Song “Everybody wants to rule the world” auf Latein: “Omnes optant mundum regere.”

Warum auch nicht. Bzw. lateinisch: Quin. Sagen jedenfalls die entsprechenden Dienste. Gewusst hätte ich es selbstverständlich nicht, das Latinum ist etwas länger her und leider hat kein Sohn in der Schule Latein gewählt, keine Chance zur Auffrischung für mich. Ich fand es etwas schade.

Heather Cox Richardson schlägt uns den Bogen von der Ardennenoffensive bis zu Trump. Nebenbei noch nachgelesen: Diese Autorin ist eine erfolgreichsten Newsletter-Schreiberinnen überhaupt, auch in finanzieller Hinsicht. Hier der Wikipedia-Eintrag dazu, mit aus deutscher Sicht erstaunlichen Zahlen.

„Algospeak“ ist das neue und mir wichtig vorkommende Wort für die codifizierte Sprache des Widerstandes auf den Plattformen in den USA: „Why everyone on TikTok is talking about „cute winter boots.

Man wird diesen Begriff jetzt schon für die Geschichtsbücher vormerken können, da können wir sicher sein. Und ein wenig schade finde ich es gerade, dass ich die Szenen, Absätze und Augenblicke, in denen diversen Bloggerinnen, Podcasterinnen und anderen online präsenten Menschen aus den USA in den letzten Tagen klar wurde, dass sie nun im Widerstand sind, nicht rechtzeitig ausgeschnitten, abgelegt und gesammelt habe.

Es wäre eine bewegende Sammlung geworden, denke ich, aber sicher macht das noch irgendwer. Vielleicht mit einem Zitat in der Überschrift, das in mehreren dieser Artikel und Aufnahmen vorkam, als es um die Maßnahmen und die Situation ging, um die kommende Zeit auch: „… for the dark days ahead.“

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Ansonsten immer weiter im Hörbuch „Lektionen“ von Ian McEwan. Weiterhin sehr angetan davon. Wunderbar ablenkend ist das, und es sind noch viele Stunden vor mir, eine üppige Restlaufzeit.

Wie neulich bereits erwähnt, ich höre die Bücher, das passt noch zu meinen gestrigen Links, nicht mehr über Spotify, sondern mittlerweile durchweg über die Dienste der öffentlichen Bibliotheken oder über die ARD-Audiothek.

Besser ist das.

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Nachgeholte Links

Am Freitag habe ich, was dann erstaunlich viel Zeit kostete, sich aber gerade eben noch gut anfühlte, den verpassten Alltag der beiden Reisetage nachgeholt. Also den Online-Alltag hauptsächlich, denn mein privates Notebook hatte ich nicht mit. Nach mehr als zwei Tagen, habe ich dabei gemerkt, würde ich es sicher nicht mehr schaffen, meinen Quellen noch hinterherzulesen. Da könnte ich nur noch alles abhaken und durchwinken, mark all as read. Zu stark die Informationsflut, zu schnell die Entwicklungen.

Und es würde auch nichts ausmachen, das ist klar. Es gibt schließlich keine Pflicht, jeden Tag alles mitzubekommen, es gibt nur diese Neigung. Aber Neigungen … letztlich auch Naturgewalten.

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Herzlichen Dank für die freundliche Zusendung des neulich erwähnten Buchs von Timothy Snyder „Über Tyrannei – Zwanzig Lektionen für den Widerstand.“ Deutsch von Andreas Wirthenson, hier die Perlentaucher-Seite dazu.

Eine leider zeitgemäße Weiterbildung wird das sein, und als Bettlektüre eventuell vollkommen ungeeignet. Egal, ich werde andere Lesesituationen finden oder erfinden.

Das Buch "Über Tyrannei" von Timothy Snyder

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In der New York Times sah ich außerdem einen Hinweis auf ein Buch von Dorian Lynskey, das noch nicht auf Deutsch vorliegt, aber vermutlich ebenfalls manche hier interessieren wird: „Everything must go – The stories we tell about the end of the world“ (Link zur Verlagsseite).

Eine 500-seitige Kulturgeschichte unserer apokalyptischen Erzählungen und ihrer Wechselwirkungen mit der Wirklichkeit: „A rich, captivating, and darkly humorous look into the evolution of apocalyptic thought, exploring how film and literature interact with developments in science, politics, and culture, and what factors drive our perennial obsession with the end of the world.”

