Kurz und klein

Vielen Dank…

… an den anonymen Menschen, der uns die Barbapapa Classics Staffel 2 geschickt hat, weswegen ich jetzt die Reihenfolge Barbapapa, Barbamama, Barbabella, Barbaletta, Barbalala, Barbarix, Barbawum, Barbabo, Barbakus noch ein wenig länger auswändig im Kopf behalten kann. Barbabohm würde eigentlich auch gut hineinpassen, fällt mir gerade auf.

Außerdem herzlichen Dank an N.B. für den Spielteppich mit Straßen drauf, das Kinderzimmer ist dann jetzt bereit für den Herbst. Toll!

Die Sache mit dem Content (II)

Die Fortsetzung dieses Beitrags.

Dieses Blog wird ziemlich regelmässig betankt, ich poste fast jeden Tag etwas. Das ist leichter, als es vielleicht klingt, denn ich habe etliche regelmässige Termine und Rubriken, die zu bedienen sind. In einem Monat erscheinen hier zwei Kolumnen für die Lübecker Nachrichten, zwei für den Hamburg-Führer, 4 für die GLS-Bank. Dazu meist zwei Ausgaben der Tweet-Sammlungen “Kurz und klein”, eine von “Gelesen, gehört, gesehen, gespielt” und dann noch vier von den Linksammlungen “Woanders”. Damit sind also schon 15 Tage bedient. Von den verbleibenden 15 werden sicherlich 5 mit eher kurzen Einfällen gefüllt, Bildern oder schnell notierten Dialogen, so dass ich nur etwa zehn klassische Blogeinträge im Monat schreibe. Glaube ich.

Zehn ist nun kein unmenschliches Pensum. Aber es ist doch so, dass man dauernd aufpassen muss, um genug Ideen verarbeiten zu können, ich schreibe ja nicht nur über Kinder. Da ich meistens über recht allgemeine Themen blogge, kann fast alles, was ich erlebe, höre, sehe usw. einen Eintrag ergeben. Das ist toll, weil man dadurch viel besser aufpasst, mehr nachdenkt und einen vergleichsweise reflektierten Alltag durchlebt. Das ist aber auch fatal, weil man dadurch völlig verblödet. Ich erkläre das mal an einem Beispiel.

Ich ziehe mir Schuhe an, dabei reißt mir ein Schnürsenkel. Die Söhne lachen sich kaputt über den Slapstick-Papa, die Herzdame macht abfällige Bemerkungen über rohe Gewalt und linke Hände, ich fluche, weil ich einen Termin habe, bei dem ich Anzug tragen möchte und daher genau diese Schuhe unbedingt brauche. Ich ziehe also erst einmal andere Schuhe an und stecke die Schuhe ohne Schnürsenkel in meinen Rucksack. Das sind gerade meine einzigen korrekten Anzugschuhe, die müssen mit. Dann geht die gesamte Familie einkaufen, das ist sowieso dran, da kann man auf dem Weg mal eben Schürsenkel kaufen, dann kann ich hinterher wieder die Schuhe wechseln.

Das Schnürsenkelregal im Drogeriemarkt ist überraschend groß, wer kann denn damit rechnen, dass es bei so banalen Dingen dermaßen viel Auswahl gibt? Schnürsenkel sind rund oder flach, dick oder dünn, aus verschiedenen Materialien und in verschiedenen Farben und natürlich verschiedenen Längen lieferbar, die anscheinend in der Anzahl der Ösen ausgedrückt wird. Aber was weiß ich denn, wie viele Ösen der Schuh hat? Ich zähl die doch nicht jeden Morgen nach. Das ist überraschend kompliziert, daraus kann man sicher einen Blogeintrag oder sogar eine Kolumne machen, schwant mir.

