Es ist bloß ein Trick

Einerseits war es überraschend und traf mich ärgerlich unvorbereitet, dass und wie mich dieser Montag unerwartet von hinten angefallen, brutal ins Alltags-To-Do-Gestrüpp am Wochenrand gezerrt und mich dort derart durchgenudelt hat, dass ich mir hinterher kurz geradezu trostbedürftig vorkam und mir einen Moment der Schwäche gönnte.

Andererseits bin ich aber erfahren genug, so etwas schlicht mit einem Mittagsschlaf zu heilen. Und war auch vor längerer Zeit ausreichend weise genug, also im Rahmen meiner eher bescheidenen Möglichkeiten, mein Leben so einzurichten, dass Mittagsschlaf möglich ist. Prioritäten, sie sind so wichtig.

Und, als Ergänzung zum stets wichtigen Bereich „Andererseits“, verfüge ich durchaus über Mittel und Wege, dem Monster Stress zu begegnen. Über mehrere verfüge ich sogar. Wie so ein Mensch, der alle Ratgeber gelesen und gut verstanden hat. Wie ein Mensch fast, der anderen raten könnte, jedenfalls hier und da. Ich nehme aber an, dass meine Lösungen nur für eine, wie sagt man, bemerkenswert eng gefasste Zielgruppe geeignet sind. Man muss am Ende wohl wie ich sein oder gar ich sein, um meine Methoden sinnvoll zu finden.

Und wer ist schon alles ich, nicht wahr.

Ich wollte nur eben sagen: Meine vor längerer Zeit schon entdeckte Vorliebe für das Wiederlesen von vor allem älteren Büchern, die mir erstens einmal etwas bedeutet haben und die zweitens auch darüber hinaus eine gewisse Bedeutung haben, in literarischer, philosophischer oder geschichtlicher Ausprägung, diese Vorliebe erweist sich immer mehr als überaus praktische und fast jederzeit anwendbare, dabei auch noch spottbillige Wellness-Maßnahme für stressige und wilde Zeiten.

Es ist eine Maßnahme, die schon unsere Vorfahren eingeführt und lange Zeit durchgetestet haben. Und nun denke ich, sie wussten tatsächlich, was gut war. Auch wenn sie natürlich nur mangels anderer Möglichkeiten darauf verfallen sind.

Einfach diesen Roman noch einmal anfangen, das Standardwerk, das man schon mitsingen kann, oder den Gedichtband erneut aufschlagen, in dem einen nichts mehr überraschen kann. Vom bloßen Deep Reading unserer Jugend zum Very Deep Reading des älteren Erwachsenen also. Es wirkt bei mir. Ich kann mir, auch wenn Sie das Beispiel vielleicht gleich ein wenig albern finden werden, zum zwanzigsten Mal eine Stelle von R. L. Stevenson durchlesen oder vorlesen lassen, etwa den Anfang der Schatzinsel, und ich entkomme schon nach wenigen Minuten auf seltsame Art der Geschwindigkeit und auch den Belastungen unserer Zeit.

Es hat etwas an sich, dieses Wiederlesen, das den Moment verstetigt und die Stunde neu chronifiziert. Als würde die digitale Anzeige der Uhrzeit am Bildschirmrand gegen das langsam schwingende Pendel einer alten Standuhr getauscht.

Es ist bloß ein Trick. Aber es ist eben ein Trick, der funktioniert. Und was ist am Ende nicht nur ein Trick, wenn wir alle unsere schlau zusammengesuchten Maßnahmen zur Lebensbewältigung einmal kritisch inspizieren. Aber wo kommt man da gedanklich hin, wir müssen hier abbiegen.

Eine Straße am Hamburger Hafen im Nebel

Eine Geschichte lese ich jedenfalls, in der uns jemand etwas erzählt. Der dabei berichtet, dass er eine Geschichte gelesen hat, in der wiederum eine Geschichte erzählt wurde, in der jemandem erzählt wurde, dass es da eine alte Geschichte gibt, die sich aus verschiedenen Berichten zusammensetzt, und zwar wie folgt …

Das ist die Anfangskonstruktion von Storms Schimmelreiter, das ist der einigermaßen grandios konstruierte Einstieg. Ich sehe mir die Seiten noch einmal an, weil ich diesen Anfang besonders gerne mag, auch weil ich Theaterkarten für das Stück habe, das auf dem Roman beruht, und weil ich schließlich denke, dass Storm einfach nicht genug für dieses Konstrukt gewürdigt worden ist.

Dieses Erzählkonstrukt, bei dem er hoffentlich einen Heidenspaß gehabt hat. Und bei dem wir uns vorstellen können, wie er da in seinem Arbeitszimmer in Husum saß und vielleicht – genau wie ich eben! – diese Ebenen der Rahmenerzählungsverschachtelung zwischendurch noch einmal absichernd an seinen Fingern abgezählt und dann zufrieden genickt hat.

Dann geht es wieder. Wenn ich gedanklich erst bei so etwas gelandet bin, dann wird fast alles wieder etwas einfacher und auch langsamer. That was easy!

Und ich habe auch nur ein paar Jahrzehnte gebraucht, um diese feine Methode der Entspannung zu finden und um sie souverän und fast jederzeit anwenden zu können.

Geht doch.

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Korrekturbedarf und kulturelle Verluste

Am Wochenende hatte ich unerwartet gleich zweifach mit dem Kolonialismus zu tun.