Zur Erbaulichkeit siehe oben. Und wenn man schon dabei ist: Eine Folge Radiowissen zur Eisschmelze im Klimawandel fand ich informativ und angenehm kompakt. Sie kam mir besonders sinnvoll vor, diese Folge, gerade vor dem Hintergrund all der Meldungen zum reaktionären Rollback in so vielen Ländern. Oder wir nennen wir das Ganze jetzt eigentlich, haben wir uns schon auf einen Begriff für dieses geschichtliche Phänomen vor dem nächsten progressiven Schub geeinigt? Dann habe ich das Ergebnis verpasst. Aber man verpasst im Moment schnell etwas.

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Christian Fischer schreibt konstruktiv zur Lage:

„Wir müssen nur den Staub runter pusten. Wieder ein Blog schreiben, statt in Twitter hinein zu rotzen. Ein paar Unbequemlichkeiten auf uns nehmen: Jemanden auch mal suchen, statt ihn vorgeschlagen zu bekommen. Ein Bild auf der Festplatte suchen, statt es einfach in der App aufzunehmen. Uns unserem Selbst stellen, weil die young-and-glow-Face-Filter noch nicht laufen. Zwei Sekunden auf den Reload warten statt nur eine. Einen Gedanken selbst aufschreiben, statt uns damit zufrieden zu geben, was die KI aus unseren Gedanken-Fragmenten macht.
Denn die Struktur ist immer noch da, wir sind nur noch geblendet von den shiny Möglichkeiten.“

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Konstruktiv ist auch, und ich weiß leider nicht mehr, wer es wo empfohlen hat, das Opt-Out-Project, bei dem man eine Menge nachlesen und umsetzen kann.

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Unbedingt noch ein angenehmeres Thema einbauen, schon klar: Ein Zeitzeichen zu Django Reinhardt beim WDR: Der Mann, der Europa den Jazz brachte.

Hier ist der Großmeister auch im Film. Man sieht, wie er mit der linken Hand zweifingrig spielt. Die anderen Finger waren nach einem Brandunfall gelähmt.

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Die überragende Qualität der Nachtgedanken: Bonn

Der Work-Song von Dan Reeder passt wieder einmal, man kann ihn im Hintergrund laufen lassen, angemessene Textbegeleitung.

Ich bin in dem Ort gewesen, der früher und so tief aus der Kindheit eingeprägt mit dem Beginn der Tagesschau verbunden war, die damals noch in jedem Wohnzimmer lief: Bonn.

In früher Kindheit war es das Wort, mit dem für mich der Abend beendet war, jetzt aber husch, husch ins Bett. Vielleicht war ich deswegen durchgehend so wahnsinnig müde auf dieser Kurzreise. Wir wurden im Westen alle früh und erfolgreich auf diese Art konditioniert, man kommt nur schwer dagegen an.

Erstaunlich lange braucht man, um von Hamburg nach Bonn zu reisen. Gefühlt müsste man am Ende einer Bahnfahrt von sieben Stunden mindestens in München sein. Wenn nicht noch etwas weiter, schon in Richtung Südtirol vielleicht, schon unterwegs in Richtung Urlaub, aber ich schweife ab. Es ist jedenfalls etwas verwirrend. Wie geht das zu, ist diese Stadt am Ende nicht gut erreichbar?

Aber gut, der zweite Zug nach dem Umsteigen hatte eine enorme Verspätung, die im 5-Minuten-Takt fortwährend erweitert wurde. Es war ein wenig erwartungsgemäß und ich würde lieber anderes berichten. Aber die Infrastruktur, aber die Schuldenbremse, aber die Lage.

Fast eine Stunde stand ich in Köln im Bahnhof und am Gleis herum, wo es kalt und zugig und nass war. Neben mir und um mich herum etliche andere frierende, knurrende Menschen, die teils laut, teils leise wüste Verwünschungen von sich gaben. Immerhin kam mir zwischendurch der Gedanke, dass ich in dieser Stadt mehrere nette Einwohnerinnen kenne, und das ist nicht nichts.

In Bonn dann etliche Meetings und dergleichen. Was man so macht, Sie kennen das. Zumindest wenn Sie auch einen Bürojob haben, dann kennen Sie das. Etwas anspruchsvoller als sonst ging es an diesen beiden Tagen zu. Etwas fordernder auch, etwas komplexer, etwas ermüdender. Aber in etlichen Momenten auch netter.