Also sehe ich mir den Rest des Regals genauer an und studiere die ganzen Packungaufschriften, vielleicht ergeben die noch mehr Ideen für einen Text? Dann hole ich einen Schuh aus meinem Rucksack und zähle die Ösen daran, eine Verkäuferin geht dabei milde lächelnd und kopfschüttelnd an mir vorbei. Ich überlege, was noch zum Thema Schnürsenkel gehört, da war doch neulich so ein Video mit Schleifen per Blitzmethode im Umlauf, wo war denn das noch? Das kann man sicher thematisch irgendwie verbinden. Außerdem habe ich gerade bei befreundeten Eltern gesehen, dass sie einen Übungsschuh aus Pappe oder Holz für ihren Sohn haben, so ein Modellding, daran soll er Schleifen trainieren. Warum man dazu einen Übungsschuh nimmt und keinen richtigen, es ist mir unerfindlich, andere Eltern sind aber sowieso die seltsamsten Wesen überhaupt, das muss dann auch irgendwie in den Text und vielleicht kann man irgendwie bei Bindung enden oder bei Schleifen, es ist ja vieles in Schleifen – und da dann einen Wortwitz hindrehen…

Währenddessen hat die Herzdame mir die Schnürsenkel aus der Hand genommen und wieder ins Regal gelegt. Sie hat die richtigen herausgenommen und zur Kasse getragen. Sie hat sie bezahlt, die Kinder wieder eingesammelt und angepfiffen, weil sie Überraschungseier eingedrückt haben. Dann ist sie mit den Söhnen an der Hand aus dem Laden gegangen, von wo aus sie jetzt in einem alarmierenden Tonfall nach mir ruft. Das ist mir aber alles entgangen, weil ich die ganze Zeit so dermaßen scharfsinnig und tiefgründig über Schnürsenkel nachgedacht habe, dass ich mit dem Gesichtsausdruck eines stumpf glotzenden Wiederkäuers sinnlos vor dem Regal stehengeblieben bin, andere Funktionen gerade nicht mehr verfügbar, bitte warten Sie bis der Prozess beendet ist.

“Ich war gerade in Gedanken”, sage ich zur Herzdame, die wissend nickt, mit diesem resoluten Betreuerinnengesichtausdruck, den ich an ihr gut kenne. Dann sagt sie irgendwas, was ich aber nicht mehr höre, weil mir gerade einfällt, dass diese Situation an sich ja auch ein Blogeintrag werden könnte, die absurd-fatale Logik im Alltag eines Bloggers, man achtet auf alles und eben dadurch merkt man gar nichts mehr, doch, das könnte ich auch einmal schreiben, das könnte gehen. Das wäre dann natürlich eine ganz andere Ebene als die Sache mit den Schnürsenkeln, aber das könnte man vielleicht verbinden und irgendwie am Ende auflösen, so eine überraschende Wendung kommt ja immer gut, aber das kann ich jetzt nicht mehr in allen Details ausführen, glaube ich.

Die Herzdame steht schon seit etwa drei Sätzen neben mir und sieht aus, als würde sie schon seit längerer Zeit auf mich einreden. Ich frage besser mal nach.

 

Apropos Kindergeburtstag

Da habe ich noch einen Tipp für Eltern oder andere, die für ein etwa vier Jahre altes Kind ein kleines Geschenk brauchen und weder eine Idee haben noch eine Ahnung, was schon im Haushalt vorhanden sein könnte.  Das Erraten von Spielzeugbeständen ist heikel, Geld schenken ist doof und Schokolade hat keinen bleibenden Wert. Was tun?

Einfach nach “Greifhilfe Senioren Alu” googeln, da gibt es auch schon Exemplare unter 10 Euro.  Das Ding sieht man auf den ersten Blick vermutlich gar nicht als Spielzeug, aber die Kinder lieben es mit großer Sicherheit. Und die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind so ein Gerät schon hat, ist eher gering. Abgesehen natürlich von den allerdings ziemlich nutzlosen und nervtötend hässlichen sowie schamlos überteuerten Plastikversionen der Geräte in sinnlos winziger Ausführung, die nach nur zwei Stunden auch noch so vorsichtigen Gebrauchs Schrott sind, eine typische Beilage in diesen grauenvollen billig-glitzernden Kinderzeitschriften mit grotesk schlechten Comics, unterirdisch niveaulosen Geschichten und geballtem Merchandising-Horror, von denen es mittlerweile gefühlte fünfzig verschiedene Titel gibt, einer ordinärer als der andere, die etwa ein Drittel aller Bahnhofskioske einnehmen und an denen die erlösende Printkrise zu meinem großen Bedauern anscheinend bisher komplett  vorbeiging. Es trifft eben immer die falschen. Wo war ich? Diese Beipackspielzeuge  liegen im Preis jedenfalls genauso wie die brauchbaren Modelle, die tatsächlich etwas aushalten.