Denn zum einen sah ich, weil Ghana gerade in einem meiner Texte vorkommt, noch einmal nach, warum es eigentlich so viele Menschen aus Ghana in Hamburg gibt. Es ist die mit Abstand größte Gemeinde aus Afrika in dieser Stadt, es wird also eine Geschichte geben. Die Erläuterungen dazu führten dann bis zum Stichwort „Goldküste“, bis zur Kolonialzeit und bis zum Kakaohandel. Das ist zwar nicht die ganze Erklärung, aber sie erklären die Anfänge des Phänomens. Ich las dann eine Weile in den Informationen zu dieser nachwirkenden Vergangenheit.

Zu anderen, und da wird es radikal gegenwärtig, sah ich mir Videos zu agentischer Software an, also zum aktuellen Hype in der KI-Industrie. Diese Videos waren, wie es nun üblich wird, teils automatisch synchronisiert. Es schnarrten also teils etwas leblos wirkende deutsche Stimmen in großer Eile den Text herunter. Sie sprachen streckenweise stakkatomäßig, weil sie mit der Geschwindigkeit der englischen Tonspur mithalten mussten. Zwischendurch klang es wie damals das Vorspulen beim Anrufbeantworter, die Älteren erinnern sich wohl (was wir alles erlebt haben!).

Im Englischen heißen diese teils autonom agierenden Softwarevarianten Agents, und wenn man ein vollautomatisiertes Synchronsprechprogramm ist, dann versteht man dieses Wort nicht so gut, wie ich an diesem Nachmittag lernte. Dann spricht man vielleicht nicht, wie es im Deutschen korrekt wäre, von Agenten, sondern von Asiaten. Asians, Agents, da kann schon einmal durcheinanderkommen.

Weswegen mich diese Clips also in einer unfassbar trockenen und sachlichen Manier, die in fatalster Weise an den berühmten Mai-Ling-Sketch des Großmeisters Gerhart Polt erinnerte, lapidar darüber informierten, dass ich gewisse Arbeiten künftig auch durch meine eigenen Asiaten ausführen lassen könne. Die ich dann auch erziehen könne. Denen ich aber immer genaue Anweisungen mitgeben müsse und für deren korrektes Verhalten ich dadurch zu sorgen haben werde: „Ihre eigenen Asiaten werden nur machen, was Sie wollen.“

Man kann das erheiternd finden, der Rückblick zu Herrn Polt ist tatsächlich mit einer gewissen Dringlichkeit geboten. Man kann aber auch kulturkritisch feststellen, und Jüngeren wird es vielleicht ebenso unnötig wie auch unangenehm boomerhaft vorkommen, dass diese Fehler in den Tonspuren immer weiter vorkommen werden. Dass sie vermutlich niemand jemals korrigieren wird. Denn diese Art von Korrekturschleifen ist in künftigen Systemen schlicht nicht mehr vorgesehen, wie wir jetzt schon gut erkennen können. Solche Fehler sind dann einfach so, werden einfach so sein. Allgemeines Schulterzucken, fertig.

Wobei wir aber, das immerhin können wir durchaus für möglich halten, vielleicht im obigen Sinne bald alle unsere eigenen Asiaten haben werden, es gibt ja genug davon, die solche Fehler, die uns vehement und nachhaltig stören, aus unserer Online-Erlebniswelt einfach ausbauen werden. Noch bevor wir sie sehen oder hören können.

Okay.

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Kreideschrift auf dem Pflaster: "Be Wise"

Dieser Pflasterschriftzug kommt hier übrigens gerade in -zig Versionen im Stadtteil vor, ich habe Vorrat für viele Gelegenheiten.

Im etwas weiteren, aber doch gerade noch ableitbaren Zusammenhang empfehle ich Ihnen mit einer gewissen Dringlichkeit noch einen Podcast. In dem es schon wieder darum geht, dass wir ja nichts hatten, wir Älteren. Wir hatten nicht einmal Deep Reading. Denn unser damaliges und höchst gewöhnliches Lesen, das ist nun auf einmal das neu verschlagwortete Deep Reading von heute.

Was dann dazu führt, dass die Jüngeren um uns herum immer noch gründlicher anders ticken, als wir es ohnehin schon wahrzunehmen meinen. Sie denken auf eine fundamentale Art anders. Worüber ich mich gar nicht aufrege, Geschichte geht nun einmal weiter, aber vom Staunen hält mich diese Erkenntnis doch nicht ab.

Ein Thema jedenfalls, das kaum in seiner ganzen Bandbreite zu ergründen sein wird, aber interessant ist es allemal: „Lange Texte lesen und verstehen – wofür brauchen wir das noch?“ Der Titel ist ein wenig irreführend, es geht um wesentlich mehr. 30 Minuten Kultur-Doom am Montagmorgen, ich hatte auch schon einmal ein besseres Timing, ich weiß.

Für morgen dann doch einmal etwas Positives für den Tagesanfang finden. Da ginge vielleicht die Szene mit Ghana im Text. Ich schreibe einmal probeweise weiter daran.

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Als hätte man sonst keine Probleme

In den SRF-Kultur-Sternstunden gab es ein Gespräch mit dem Philosophen und KI-Experten (das muss eine attraktive Visitenkarte sein in diesen Zeiten) Christian Uhle zu KI, zu ethischen Fragen und zu unserer Zukunftsgestaltung. In der ersten Hälfte ist die Sendung vielleicht nicht so anregend, wenn man vom Thema schon etwas oder auch mehr weiß. Später findet man aber noch Stellen zum Weiterdenken. Zumindest ging es mir so. Hier der Link zu YouTube, es sind 58 Minuten.