Gestapelte Konferenzraumstuehle

In der Nähe des Bonner Büros floss der Rhein, sah ich zwischendurch auf dem Smartphone, als ich kurz checkte, wo ich eigentlich war, denn das ist auch manchmal interessant. Ich konnte den Fluss aber im weiten Grau und im Regen vor dem Konferenzraumfenster nicht ausmachen. Na, er wird schon dort gewesen sein, wo er verzeichnet war. Es kommen sonst Eilmeldungen, wenn ein Fluss nicht mehr dort ist, wo er hingehört.

Ein Foto aus einem Bürofenster schickte ich zwischendurch einem Sohn, der, warum auch immer, dachte, ich sei in Paris oder Wien. Dieses Bild bewies dann natürlich gar nichts. Hochhäuser und einige Bürobauten, kahle Bäume und ein seltsamer Spiegeleffekt in der Scheibe, vor der ich stand. Der Sohn fragte zurück, ob ich gerade in einer Simulation sei und ich hatte keine Zeit, darüber spontan sieben Seiten Text zu schreiben. Das war etwas schade, denn mir war sehr danach.

Über meinem Bonner Bett in der Business-Class-Bude für die Business-Trip-Bande stand das Wort „Götterfunken“ zusammenhangslos und groß und auf Glas an der Wand. Eine Erweiterung des Self-Service-Prinzips, man musste sich die allfälligen Bezüge zum in dieser Stadt an jeder Ecke vorkommenden Komponisten oder aber zur überragenden Qualität der eigenen Nachtgedanken erst selbst herbeiassoziieren. Wobei man immerhin gut einschlafen kann, wie ich merkte.

Vor dem Hotelfenster in der Bonner Nacht ein Orient-Teppich-Laden im Regen, sah ich am nächsten Morgen. Dann ein Schaufenster, in dem irgendwas mit Shisha stand, außerdem ein Geschäft, das Druckwelle hieß. Am Ende wird es wieder ein besonders humoriger Friseur gewesen sein.

Auf der Taxifahrt in dieses Hotel habe ich am Abend vorher kurz die Schaufenster der „Bonner-Ballett-Boutique“ vorbeifliegen sehen, und vor dem Restaurantbesuch sah ich für einen Moment das Alte Rathaus. Was dann das ästhetische Highlight dieser Reise war.

Ich aß außerdem zum ersten Mal Döppekooche, Kesselkuchen mit Apfelmus. Man kennt das Gericht auch unter mehreren anderen Namen. Ich habe mich also etwas weitergebildet, so soll es auf Reisen doch sein. Wenn man den ganzen Tag kaum etwas gegessen hat, weil es nicht einmal die üblichen Konferenzraumkekse in der Discounterversion gab, ist es ein angemessenes Rettungsessen am Abend.

Ein kurzes Stück Fußgängerzone in der Innenstadt sah ich noch. Ich hätte es aber nicht von der mir halbwegs vertrauten Fußgängerzone in Minden unterscheiden können. Bonn, Minden, Hauptsache Stadt, man kann Reisezielen auf Business-Trips nicht gerecht werden.

Viele Wahlplakate hingen da jedenfalls, deutlich mehr als bei uns im Hamburger Stadtteil. Man kann in Bonn den Herrn Streeck wählen, lernte ich auf diese Art, aber man muss immerhin nicht. Dafür auch dankbar sein, die Freiheiten stets zur Kenntnis nehmen und würdigen. Dann das Ende einer Dienstfahrt.

Wie auch immer. Sonst hat mich in Bonn nichts weiter erregt oder betrübt, um kurz den geschätzten Ringelnatz situationsgerecht zu verbiegen. Ich kann nach diesem kurzen Aufenthalt also die alte und sicher große Frage, warum es am Rhein so schön ist, weder abschließend beantworten noch auch nur die inkludierte Grundannahme bestätigen.

Was schließt man daraus? Wiedervorlage in ein paar Wochen, nehme ich an. Ich werde berichten.

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Makel und Bewährung

Den Dienstag habe ich komplett an etliche To-Dos verplempert. Home-Office und anschließend Termine für oder mit der jüngeren und auch der älteren Generation, die organisatorischen Freuden derer in der Mitte. Alles nicht schlimm, alles kein Ding, es fügt sich nur manchmal ungünstig.