Man sollte nur vorher vielleicht überlegen, was in der Wohnung aus Sicherheitsgründen auf höhere Regale sortiert wurde. Diese Greifer verlängern die Reichweite doch beträchtlich. Dafür sind sie ja da.

 

Was fehlt

Unbenannt

 

Es ist September, es frühherbstelt ein wenig, da stellen die Söhne fest, dass sie in dieser Wohnung ein eigenes Zimmer haben, voller Bücher, Buntstifte, Spielzeug und Stofftieren. Das kann man natürlich im Laufe eines ausgesprochen sonnigen Sommers glatt vergessen, wenn man immer nur draußen spielt, bis man ins Bett muss, das wird jeder verstehen. Ein paar Wochen ohne Regen und in der Vorstellungswelt der Söhne besteht diese Wohnung hier nur noch aus dem Kinderbett, einen weiteren Nutzen hat sie gar nicht mehr.

Der Regen fällt jetzt aber stetig auf die Dachfenster im Kinderzimmer, der Himmel ist grau  und sieht nicht aus, als würde er sich in Kürze wieder in ein strahlendes Blau wandeln. Die Söhne sitzen auf dem Boden und nehmen die Dinge aus den Regalen und Schränken in die Hand, als wäre alles neu. Das ist mit ein Grund, warum ich den Herbst so liebe: die Kinder spielen friedlich. Sohn I liest stundenlang halbvergessene Bücher und malt versonnen Bild um Bild, die Sonne der letzten Woche strahlt auf allen Blättern. Sohn II hat Lego für sich entdeckt und baut und baut. Er baut ein Haus, er mauert mit Feuereifer. Er reißt Wände hektisch wieder ein, weil er die Tür vergessen hat. Reißt sie dann nochmal ein, weil er auch die Fenster vergessen hat, so ein Bau erfordert eine umsichtige Planung, damit hat man es mit vier Jahren noch nicht so, auch wenn ich bei jedem Spaziergag durch die Hafencity mahnend den Finger vor der Elbphilharmonie hebe. Er sitzt zwischen den Legosteinen, die Zunge zwischen den Zähnen, hochkonzentriert. Es dauert wirklich lange, bis die Mauern gleich überall hoch sind, bis die Tür gerade eingebaut ist, die Fenster zu öffnen sind und ansprechend auf die Mauern verteilt.

Schließlich schiebt er mir das Haus stolz hin. “Guck, ein Haus. Fertig. Hab ich gebaut.” Ich sehe mir das Ergebnis an. Ein Haus mit vier Wänden, einer Tür und Fenstern. Ein Zaun davor, ein Garten, ein Baum, eine Blume. Alles super. Allerdings hat das Gebäude kein Dach. Das Dach ist natürlich besonders schwer zu bauen, aber das könnten wir ja gleich zusammen machen, denke ich. Ich sehe also demonstrativ von oben in das Haus hinein und frage ihn, ob da nicht etwas fehlt? Etwas, das bei einem Haus gar nicht so unwichtig ist? Und das bei unserem Haus auch angebaut ist? Der Sohn sieht mich ratlos an. Ich frage noch einmal, was da fehlt – jetzt, wo es doch so deutlich Herbst wird? Und dauernd Regen gibt? Es also nass wird, so von oben? Oft? Meine Hand fährt gestikulierend ins Innere des Gemäuers.

Er nimmt mir das Haus aus der Hand und sieht hinein. Denkt nach. “Hm?” frage ich dezent. “Ich weiß!” sagt er schließlich. “Da drin fehlt ein Schrank. Für all die Schlafanzüge, die man so hat.”

Es wird Herbst, seien Sie gewarnt. Wer jetzt keinen Schlafanzugschrank hat, baut sich keinen mehr.