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Wenn wir schon bei Zukunftsfragen, beim Großen und Ganzen sind: Auf arte sah ich eine Sendung zum Zustand: „Ist die Welt besser als wir denken?“ (29 Min.). Die ich interessant fand, weil es, auch wieder erst in der zweiten Hälfte der Sendung, um ein Phänomen ging, das uns jetzt immer häufiger begegnet. Das Unvermögen nämlich, allgemeine Verschlechterungen erkennen oder auch nur zugeben zu können, oft unter Berufung auf Hans Rosling (Wikipedia-Link). Dessen Kernaussage man offensichtlich dermaßen gründlich abgespeichert und verinnerlicht hat, dass die an sich nicht so schwere Erkenntnis, dass selbst in einer komplett dystopischen Welt immer noch einzelne Kennzahlen stetig besser werden können, und dass selbst in einer vielleicht nach wie vor besser werdenden Welt immer noch erhebliche Rückschritte möglich sind, nicht mehr zum bewussten und erlaubten Gedanken werden kann. Obwohl wir einigermaßen zweifellos gerade bei mehreren eher tragischen Rückschritten live zusehen können.

Es gibt da manchmal eine seltsame Denkverweigerung in Bezug auf die Anerkennung der aktuellen Realität, auch bei Menschen mit erheblichem geistigen Potential, die ich mittlerweile dezent verstörend finde.

***

Ich bleibe noch kurz bei düsteren Prognosen, pardon. In der WDR-Reihe „Neugier genügt“ gab es ein Interview (23 Min.) mit Martin Andree, der ein Buch „Krieg der Medien“ (Verlagslink) geschrieben hat. Es geht wieder um die Macht der Plattformen, um Dark Tech und um die Risiken für die Demokratien. Schweres Thema, aber unterhaltsam vorgetragen, der Mann spricht sehr gut. Und informativ, versteht sich. Das Interview kann man mit dem neulich verlinkten Gespräch mit Katharina Borchert (hier war das) hervorragend in Verbindung bringen.

***

Wir brauchen hier allmählich einen positiven Aspekt, nicht wahr. Den ich diesmal ebenfalls im Kontext KI anbringen kann, was vielleicht überrascht.

Das hat aber einen Hintergrund, den man auch einmal kurz bedenken kann. Wenn man sich nämlich die aktuellen Großkrisen der Menschheit gerade im Geiste aufzählt … ich entwerfe mit großer Geste einmal einen möglichen Katalog:

Also etwa die apokalyptisch anmutende Abfolge von Klimakrise, Massenaussterben, alternden Gesellschaften, rapide zunehmender sozialer Ungleichheit, fast global erfolgreichem Rechtspopulismus, ansteigenden Pandemierisiken, geopolitischer Instabilität und Kriegen, KI und technologischen Disruptionen, schließlich die meist unterschätze, aber doch weiter Fahrt aufnehmende Auflösung von sozialen Verbindlichkeiten, von kollektiv anerkannten Regeln, geteilten Wahrheiten, Informationen und Annahmen sowie allgemein des Wir-Gefühls – hier vielleicht kurz Luft holen -, so ist die KI auf den ersten Blick der einzige Punkt in dieser charmanten Aufzählung, bei dem uns bereits nach kurzer Bedenkzeit auch positive Aspekte und Möglichkeiten einfallen können.

Neben den bekannten und vieldiskutierten Risiken, den Gefahren, den finsteren Verlockungen, den Abgründen.

MIT KI kann man recht eindeutig auch Ziele erreichen, die wir für erstrebenswert halten wollen. Wobei die Medizin immer das naheliegendste Beispiel ist. Mit dem Rest der Posten aus der Liste oben erreichen wir eher nichts Positives, nehme ich an. Oder zumindest nicht im Sinne einer Intention.

Ein beschädigter, aber noch lesbarer Aufkleber an einem Stromkasten: "Kein Mensch muss Nazi sein."

Lange Vorrede, und dann geht es im folgenden Link aber „nur“ um die öffentliche Verwaltung, werden Sie vielleicht gleich denken. Aber es geht auch um Greifbares und Erreichbares, also um wichtige Aspekte. In der ARD-Audiothek habe ich einen Podcast gehört (37 Min.), den ich Ihnen ausdrücklich wegen der konstruktiven, fast schon heiteren Stimmung des Gesprächs empfehlen möchte. In dem geht es um die Möglichkeiten, mit KI Ämter zu verbessern und die Prozesse dort zu verändern, neu zu erfinden oder zu beschleunigen. Was mich auch beruflich interessiert, was ich ohnehin für ein gutes Thema halte. Denn Prozessverbesserung, da stehe ich drauf.

Ich fand es geradezu mitreißend, wie das vorgetragen wurde. Was für mich als das Immerhin des Tages durchgehen kann, welches damit wieder und trotz allem gefunden wurde. So dass wenigstens im kleinen Rahmen dieses Textes doch noch alles gut enden kann.

Was höchstens mit Musik weiter zu steigern ist, und auch da habe ich etwas Neues gefunden. Gut geeignet für das dezente Fingerschnippen am Sonntag ist der folgende Clip, als hätte man sonst keine Probleme.

Rufus Wainwright does Weill und singt in deutscher Sprache (hier auch als Link):


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Das Feuilleton ist irgendwo da draußen

Dass sich die Nachrichten, vor allem jene, die für die Top-Schlagzeilen sorgen, in unserem Alltag spiegeln, habe ich oft beschrieben oder fotografiert. Passende Demos zum Weltgeschehen gibt es hier manchmal, passende Graffitis an den Wänden oder Aufkleber an den Ampeln. Dialogszenen mit korrekt gesetzten Stichwörtern höre ich manchmal. Oder ich erlebe andere Momente, in denen sich Politik- und verwandte Themen plötzlich bemerkbar machen. Momente, in denen man vielleicht kurz denkt, ach guck, das gehört doch zu dieser oder jener Nachricht. Gerade erst habe ich es gelesen, und dann gleich das. Passt ja wieder.