Zwischendurch auch in einer Arztpraxis gewesen, in der alle Maske trugen, ein solches Bild hatte ich schon lange nicht mehr gesehen.

Drei Stunden des Herumlaufens fühlten sich am Ende wie ein ganzer Tag auf den Beinen an. Dann noch eingekauft und gekocht. Jeder nur ein Formtief, aber jedenfalls jetzt. Und es ist immer noch Januar.

Morgen, es fällt mir gerade ein, wo ich schon bei meinen To-Dos bin, gibt es hier vermutlich keinen Text. Es wird zeitlich wohl nicht passen.

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Gesehen: Eine arte-Sendung über Dalida und ihren Bruder Orlando, bzw. Bruno, es ist einigermaßen kompliziert in ihrer Familie. Aber in welcher wäre es das nicht.

Ich schätze Dalida sehr und verweise gerne auf eines ihrer traurigsten Lieder. Vielleicht ist es auch eines der traurigsten Lieder überhaupt, mit einem großartigen Text (Daniel Faure) in dem man, je nach Lebensphase, verschiedene bittere Wahrheiten liest oder hört. In depressiven Phasen ist es unbedingt weiträumig zu umkurven, dieses Lied. Aber wunderbar ist es doch.


Und falls traurige Lieder und Dalida für Sie interessant sind, man findet auf Youtube auch einen weiteren Anwärter für die Topliga der allertraurigsten Texte, nämlich Avec le temps von Léo Ferré in ihrer Version.


Aber gut, da muss man dann fast zwingend auch das Original zeigen, um den Maßstab zu verstehen, mit dem singenden alten Zausel am Ende seiner Liebeserfahrung. Und davon muss man sich anschließend erst einmal wieder davon erholen.

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Ein neues Hörbuch habe ich außerdem zwischen Pontius und Pilates angefangen, und ich glaube, es gefällt mir gut: „Lektionen“ von Ian McEwan, Deutsch von Bernhard Robben. Hier die Perlentaucherseite dazu. Es hat eine erzählerische Ruhe, einen langen Atem, den ich wohltuend finde. Gerade im Gegensatz zu den sich in dieser Woche noch einmal beschleunigenden Nachrichten aus aller Welt.

Die Hauptfigur des Romans ist laut der einen Rezension beim Perlentaucher jemand, der Makel hat, sich aber hin und wieder bewährt. Und das möchte man im Rückblick irgendwann auch von sich sagen können, nehme ich an. Dass man so ein Typ war, der Makel hatte, sich aber hin und wieder bewährt hat.

Es ist ein Benchmark, mit dem man vielleicht klarkommen kann. Und außerdem ist es eine weitere interessante Option für realistisch betextete Grabsteine.

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Abgesänge und Regeln

Die Sonne vom Wochenende wurde gleich wieder abgeräumt. Grau der Montag, der Alltag. Eisverregnet, mit mattem Schneegeriesel auch, mit normalem Niesel zwischendurch und diesig tiefhängendem Himmel über der Stadt. Trübe war außerdem die Nachrichtenlage, und das ist zu milde ausgedrückt. Wir kondolieren den USA, thoughts and prayers, was soll man noch sagen.

Immerhin gab es ein gutes Meeting im Brotberuf, immerhin hatte ich einen gelungenen Behördentermin mit besonders freundlichen Staatsangestellten am Nachmittag. Das sind dann so die Highlights, das sind die Geht-doch-Momente des Tages.

Und Bolo gekocht habe ich auch, denn der Mensch braucht stabilisierende Maßnahmen.

Am Abend schienen die geschätzten Menschen aus den Timelines alles in den USA live zu verfolgen. Sie müssen da deutlich leidensfähiger als ich sein, denn ich möchte und kann das alles nicht sehen. Die Filmschnipsel und Zitate, die dennoch bei mir ankommen, die reichen mir schon vollkommen aus. Nein, die sind mir schon zu viel. Nachrichten lieber nur als Text oder als Audioversion, kommt das Bild dazu, ist es Überlast.

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Pragmatisch bleiben und einige Regeln verinnerlichen, das gilt keineswegs nur in den USA. Wie oben gesagt, wir kondolieren den USA – aber wer macht das normalerweise, es sind die Verwandten und die Freunde. Wir hängen da mit drin.

