Vom Liegen und Atmen

Am Sonnabend habe ich Menschen aus dem Internet getroffen und dabei einen weiteren Avatar endlich mit einem Gesicht verbinden können. Erfreulich ist so etwas, immer noch. Nach all den Jahren, die ich, die wir so etwas schon machen.

Zwar fühlen sich Dates dieser Art immer mehr wie Treffen von Altgedienten an und man redet unweigerlich länger über frühere Zeiten, man erwähnt mehrfach Vergangenes, Verpasstes und vielleicht auch Verstorbene, man hat auch diese typischen „Was wurde eigentlich aus XY“-Momente, wie man sie wohl von großen Familienfesten etc. kennt, es kann kaum anders sein. Aber es ist doch immer noch Neues möglich und auch verlässlich zu erwarten. Neue Menschen und neue Geschichten, neue Situationen, neue Vorhaben auch.

Für dieses Treffen bin ich für meine Verhältnisse weit weg gewesen, in Barmbek, das ist immerhin mehr als zwei Stadtteile entfernt. Gefühlt alles außer der Gegend vor der Haustür habe ich in dieser Stadt ewig nicht gesehen, habe ich wieder gemerkt, überall überrascht mich der Anblick. Staunend durch die Straßen. Ich weiß, ich stellte es neulich bereits fest, es beschäftigt mich eben nachhaltig. Ich muss das viel ernsthafter angehen, dieses Rauskommen, echtjetztmal.

Denn ich weiß doch, wie man diese Wohnung verlässt. Da vorne ist die Tür, ich kann sie von hier aus beim Schreiben sogar sehen. „Dieser Ausgang war nur für dich bestimmt“, wird es sonst am Ende unweigerlich heißen, um das Kafka-Jahr leicht verdreht noch einmal anklingen zu lassen.

Ich weiß auch, wie ich aus dem kleinen Bahnhofsviertel herausfinde. Ich muss dieses Wissen nur umsetzen. Quasi Kinderspiel.

Erzählerstimme aus dem Off: „Am Nachmittag, als er vor die Tür gehen wollte, regnete es dann sehr stark.“

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Am Sonntag kühlt es ab, und wenn sie keine heiße, fast glühende Dachgeschosswohnung haben, dann ahnen Sie vielleicht gar nicht, wie lange man mehr oder weniger unbekleidet im etwas frischeren Durchzug sitzen oder liegen kann, nur genießend, dass sich alles auf einmal wieder überlebbarer anfühlt. Das kann ein stundenfüllendes Programm sein, dieses Liegen und Atmen. Und wäre man nicht ein halbwegs beherrschter Mensch, man würde jauchzen und frohlocken dabei, in diesem leichten, fast Gänsehaut auslösenden Wehen durch die Wohnung, zwischen den weit geöffneten Fenstern in sämtlichen Zimmern.

Vom Balkon aus sehe ich es auch bei den Häusern gegenüber. Alles wird aufgerissen, Fenster, Türen und Klappen in Dächern. Als würden die Wohnungen japsend und gierig wieder atmen nach den erstickenden Hitzetagen. Wenn der Wetterbericht stimmt, können wir nun eine Woche Luft holen und durch Regen spazieren, es soll mir recht sein.

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Gehört: Eine Folge Radiowissen über Rilke und eine über Iwan Bunin. Den Bunin schon vormerken für den Herbst, Russen lesen sich besser in der dunkleren Jahreshälfte. Der Rilke läuft einem eh rechtzeitig in den Timelines über den Weg, wenn es wieder Zeit wird und der Sommer irgendwann groß genug gewesen sein wird. Momentan ist das noch nicht absehbar.

Der nächste Herbst, er ist bald komplett verplant, was Literatur angeht. Und so soll es auch sein.

Dann hörte ich eine Folge über Adelheid Duvanel, „Schweizer Schriftstellerin im Schatten“, von der ich noch nie gehört hatte. In der Sendung heißt es beruhigend, so gehe es vielen. Es fehle der Autorin allgemein an Anerkennung im Literaturbetrieb und beim Publikum. Die Duvanel später also auch einmal nachlesen, Gerechtigkeit für Übersehene.

Auf Amazon sehe ich eine kurze Rezension zu einem Band mit Erzählungen von ihr, sie besteht nur aus einer Zeile: „Meiner Schwiegermutter gefallen die Geschichten darin.“ Ob das ein Lob ist? Ist es ein argloser oder ist es eher ein abgründiger Satz?

Man weiß es wieder nicht.

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Und sonst? Hier noch ein weiteres Update zu den Wahlen in Frankreich. Warten Sie kurz, ich lege Musik dazu auf.

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Man macht was mit

Den Freitag habe ich planmäßig in der bei mir üblichen, wenn nicht sogar unausweichlichen Anspannung verbracht, der Halbjahresschluss im Büro. Die Tür fiel final ins Schloss, man macht was mit. Vorsicht bei der Berufswahl, ich sage es ja immer.

Passend dazu gab es eine Radiosendung: „Seit wann wir für die Arbeit brennen.“ Ein geschichtlicher Abriss unserer Einsatzbereitschaft, unseres Interesses an Challenges und unserer anderen Verwirrungen für Lohn und Brot.