 

Die Buddenborgs

Unbenannt

Wir haben Spielzeug zum Testen bekommen, das kann ganz manchmal unterhaltsam sein, finden natürlich insbesondere die Söhne. Ich sehe  mir so etwas auch dann an, auch wenn es nicht zu der Kategorie Spielzeug gehört, die ich normalerweise kaufen würde. Die Söhne sehen das sowieso anders als ich und da das hier ein Familienbetrieb ist, dürfen sie auch einmal mitentscheiden. Nicht immer, aber manchmal.

Es handelt sich diesmal um Battroborgs, das sind kleine Kampfroboter, die sich mit einer Fernsteuerung gegenseitig vermöbeln können, womit der Funktionsumfang schon vollständig umschrieben ist. Aber mehr muss ein echter Boxer ja auch nicht können, soweit ich das als Laie und Sportignorant  beurteilen kann. Wenn man die Kampfroboter in die mitgelieferte Arena setzt, ist das Spielzeug allerdings nicht mehr ganz so klein. Je nach häuslicher Situation könnte man das dann als “macht was her” oder als “steht im Weg” deuten, ähnlich wie bei den Großteilen von Playmobil. Besitzer der Polizeistation verstehen sicher, was ich meine.  Man kann die Roboter in die Arena setzen und dann nimmt man die Fernsteuerungen in beide Hände und schlägt in die Luft. Man kann die Fernsteuerung auch Controller nennen, das ist ersten cooler und gibt zweitens meinem Bürojob eine ganz neue Bedeutungsebene, warum nicht. Die Roboter übernehmen die Bewegung der Controller und hauen sich auf die Nuss.  Sogar ziemlich kräftig. Wenn sie sich treffen jedenfalls, das ist gar nicht so einfach. Die Schläge reißen die Figuren durch die Wucht auch nach rechts oder links, wenn man etwas übt, kann man sie so durch den Ring steuern. Ob das bei echten Boxern auch so ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Die Roboter kann man, wenn man das aus irgendwelchen nicht nachvollziehbaren Gründen möchte, auch minutenlang ins Leere oder gegen eine Wand schlagen lassen, das hat Rocky im Training auch immer gemacht, wenn ich es recht erinnere.

Je nachdem, wie oft einer von ihnen etwas aufs Visier bekommt, geht er k.o.. Er kann aber auch aus dem Ring geprügelt werden oder umfallen, das ist soweit also recht lebensnah. Jedenfalls soweit ich das als friedliebender Mensch ohne Erfahrung in diesem Sport beurteilen kann. Das Spielzeug macht einen Heidenlärm, weil die Fausthiebe mit dem dramatischem Sound metallischen Hämmerns unterlegt sind. Den Sound kann man nicht leiser stellen. (Hallo Spielzeughersteller! Alles, wirklich alles muss leiser gestellt werden können! Immer!) Wenn man selber spielt, sind die Geräusche völlig in Ordnung, wenn man aber gerade am Schreibtisch sitzt, während die Kinder daneben damit spielen, sind sie überhaupt nicht in Ordnung.

Auf dem Spielzeug steht, es sei ab sechs Jahren. Sohn II ist knapp vier Jahre alt und kommt damit auch schon bestens und mit Begeisterung zurecht, sein bester Freund auch. Jedenfalls wenn man ihnen das Laden und das Einschalten abnimmt.

Unbenannt

Wie ist das nun? Wenn ich die Söhne frage, dann ist das total super. Die Freunde der Söhne bestätigen ebenfalls: Großer Spaß. Wir haben das noch nicht wochenlang beobachtet, aber anscheinend macht das immer mal wieder zwischendurch für eine Viertelstunde Spaß. Der Spielspaß hält nicht wahnsinnig lange an, es ist aber doch immer wieder reizvoll, die Roboter mal eben anzuwerfen. Und Spiel bleibt übrigens Spiel, die Söhne haben bisher nicht angefangen, die Boxkämpfe mit echten Fäusten nachzustellen.