Ich erinnere daher noch einmal an den mir weiterhin sinnvoll vorkommenden Artikel mit den zwanzig Regeln im Guardian: How to survive the broligarchy, und daneben legen wir noch eben das Vorbild dieser Liste, nämlich die deutlich härter formulierten zwanzig Regeln für das Leben in der Tyrannei von Timothy Snyder.

Vierzig kurze Anweisungen also. Ab und zu mal draufsehen und die Überschneidungen, die Doppelungen oder auch die Bezüge zum eigenen Alltag suchen. Man kann nicht mehr davon ausgehen, keine Bezüge zu finden oder auch nur lange suchen zu müssen – die Zeiten sind vorbei.

Georg Kreisler:

Es hat keinen Sinn mehr, Lacher zu sammeln,
statt ein paar tatkräftige Macher zu sammeln.
Es hat keinen Sinn mehr, Reime zu schmieden,
die Zeiten sind vorbei.“

So hieß es damals in seinem „Vorletzten Lied“, das man heute auch noch einmal hören kann, es passt.

Vielleicht aber auch eine monatliche Wiedervorlage der Regeln arrangieren, um sie ernsthaft im Sinn zu behalten.

Und hier noch eben eine wissenschaftlichere Sicht der Lage. In der Augsburger Allgemeinen gab es ein Interview mit dem Politik- und Geschichtsdeuter Herfried Münkler, dessen Buch „Welt in Aufruhr“ ich gerade gehört habe.

„Die Zeit ist vorbei, in der wir von der Vorstellung getragen wurden, dass die Weltordnung durch gemeinsame Regeln steuerbar sei, dass wirtschaftliche Verflechtungen ein verlässlicher Faktor der Friedenssicherung zwischen Staaten wären, und dass so etwas wie eine Verrechtlichung der internationalen Politik in Gang gekommen ist.“

Ja, so kann man Clusterfuck auch umschreiben.

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Außerdem gehört, denn man muss zwischendurch auf andere Gedanken kommen oder es zumindest versuchen: Ein WDR-Zeitzeichen über Hedy Lamarr. Das war die mit dem Filmruhm und mit dem Frequenzsprungverfahren. Welches in der Sendung auch für diejenigen verständlich erklärt wird, die damals in Physik gerade nicht aufgepasst haben.

Allerdings war dieses Frequenzsprungverfahren für den Kampf gegen Nazis gedacht … und schon hat es sich wieder mit den anderen Gedanken.

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Ansonsten weiter und ausgesprochen gerne im Rahmen der gestern erwähnten MRBIBGA-Kampagne in den Erzählungen von Alice Munro gelesen. Trotz allem.

Wobei Munro allerdings aus Kanada war, und Kanada, da war auch gerade irgendetwas, glaube ich.

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Im Bild heute Rolltreppen im Hauptbahnhof, sie gehören zu meinem abendlichen Spaziergangsszenario. Mit etwas Himmelssurrogat immerhin, für den kleinen Lichtblick zwischendurch.

Rolltreppen im U-Bahnbereich des Hauptbahnhofs, von unten fotografiert, oben ein Stück blau angemalter Decke

Auf dieser Rolltreppe stehen und Musik auf den Kopfhörern haben. Doch noch ein Immerhin-Moment.


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MRBIBGA

Das Positive zuerst. Damit wir wissen, wo es bleibt. Gestern gab es außerplanmäßig etwas Sonnenschein über Hamburg, die Älteren erinnern sich noch an diese Nummer mit blauem Himmel und etwas besserer Laune. Am Nachmittag sah ich pflichtgemäß kurz an der Alster nach, wie viele Menschen dort nachgesehen haben, wie diese Stadt ohne Grau aussieht. Es waren erwartungsgemäß viele, man drängelte hier und da auf den Wegen wieder ein wenig. Noch einmal die Winterjackenparade, all die wärmenden Accessoires.

Auffällig viel Schwarz trug man. Mehr noch als sonst, und ich weiß nicht, ob es ein Zufall war oder ein Zeichen für etwas.

Die Außenalster, von der St.-Georg-Seite aus, blauer Himmel, kahle Zweige im Vordergrund

Wenig joggende Menschen sah ich, es war wohl zu kalt. So stellt man immerhin nebenbei fest, dass der Winter auch Vorteile hat.