Meist sind es die Meldungen aus dem Politikteil, die sich so abbilden. Manchmal auch die aus dem Wirtschaftsteil oder aus dem, was im weitesten Sinne unter Lifestyle und Unterhaltung fällt. Das gute alte Feuilleton dagegen ist nicht eben oft vertreten – gestern kam es bei mir aber doch einmal vor.

Da stand nämlich eine zu beschreibende Frau in einer der großen Einkaufsstraßen in der Innenstadt. Im mäßigen Gedränge stand sie, in der freitagfeierabendlichen, wimmeligen Unruhe der Großstadt, in der sich alles für die kommenden Tage zurechtsortierte und wochenabschließende Einkäufe tätigte. Vor einem Schaufenster stand sie dort, Herbstmode in den üblichen Brauntönen darin, aber das ist egal. Nicht dicht daran stand sie jedenfalls, sondern gerade so weit davon weg, dass sie doch recht eindeutig zahllosen eilenden Menschen im Weg herumstand. Was sie aber nicht weiter bemerkte, denn sie las, und zwar hochkonzentriert. Wozu wir jetzt reflexmäßig im Chor aufsagen können: „Das gibt es ja heute kaum noch.“

Mit hochgeschobener Brille, die in ihrem angegrauten Haar saß, las sie, und mit einem leicht nach hinten geneigten Kopf. Mit dieser Haltung also, die man von Leuten kennt, die nicht die richtige Lesebrille dabeihaben, und die daher ab und zu auch mit leicht ruckelnden Bewegungen die Entfernung der Augen zum Text beim Lesen neu austarieren.

Ich glaube, ich kann ihre Erscheinung treffend und abkürzend skizzieren, wenn ich behaupte, dass Anke Engelke, würde sie in einem Sketch eine strenge Deutschlehrerin oder Bibliothekarin spielen, so aussehen würde wie diese Frau.

Ich nehme jedenfalls an, sie gewinnen bei diesem Gedanken eine Vorstellung bis hin zur Farbe der Strickjacke und zur Frisur, und passend dazu guckte die Frau auch. Kritisch wäre als Beschreibung hierbei deutlich zu milde, sie sah die Blätter eher schon mit Verachtung an. Mit Entsetzen vielleicht, mit dem dringenden Wunsch nach einem Rotstift womöglich auch. Und alle paar Sekunden schüttelte sie den Kopf.

Natürlich kann das aber gründlich täuschen, sie muss das Buch nicht schlecht gefunden haben, da muss man wieder aufpassen, was man bezeugt. Es ist nicht auszuschließen, dass sie vielleicht den Text großartig, nur das Verhalten einer Figur oder eine einzelne Szene nicht gut fand, einen Abzweig der Handlung. Das Bild lässt uns Möglichkeiten. Es war, um das noch eben abzurunden, keine Buchhandlung weit und breit. Die Frau stand und las dort vollkommen kontextfrei in ihrem Buch.

Welches sie freundlicherweise so hielt, dass ich es erkennen konnte. Es war von Caroline Wahl (Wikipedia-Link), und zwar war es der neueste Roman von ihr.

Zu Caroline Wahl habe ich nun keine Meinung, ich habe auch kein Buch von ihr gelesen. Ich habe nur am Rande und ohne die Artikel zu lesen mitbekommen, dass es in den Feuilletons gerade wieder hoch hergeht und man an etlichen Stellen meinungsfreudig diskutiert, was sie schreibt, wie es zu bewerten und vor allem wie es einzusortieren sei. Unter Berücksichtigung der Aussagen der Autorin zu allem wird das diskutiert, wobei an ihren Einlassungen auch kein Mangel besteht, wenn ich es im Überflug richtig registriert habe. Ich habe aber auch das nicht mit Interesse verfolgt.

Gewiss aber sellt sie ihre Bücher best. Die Geschichte hat also immerhin eine Gewinnerin, was schon einmal gut ist, zumal es dabei um vermutlich gut bezahltes kreatives Schaffen geht. An dieser Stelle könnten wir den Text vom Chor vorhin glatt noch einmal aufsagen, nicht wahr, und wir würden nicht falsch liegen dabei.

Kreideschrift auf dem Pflaster: Be Best

Ob unsere Leserin vor dem Schaufenster dieses Buch mit Gewinn las, das lässt sich nicht aufklären. Am Ende war es die Feuilletonchefin einer vormals großen deutschen Zeitung, wer weiß. Wobei mir dieses „vormals“ mittlerweile auf sämtliche Zeitungen zuzutreffen scheint, also keine bestimmte meinen oder dissen soll.

Vielleicht nahm da jemand gerade Anlauf für einen weiteren Grundsatzartikel zur Literaturklassifizierung, das mag sein. Oder für eine heftige Kolumne, für einen gnadenlosen Verriss, für ein kontrapunktisches und enthusiastisches Lob. Ich weiß es nicht, wir können nur raten.

Ich stellte dort nur im Vorbeigehen fest: Auch das Feuilleton findet also da draußen statt. Und ich dachte mir dann weiter, dass ich es im Prinzip erfreulich finden möchte.

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Leave me alone

Aus der beliebten Reihe „Kein Tag ohne Demütigung“: Ich personalisiere im Büro eine KI dergestalt, dass sie mir bitte als gestandene Projektmanagerin mit viel Berufserfahrung antworten soll. Nach einigem Hin und Her zu einem brotberuflichen, eher abgedrehten Fachthema stellt sie in bemerkenswert trockenem Tonfall fest, dass meinen Fragen typischerweise (!) Kontextparameter fehlen würden und ich also offensichtlich kein Projektmanager sei. Sie würde aber dennoch stoisch immer weiter …

Okay, denke ich. And so it begins.