Unbenannt

Wenn ich die Herzdame frage: Auch großer Spaß. Das ist etwas überraschend, weil sie dem Spielzeug eher ablehnend gegenüber stand, aber es ist dann doch tatsächlich ganz lustig, die Dinger zuschlagen zu lassen. Man kann außerdem Bilder von sich auf die Visiere der Roboter kleben, das wird sogar in der Anleitung empfohlen, eventuell waren Paartherapeuten an der Entwicklung beteiligt. Wir können also einen Herzdamenborg und einen Maximilianborg basteln und dann etwaige Ehestreitigkeiten höchst effektiv auf dem Tisch und per Fernsteuerung regeln. Ohne verbale Anstrengungen, ohne Pattsituationen, ohne langes Schmollen. Immer feste druff und zack, schon hat einer gewonnen. Sehr effizient, so etwas.

Das haben wir selbstverständlich sofort genau so gestestet. An Gelegenheiten für Streit ist gerade wirklich kein Mangel, die Kindergeburtstage stehen unmittelbar bevor, da liegen die Nerven blank. Der Herzdame gelingen die Kuchen nicht richtig, während mich die Vorbereitung der  Schnitzeljagd intellektuell überfordert, eine fortgeschrittene Anspannung ist hier nicht zu leugnen.  Und die Methode funktioniert! Kaum hat man die beiden Roboter eingeschaltet, scheitert jeder Ehestreit an der Albernheit der Geräusche und der Situation, das entspannt den Abend ungemein.

Das und der Spaß der Kinder, das sind die ersten beiden Vorzüge des Spielzeugs. Aber positiv erwähnen muss man auch, dass ich jetzt die völlig irre Lache von Axel Schulz kenne. Und zwar aus diesem Filmchen von der Spielwarenmesse. Da ich sonst keinen Sport sehe, kannte ich das Lachen bisher noch nicht. Macht der das im Ring auch? Gewinnt er deswegen? Darf man das? Ist Boxen ein Fun-Sport? Lebt man am Ende generell glücklicher, wenn man so zuschlagen und so lachen kann? Da kommt man als Pazifist ins Nachdenken; so stürzt einen auch ein simpler Spielzeugtest in gedankliche Abgründe. Schlimm.

Unbenannt

Kompetenz

Kinder wissen, wann sie was können sollten. Ein Zweijähriger wird nicht versuchen, auf ein Fahrrad zu steigen, ein Dreijähriger ist nicht verzweifelt, weil er nicht lesen kann. Mit sieben Jahren hat man keinen Kummer, weil man Algebra nicht versteht usw. Kinder haben ein sicheres Gefühl dafür, wie entspannt sie bei diesen Themen sein können. Und sie wissen auch, wann sie nicht mehr entspannt sein können, wann sie dran sind und etwas passieren muss. Der Fünfjährige wird vehement aufs Fahrrad wollen, der Sechsjährige bringt sich das Lesen vielleicht sogar selber bei, der Siebenjährige wird sich schämen, wenn er nicht schwimmen kann – er weiß eben, dass es sein muss.

Als Erwachsener verliert man diesen Sinn für das Timing. Das ist eigentlich schade, nicht wahr? Wenn ich nur an zwei wichtige Meilensteine des menschlichen Lebens denke, an das Erreichen von Weisheit und Gelassenheit, so habe ich trotz mehrerer abgelaufener Jahrzehnte immer noch nicht die leiseste Ahnung, wann die wohl endlich für mich erreichbar sein werden. Ich bin weder gelassen noch weise, ich bin eher ein hektischer Wirrkopf, das aber gründlich. Wie lange muss ich warten, bis die nächste Phase dran ist? Und werde ich es dann so exakt bestimmen können, wie mein Sohn, der mit bemerkenswerter Präzision über seinen Zuwachs an Kompetenz Bescheid weiß?

Er saß auf dem Sofa und kämpfte mit dem widerspenstigen Knopf an dem Ärmel seines Hemdes. Ich sagte: “Himmel, du bist jetzt fast sechs, das musst du doch allmählich können?” Und er antwortete, ohne sich im Geringsten beirren zu lassen: “Papa, ich werde erst nächste Woche sechs. Ich werde es also nächste Woche können.”

Ich hatte auch gerade Geburtstag. Aber ich bin bisher nicht darauf gekommen, was ich jetzt mehr kann. Verdammt.

(Dieser Text erschien als Sonntagskolumne in den Lübecker Nachrichten und in der Ostsee-Zeitung)