Ich hörte beim Spaziergang eine Lesung von Joachim Meyerhoff aus seinem Buch „Man kann auch in die Höhe fallen.“, Es waren 82 Minuten, die man hier in der ARD-Audiothek findet. Unterhaltsam und sogar aufheiternd war das, und wenn Sie wenig Zeit haben, es gibt gute Stellen schon auf den ersten sieben Minuten. Man ist doch allgemein etwas bedürftig gerade, was das Thema Aufheiterung angeht.

Und stets das Tröstliche bewusst wahrnehmen. Denn was auch kommen mag – Rettungsringe liegen hier und da schon für uns bereit. Das immerhin.

Ein Rettungsring auf dünnem Eis auf der Alster, nah an einem Steg , im Vordergrund welkes Laub

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Beim Nachdenken über diese Woche, mit deren politischer Agenda ich schon zu diesem frühen Zeitpunkt ausdrücklich nicht einverstanden bin, deren wahrscheinlicher Entwicklung ich vielmehr jetzt schon energisch widersprechen möchte, fällt mir die allgemeine Radikalisierung ein. Die leider, ich kann es nicht mehr übersehen, auch bei mir ein Thema ist.

Ich lese nämlich entschlossen, wenn nicht sogar schon fanatisiert und verbissen, quasi von der Gesamtlage aufgehetzt, mehr als sonst wieder wie früher abends Bücher im Bett. Denn das habe ich doch bei all diesen Radikalisierungstendenzen hoffentlich richtig verstanden – hemmungslos und diskussionsavers, abseits aller rationalen Argumente mehr von dem machen, was man diffus irgendwie richtig findet. Genau das machen, bei dem man, wie man heute leider so sagt, weil der Ausdruck dermaßen furchtbar ist, ein gutes Bauchgefühl hat, und mit dem man auch in seiner Bubble bestens herumkumpeln kann.

Und das dann, versteht sich, ebenso ungefragt wie unangemessen, aggressiv und natürlich unnötig laut verteidigen. Auch gegen nur imaginäre Kontrahenten. Nicht wahr, so scheint es doch überall zu laufen in letzter Zeit.

Also stört mich bloß nicht bei der abendlichen Lektüre, Ihr Knalltüten.

Make reading books in bed great again. Das Radikale braucht auch Kampagnen, wie die Gegenwart lehrt. Man kann es wieder gut abkürzen, zu MRBIBGA. Wie einprägsam ist das denn, gleich werde ich Mützen mit diesem Aufdruck bestellen.

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Einen neuen Band von Alice Munro habe ich gestern in diesem Sinne am Abend angefangen, das wollte ich eigentlich nur eben mitteilen und kam dann irgendwie auf gedankliche Abwege. „Tanz der seligen Geister“, Deutsch von Heidi Zernig. Ihre erste Kurzgeschichtensammlung ist das, aus dem Jahr 1968. Da war ich erst zwei Jahre alt und an Literatur noch nicht besonders interessiert.

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Was gab es noch. Die New York Times habe ich abonniert, denn die bekommt man gerade günstig hinterhergeworfen. 20 Euro für ein Jahr, keine bezahlte Werbung. Sie kommt aus einem Land, das man doch, ob es einem nun passt oder nicht, gerade in diesem Jahr mit besonderem Interesse beobachten wird. Sofern man sich zur Betrachtung noch überwinden kann.

Denn es ist doch immer wieder, das kann ich kaum noch anders ausdrücken, mit einem gewissen Ekel verbunden, sich einer gründlichen Sichtung der Nachrichtenlage auszusetzen.

Und prompt gibt es dann in dieser Zeitung, noch am gleichen Tag und wie zum Hohn, ein vielgescholtenes Interview mit einem Extremrechten, das hauptsächlich seine Positionen verbreitet. Eine Leistung also, für die man schlicht bei gewissen deutschen Medien hätte bleiben könnte. Meine Güte.

Lasciate ogni speranza … Könnte man kurz denken. Und sich dann wieder bemüht zusammenreißen.