Kreideschrift auf dem Pflaster: Hallöchen Popöchen

***

Man sollte doch ernsthaft mehr an andere Inhalte denken. An analoges Zeug, das einem nicht widerspricht (oder doch nur auf eine höchst indirekte Art, indem es etwa später dezent nachwirkt) und einen auch nicht frontal bewertet. An alte Bücher und Lieder sollte man mehr denken, an Gedichte vielleicht, an Kunstwerke, Kirchenbau und dergleichen. Wenn nicht sogar an Natur und Sonnenuntergang.

Und vielleicht auch für ein, zwei Stunden eine schnurrende Katze oder einen sanft schnarchenden Hund mieten und diese dann zur Beruhigung neben sich legen, bis sich von Fell zu Mensch etwas von diesem süßen „Mir doch egal“ überträgt. Wenn es einen solchen Mietservice für Entspannungstiere überhaupt schon gibt. Und wenn nein, warum nicht.

Der September ist währenddessen fast vorbei. Ich bemerkte es gerade erst beim Nebenbeiblick auf den Kalender am Bildschirmrand mit etwas wehem und auch ungläubigem Staunen. Beinahe hätte ich vor lauter Beschäftigtsein in diesem Jahr sogar eine meiner wichtigen Herbst-Hymnen ausgelassen. Und so geht es ja nicht.

Den schwedischen Cowboy, den Lee Hazlewood also, den nehme ich wenigstens noch mit. Bevor es unvermittelt heranoktobert, bevor die Kontextparameter (jaha!) wieder andere sein werden und der Herbstanfang auch schon zur Vergangenheit gehören wird. Bevor wir auf dem Spielplan wieder weitergerückt sein werden.

Auch wenn ich inhaltlich in diesem Jahr sicher nicht an seinen Text anschließen kann. Denn das werde ich schwerlich so ausleben können, obwohl die Lust darauf stark anstieg in den letzten Tagen einer etwas wuschigen Woche. Was sie nur unzureichend beschreibt. Wild war sie, wenn nicht wahnhaft, wirr und toll in einem altmodischen Sinne.

„Hang me a hammock between two big trees
Leave me alone, dammit, let me do as I please.”

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Enden aller Art

Die Schlüssel und den Zugangschip zum Büro in Hammerbrook habe ich abgegeben, Kapitelende. Das war es dort. In drei, vier Wochen geht es am neuen Standort weiter, ich werde berichten. Die alte Adresse wird mir sicher nicht fehlen, und taugt vermutlich auch in der Zukunft so gar nicht für die Ausbildung nostalgischer Gefühlslagen.

Hammerbrook war und ist, wie kann es auch dreht und wendet, eine betont unromantische Ecke der Stadt. Am bewegendsten fand ich dort noch das Wissen, dass die zur Bauzeit so futuristisch gemeinte S-Bahn-Station dort steht, wo bis zum Zweiten Weltkrieg die Kirche des damaligen Arbeiterstadtteils stand, St. Annen. Die Bahnen halten, wenn man die Zeiten einen Moment lang für durchlässig wie in einem Fantasyfilm halten möchte, im Kirchenschiff. Man steigt vielleicht über dem Altar aus.

Die S-Bahn-Station Hammerbook, das Gleis mit dem roten Überbau

Aber ansonsten hat mich, um es mit Ringelnatz zu sagen, in Hammerbrook nichts weiter erregt oder betrübt. Wobei es in dem Gedicht, auf welches ich mich dabei gerade beziehe, „Karpfen“, noch zwei Zeilen gibt, die mittlerweile auf einige Kollegen und mich anwendbar sein dürften. In unseren letzten Jahren vor dem Renteneintritt.

Ich nehme hierbei aufgrund einer sicher etwas altmodisch anmutenden Höflichkeit die Kolleginnen der gleichen Altersgruppe ausdrücklich aus:

„Äußerlich etwas ausgefranst, abgewetzt –
Scheinen sie inwendig
Doch recht lebendig.“

Es enden auch im unblogbaren Bereich in dieser Woche gleich mehrere Handlungsstränge, auch bedeutende sind darunter. Was sind das wieder für merkwürdige Zusammenhänge, es scheint ohne mein direktes Zutun eine gute Woche für Enden aller Art zu sein. Und wenn man so etwas schon feststellt, sollte man dann nicht vielleicht mit aufräumlustigem oder gar aufbruchorientiertem Blick durch Wohnung und Lebenssituation gehen und alles einmal scharf ansehen?

Nach dem Schreiben dieser Zeilen rüstete der Autor dann immerhin spontan seinen Kleiderschrank auf Herbst und Winter um und hängte Sommersachen weiter weg. Immer irgendwo anfangen, nicht wahr. Er sortierte dabei auch alte Kleidung aus, kaputte Socken, Hemden und dergleichen. Er fühlt sich jetzt allerdings wahnsinnig im Flow und muss für den Rest der Woche wirklich gut aufpassen, nicht mutwillig Weiteres zu verräumen, zu kündigen oder final abzuschalten.

Wenn man schon dabei ist.

In einem Paralleluniversum, siehe Fantasyfilm, erscheint dieser Text heute gar nicht, weil bei dieser Gelegenheit auch gleich das ganze Blog gelöscht wurde und fortan noch viel mehr verändert wurde. Das alte „Ich kann auch anders“, nur mit Druck und Schwung umgesetzt. Aber zumindest dieser Handlungsstrang geht in unserem Universum vorerst wie gewohnt weiter, keine Sorge. Ich sehe nur Szenen und Möglichkeiten vor mir und winke sie lässig durch, das ist geistig vermutlich noch im gesunden Bereich.

Hofft man dann so.


***

Aber apropos Handlungsstrang. Noch passend zur gestern erwähnten KI hörte ich ein Podcast-Interview mit einer Frau, die man eigentlich ebenso reflexmäßig wie sachbuchartig mit „deutsches Blog-Urgestein“ anmoderieren müsste, aber es kommt mir doch arg uncharmant vor und wird unserer Freundschaft auch nicht gerecht. Eine eher schwierige Bezeichnung. Wer möchte schon Urgestein sein und als Fossil betrachtet werden.

Katharina Borchert jedenfalls, die auch an diesem Blog ganz und gar nicht unschuldig ist, es vielmehr damals vor unendlich langer Zeit direkt verursacht hat, spricht hier im empfehlenswerten Podcast „Frauen und Technik“ im Gespräch mit Svea Eckert und Eva Wolfangel ab Minute 21 über die Lage im Silicon Valley. Auch über die Lage der Demokratie in den USA und bei uns, und man ahnt da schon, die Laune hebt das wieder nicht.

Schnell zurücksehen also auf die eben zitierten Ringelnatz-Zeilen und hoffen, dass dieses „inwendig lebendig“ auch auf Demokratien anwendbar sein kann.

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Von Keyserling zu KI, morgendliches Herumdenken

Ich sollte vielleicht überlegen, ob der gestern auf der Müslipackung präsentierte Slogan „Weniger Inhalt – gleiche Qualität“ nicht in einem gewissen Sinne auch auf Bürostunden, Werktage und Berufsjahre anzuwenden sein könnte. Alles immer möglichst komplett durchdenken! Also zumindest versuchsweise.

Ich sah in einem etwas weiter gefassten Zusammenhang mit milder Heiterkeit einen Artikel über „AI-Workslop“. Ein Begriff, den man demnächst sicher auch in Ihren Teammeetings gut unterbringen kann, falls solche in Ihrem Alltag überhaupt vorkommen. Es geht um das KI-bedingte und ausdrücklich unproduktive Verdödeln von Arbeits- und Lebenszeit:

AI slop is taking over workplaces. Workers said that they thought of their colleagues who filed low-quality AI work as „less creative, capable, and reliable than they did before receiving the output.

Wir klicken uns also einen Wolf und scrollen sinnlos im Kreis, wir installieren mit enormen zeitlichen Einsätzen überkomplexe Softwaregebilde. Die am Ende zu wenig können. Die dabei zu viele Fehler machen und sowieso in drei Wochen von rasenden Neuerungen überholt sein werden. So in etwa.

Ja, ja, so ist das bei technischen Änderungen. So war es auch immer schon und ich nehme an, diese Phase gehört schlicht dazu und lässt sich auch historisch bestens belegt x-fach nachweisen. Bei einem ganzen Katalog von technischen Neuerungen. Man hat sicher schon bei den ersten halbautomatisierten Webstühlen viel zu lange für das Einrichten gebraucht. Wie man dann später wusste. Was allerdings nicht ausschließt, dass bei der aktuellen Entwicklung gar keine anschließende Besserung eintritt.

Es ist unbewiesen, wait and see.

Kreideschrift auf dem Pflaster: "KI macht arbeitslos - wird Zeit!"

Wobei denjenigen, die Künstliche Intelligenz (oder was wir gerade so nennen) aus welchen Gründen auch immer gerade kritisieren oder zumindest mit abwartender Skepsis betrachten, in den deutschen Medien oft mit kölschem Tiefsinn begegnet wird. Also mit „Et hätt noch immer jot jejange“. Nichts gegen Kölner Weisheiten, aber mir ist das doch etwas zu wenig als Einwand gegen die teils bestens fundierte und kaum zu ignorierende Kritik.

Wir sind bei diesem Thema aber ohnehin wieder bei einem kollektiven Definitionsproblem: Was ist wirklich „besser“ und sehen wir das alle gemeinsam so.

Ich hörte in einem Podcast gestern etwa das wilde Statement, dass Smartphones und soziale Medien der Gesellschaft nicht geschadet hätten. Das halte ich für mindestens diskutabel, was noch milde ausgedrückt ist, aber es wäre vermutlich eher schwierig, darüber sinnvoll zu reden. Weil wir uns auf die gedanklichen Grundlagen, die man für solche Befunde braucht, kaum noch einigen können.

Es gibt dazu, aber das ist nur ein kaum noch weiterführender Nebengedanke, einen schönen Satz vom sehr geschätzten Eduard von Keyserling, aus seiner Erzählung „Seine Liebeserfahrung“: „Definitionen stimmen nie, aber sie beruhigen.“

Da ist tatsächlich etwas dran, denke ich. Um auch meinerseits ein wildes Statement beizusteuern, denn das macht man jetzt so: In der Lebensspanne meiner Generation sind enorm viele abstrakte Begriffsinhalte aus der Ethik, Philosophie, Morallehre und Religion, überhaupt aus den Geisteswissenschaften und Deutungslehren, nennenswert unverbindlicher geworden.

Fast im wörtlichen Sinne – sie halten uns nicht mehr zusammen. Siehe Freiheit, Glück, Ausgewogenheit, Wohlstand, Demokratie usw. Und das macht unseren Diskurs, ich bitte um Verzeihung für den gründlich aus der Mode gekommenen Ausdruck mit übrigens interessanter Herleitung, nicht eben einfacher.