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Vögel, Schiffe, Brücke, Graublau und alles

Der folgende Link ist vermutlich bis hinein in die spezialisierten Kunstkreise um Anke Gröner interessant, bei denen ich inhaltlich nicht mehr mithalten könnte. Ich finde das Thema aber schon deswegen reizvoll, weil es eine herrliche Nerd- und Freakangelegenheit ist. Ein Spezialinteresse, das dezent eskaliert ist, ich sympathisiere mit so etwas. 10 Minuten beim Deutschlandfunk über das Buch „Fecit“. Der Urheberrechtler Paul Hertin verfertigte da einen Kunstband über die Geschichte der Signaturen, so ein schönes Thema.

Sicher auch, falls Sie das vormerken wollen, ein fantastisches Geschenk für Menschen mit Sinn für Kunst. Oder für Menschen mit Coffeetables.

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Frau Büüsker (unbedingt verfolgenswert) wies gestern auf Bluesky auf diese Geschichte bei der Tageschau hin. Es ist eine Story, die sich wie die Skizze eines Plots für einen Agentenfilm mit einem gewissen abgründigen Twist liest. Leicht könnte auch eine Satire daraus werden, mit wenigen Handgriffen nur.

Es ist aber eine ziemlich schreckliche Geschichte, die dummerweise gut in den hier gerade dauernd vorkommenden Kontext der Wirklichkeitsdarstellung und -verfremdung passt. Man könnte es zumindest vor diesem Hintergrund lesen. Denn der Super-GAU der Ermittler, von dem da die Rede ist, stellt einen weiteren Wirklichkeitsverlust dar, macht eine neue Scheinwelt auf, mit der man sich zu arrangieren hat.

Davon abgesehen, aber das wird man juristisch kaum greifen können, dürften wir Menschen, denen bei uns derartiges Unheil von Staats wegen passiert, nicht abschieben. Es kommt mir in einem altmodischen, vielleicht fast kindlichen Sinne unfair vor. So etwas tut man nicht.

Und prompt fügt es sich noch, dass ich eine aktuelle arte-Doku anlegen kann, über eine Person, bei der man nicht recht weiß, welche Person sie ist oder jemals war: Amanda Lear. Wie heißt es da – „in ihrer Biographie gibt es kein einziges gesichertes Datum.“ Das muss man auch erst einmal schaffen.

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Beim Deutschlandfunk gibt es eine Lange Nacht über Mascha Kaléko. Eine Wiederholung, aber egal. Mit vielen Gedichtzitaten, die für meinen Geschmack allerdings häufig erstaunlich falsch betont werden, das machte das Hören für mich anstrengend. Aber ich bin da vielleicht auf eine etwas exzentrische Art empfindlich und rhythmusbesessen. Es stört andere vielleicht nicht, es fällt anderen vielleicht nicht einmal auf.

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Die Woche, denn wir haben immerhin eine weitere hinter uns und rücken also gemeinsam ein Feld vor, wenn auch leider in dem Wissen, dass dieses neue Feld mit eher unangenehmen Ereigniskarten verbunden sein wird, diese Woche war ansonsten, wenn ich vom bereits beschriebenen Demo-Highlight absehe, auch nicht gerade großartig. Eher schon war sie wie klischeehafte Krankenhauskost, zumindest was meinen Alltag betraf.

Jeder Tag also schmackhaft wie eine Scheibe Graubrot mit Schmelzkäse, zu der jeweils zwei Scheiben verblasster Gurke gereicht wurden, durch die ein weißer Kantinenstandardteller matt durchschien. So in etwa die Anmutung der Stunden.

Weiteres Durchhalten und Duldungsstarre also. Aber egal, so geht es mir im Januar immer. Es ist weder spektakulär noch ernsthaft bejammernswert, ich notiere nur, was ist. Und dieser Monat geht auch vorbei, falls Sie gerade Trost brauchen. „Starken Trost“, um den Slogan einer Bestattungsfirma hier aufzugreifen.

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Immerhin habe ich mich dann für Fotozwecke und also fürs Blog kurz aufgerafft, sogar noch während etwas mattes Licht am Himmel zu sehen war. Bis zur Binnenalster bin ich runtergegangen, durch die Menge der ebenfalls eher lustlos und unmotiviert wirkenden Shopping-Gäste in den Fußgängerzonen, und ich habe das Gewässer aufgenommen.

Mit Vögeln, Schiffen, Brücke, Graublau und allem. Bitte sehr, das war dann der konstruktive Part:

Die Binnenalster vom Jungfernstieg aus, Winternachmittagslicht, diesig, graublau. Schwäne im Wasser, Tauben an Himmel.

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