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Zwischendurch aber immer wieder auch die Gedanken aus den USA, auch hier, einen Tag später.

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KI, Dekokisten und Klimbim

Gestern erwähnte ich die Teuerung, die eskalierenden Preise im Supermarkt. Am Nachmittag sah ich dann auf einer frisch erworbenen Müslipackung die nahezu perfekt passende Bildergänzung dazu. Zwei Zeilen, über die beruflich textende Menschen womöglich lange nachgedacht haben. Ich kann mir das Brainstorming dazu in leider fast unangenehm deutlicher Stromberg-Qualität vorstellen:

Aufdruck auf einer Packung: "Weniger Inhalt. Gleiche Qualität."

Und alle Konsumentinnen so: „Yeah.“

Falls ich einmal dazu übergehen sollte, nur noch kürzere Artikel oder so etwas wie Tages-Haikus zu bloggen, ziehe ich mir dieses Bild einfach in den Header. Das schon einmal vormerken.

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Am Wochenende habe ich ansonsten viel Zeit mit Neugier und Lernen verbracht, Stunden um Stunden. An so einem Wochenende ist ja auch nicht viel dran, wie Ihnen vermutlich ebenfalls aufgefallen ist. Es ist in der Regel kürzer, als ein durchschnittlicher Kaninchenlochgang lang ist. Man interessiert sich am Sonnabendmorgen für irgendetwas und zack, ist es bereits Sonntagabend und man hat einiges von dem ganzen anderen Zeug, welches das Leben lästigerweise nahezu pausenlos bereithält, nicht gemacht und weiß auch schon, es wird sich rächen.

Es ging jedenfalls erneut um KI, ich bildete mich beflissen fort und immer weiter. Denn ich habe doch einen gewissen Ehrgeiz, mich dabei halbwegs auszukennen und dranzubleiben. Schon um auch bei den überaus einleuchtenden Gegenargumenten, von denen es immerhin etliche gibt, eher kundig zu sein als nur pauschal ablehnend. Was aber bei manchen Argumentationslinien auch legitim sein könnte, schon klar.

Jedenfalls stößt man, wenn man es sehen möchte und nicht konsequent und wie fast alle gerade ignoriert, bei vielen Ergebnissen der Standardmodelle schnell auf den Aspekt Bias, Verstetigung von Vorurteilen etc. Man kann es wirklich leicht selbst bestätigen, dass es so ist.

Dazu hörte ich eine Sendung im Deutschlandfunk, die das plausibel und einleuchtend darstellt: „Wie künstliche Intelligenz Rollenbilder zementiert.

Eine innovative Technik, Disruption und alles, mit einer erzreaktionären, traditionstümelnden Wirkung. Es ist doch staunenswert.

Aber apropos Tradition. Die Kaltmamsell hat, einem uralten Ritual folgend, ihre Stadt wieder wegen des Oktoberfestes verlassen. Was mich dazu bringt, zumindest kurz zu notieren, dass dieses Fest hier auch immer weiter um sich greift. Und zwar in einer Plastikversion irgendwo zwischen Ramsch, Jugendzentrumparty und Karneval. Immer mehr Schaufenster zeigen auch in Hamburg nun Trachten, Dirndl etc., meist in billigsten Abklatschversionen, dazu etliche blauweiße Versatzstücke und Brezeln, Bierkrüge etc. Es ist ein wenig wie beim Schlagermove, am Ende lässt sich auch dieses Fest auf lediglich eine Handvoll Ausrüstungsgegenstände und eine handliche Dekokiste mit dem üblichen Klimbim reduzieren.

Siehe dazu auch Weihnachten, das man bald schon wieder aus dem Keller holen kann.

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Ein Update zum am Sonntag erst verlinkten Thema KI und Schule reiche ich zusätzlich nach. Denn der in Elternkreisen sicher weithin bekannte Lehrer Schmidt hat auch etwas gesagt, was erwartungsgemäß hörenswert ist, außerdem angenehm kurz.

Das Video hier als Link und nachfolgend eingebunden:

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Der Content da draußen

Ich habe lange nicht mehr über ein Zwischenzeugnis nachgedacht. Bei meiner mittlerweile etwas märchenhaft lang anmutenden Firmenzugehörigkeit, bei der mein Anfangsjahr mit dem Geburtsjahr von Teamkolleginnen übereinstimmt, was man allerdings bei Kenntnisnahme auch erst einmal verdauen muss, verliert sich so etwas leicht, während die Monate dahinfliegen.

Aber ich entnehme heute einem anderen geschätzten Blog doch eine mögliche Formulierung für so ein Dokument. Sie wird mir dort einladend serviert: „Herr Buddenbohm war fast so produktiv wie eine Berliner Badezimmerheizung.

Es hat einen gewissen Klang, hat es nicht?

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Noch eine verwertbare Notiz vom Wochenende gab es ansonsten, ich tue mich aber ungewohnt schwer damit. Denn wieder wirkt es so unangenehm konstruiert, was ich da erlebt habe. Diesmal etwa so, wie man es aus diesen kleinen Spielszenen in Fernsehsendungen mit ansonsten eher dokumentarischem Charakter kennt, aus diesen Spielszenen also, die Schlagzeilen und Thesen etwas unangenehm plakativ untermauern sollen. Die dann meist nicht einmal gut gespielt sind, sondern eher etwas hölzern und laientheaterhaft. Aber nun, auch hierbei gilt: Es ist, wie es ist.

Bzw. es war, wie es war, und die beteiligten Menschen haben immerhin nicht schlecht gespielt, sondern waren nur, was sie waren, und benahmen sich auch so. Wie wir alle meistens, wenn wir nicht gerade doch über unsere Rolle und das verdammte Skript nachdenken.

Und so war es nämlich, dass ich eingekauft habe, wie jeden Tag, mein routinierter Kontakt mit der Außenwelt. Die dabei trotz meines eher zurückgezogenen Lebensstils immerhin diverse Chancen hat, sich mir zu präsentieren, auf mich einzuwirken, sich so oder so darzustellen, mir Chancen, Drohungen und Content zuzureichen.

An der Kasse lud ich meine Waren aus dem Wagen und legte sie auf das Band, während die Kassiererin weiter vorne schon anfing, die ersten Artikel zu scannen. Die ersten beiden Packungen allerdings, Waren aus dem Convenience-Bereich des Kühlregals, besonders geeignet zur Fütterung des Nachwuchses im Hangry-Zustand, zog sie mit einem mehrfach wiederholten Ausruf des Erstaunens zwei-, dreimal über den Scanner.

Der Parkplatz der Firma "Wurst & Durst" am Hauptbahnhof mit entsprechendem Schild

Sie sah sich dann die Packungen genauer an und blickte noch einmal auf den angezeigten Preis im Display. „Das ist doch auch schon wieder teurer geworden“, sagte sie und schlug mit der flachen Hand empört auf das Laufband. „Und in der Werbung heißt es gerade irgendwas mit billig, weißte! In dem Spruch da, die sagen immerzu billig! Ja was, soll ich mir jetzt noch einen dritten Job suchen oder was, um den Scheiß zu bezahlen, wer soll denn da noch gegen ankommen?“

„Hab‘ ich schon“, sagte die Frau, die hinter mir ihre Waren aufs Band legte. „Was?“ fragte die Kassiererin irritiert, die nicht mit ihr geredet hatte. „Den dritten Job“, sagte die Frau, „also den hab‘ ich schon. Schon längst. Und schön ist das nicht.“

Falls Sie sich also zwischendurch oder etwa beim nächsten Einkauf fragen, ob Sie der einzige Mensch sind, dem immer noch oder wieder auffällt, wie die Kosten sich nach wie vor weiter in nur eine Richtung entwickeln: Dem ist offensichtlich nicht so.

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Für eine Handvoll Links

Gesehen: Diese kurze (26 Min.) arte-Doku über die abgedrehte, aber immerhin erzählfreudige Clique um Byron, Mary Shelley und Konsorten. Über Frankensteins Monster und das vom Wetter her seltsame Jahr 1816: YouTube-Link.

Davon abgesehen halte ich den Roman allerdings nicht für ein Buch, das sich heute noch gut lesen lässt. Aber bitte, das ist selbstverständlich Geschmackssache. Und das Motiv der Erzählung bleibt uns sicher für alle Zeiten erhalten, was zweifellos auch eine Leistung ist, keine Frage.

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Im Landlebenblog werden Gedanken von hier aufgegriffen, aber viel ansprechender bebildert. Wie es bei der Fotografin und auf dem Land nicht anders zu erwarten ist.

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Beim Kochen etc. sehe ich mir gerade altes Fernsehen an, nämlich sämtliche Folgen von Tilman Spenglers „Klassiker der Weltliteratur“, die von 2009 bis 2011 liefen. Hier verlinkt mit einem beliebig gewählten Beispiel: Die Folge über Borges, von dort findet man leicht zum Rest des Vergnügens. Die Folgen haben je etwa 14 Minuten, die passen also gut zwischendurch.

Es sind rund hundert Folgen. Man kommt also eine Weile damit aus, und so etwas kann auch erfreulich sein.

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Blick über das Bleichenfleet Richtung Michel

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Ab und zu findet man es vielleicht nützlich und absichernd, wenn andere die eigenen Gefühle bestätigen. Besonders dann, wenn sich diese anderen mit den Vorkommnissen, welche die Gefühle auslösen, viel besser auskennen als man selbst, denn dann verschätzt man sich womöglich gerade weder im Geiste noch in den Gefühlen. Einerseits.

Andererseits ist es eher fatal, wenn auch gestandene Nachrichtenmenschen wie Philip Banse und Ulf Buermeyer davon berichten, wie die Arbeit, wie also ihre fortwährende Beschäftigung mit dem Zustand der Welt, ihnen in diesen Zeiten die Stimmung nachhaltig versaut. Hier in der aktuellen Ausgabe der Lage der Nation.

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Im KI-Podcast von Heise gibt es eine Folge, die für Lehrerinnen und Lehrer, auch für Eltern und sogar für schulpflichtige Teenager, unbedingt interessant sein dürfte. Der Wiener Lehrer Bernhard Gmeiner facettenreich über den Umgang mit KI in der Schule. Noch so ein abgründiges Thema, mit dem man vielleicht nur bedingt anfangen möchte. Aber doch irgendwie muss, situationsgetrieben.

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In diesem Musikpodcast über das allseits bekannte „Mmm Mmm Mmm“ von den Crash Test Dummies habe ich gehört, dass sie bereits vor diesem Song einen Hit hatten, im Jahr 1991, allerdings nur in Kanada. Ich kannte ihn nicht, habe ihn vermutlich nie vorher gehört, und fand dann aber, dass es ein gut geeignetes, angenehm ruhiges und geradezu besinnliches Lied für einen Sonntagnachmittag ist. Also um es sogar mehrfach zu hören, bevor man am Montagmorgen wieder routiniert losfliegt: „Forget Krypton and keep going.

Es kommt mir auch gerade vor, als sei dies noch so ein Satz, den man sich vielleicht an den Spiegel kleben sollte.

Das Video hier als Link und nachfolgend eingebettet.

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