Nach Feierabend gab es dann dummerweise statt der erhofften Entspannung immer weiter steigende Anspannung durch Vorfälle der familiären Art. Jemand kippte in der Hitze um und es war entgegen aller Erwartung nicht ich. Dadurch aber umfassende Änderung der Wochenendpläne, und ich bin nicht der Kandidat der Wahl, wenn es um lockere Spontaneität geht. Ich bin eher der Typ Schienenfahrzeug.

Insgesamt war es ein Tag zum Wegwerfen. Der Versuch, mich später noch seelisch am Jahresmittelpunkt wieder aufzurichten, er scheiterte grandios. Ein halbes Jahr ist vorbei, ist fast vorbei, und ich kann es mir gerade nicht recht ins Positive drehen.

Hier habe ich etwas nicht geschafft, dort habe ich etwas nicht erreicht, dies und das ist nicht so, wie ich es jetzt gerne haben wollte. Verschiedenes fühlt sich außerdem nicht richtig an. Dazu die Gesamtsituation, mit der man bekanntlich nicht zufrieden sein kann, wenn man noch halbwegs bei Verstand ist.

Na, es gibt solche Tage, man findet dann nichts.

Nicht lange immer weiter sinnlos suchen und ziellos in seelischen Schubladen kramen, stattdessen vor die Tür gehen und die richtige Musik hören. Stücke, die mich gerade erstaunlich zuverlässig und schnell aufmuntern, wie albern es einem auch vorkommen mag.

Hauptsache, es funktioniert, man muss sich nicht alles erklären können.

Die Herzdame übernachtete dann mit einem Sohn im Garten, was nicht erwähnenswert wäre, wenn es nicht ihre erste Gartenübernachtung in diesem Jahr gewesen wäre. Das gab es noch nie bei uns, ihr Einsatz so spät.

Sie hat in manchen Jahren an diesem Punkt der Saison längst gewissermaßen im Garten gewohnt. Aber das Wetter, es war hier einfach nicht so, all die Wochen war es nicht so, und wenn es doch einmal so war, dann war es etwas anderes, das sie aufhielt. Ihre Reisen nach Dortmund oder was auch immer. Und plötzlich ist es schon zehn Minuten vor Juli und wir wissen nicht, wie das zuging.

Auch in dieser Hinsicht ist es ein merkwürdiges, ein schräges, ein nicht ganz richtig laufendes Jahr. Diesen Sommer gewinnen wir nicht mehr, um das auch einmal ausdrücklich aufzuschreiben, damit der weitere Verlauf mich noch rechtzeitig widerlegen kann. Die nur gedachten Göttinnen des Alltags neigen an solchen Stellen immerhin lebhaft zum Widerspruch, wie die Erfahrung zeigt.

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Beim Einkaufen gehört: Eine Folge Radiowissen über Henry Ford und eine über Karl May. Man bildet sich so vor sich hin.

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Die Kaltmamsell teilte auf Mastodon einen Link zu diesem Text über eher unerwartete Hochwasserfolgen. Er enthält den bemerkenswerten Begriff „Faunenverfälscher“, den habe ich sicher zum ersten Mal gesehen.

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Einige Erfahrungen aus dem letzten Jahrhunderts bei Vanessa, die Hollywoodschaukel neben der Datsche. Ich war vor der Wende nie in der DDR, mir fehlt da ein Stück Erfahrung. Der Freundeskreis „Kuchen am Wochenende“ beachte bitte auch die Nennungen in den Kommentaren: Prophetenkuchen war mir unbekannt, aber schon das Wort ist gut. Und Wikipedia sagt: Er stammt aus Lübeck. Nanu.

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Das rettende Gewitter

Aus der Reihe „Lebensreise mit Blogs“ hier wieder Gedanken zur Pflege und auch zur Statistik. Neulich habe ich übrigens in einer Folge Radiowissen über Florence Nightingale gelernt, dass sie Statistikerin war und diesen so überaus nützlichen Abzweig der Mathematik für die Gesundheitsfürsorge mit nutzbar gemacht hat. Guck an.

Und hier, auch das steht einigen von uns noch bevor, hat jemand das Licht gefunden. Und da hatte ich doch einmal eine Version des Songs, welche war das noch …

(der Autor sieht kurz etwas nach und verliert sich an dieser Stelle zwei Stunden gänzlich ungeplant in Playlists, taucht dann wieder auf und guckt leicht verwirrt auf die Uhr)

Don Shirley war es, der hier. Schöne Version.


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Dann also, nach einem wahrlich bunten und üppigen Strauß an Unwetterwarnungen auf allen Kanälen, das rettende Gewitter. Mit großem Knall wurde die übermäßige Hitze, 32 Grad waren es hier, vorerst beendet. Es konnte sich alles sehen und hören lassen, was da am Himmel inszeniert wurde. Hamburg soff an einigen Stellen gründlich ab, sah ich online, und der Verkehr auf Straße und Schiene gab wie immer schnell und effektreich nach. Wie ich lese, entsprach die Regenmenge an einigen Stellen Ahrtaldimensionen, aber dafür ging es dann noch gut aus.

Bei uns im kleinen Bahnhofsviertel war es nur ein hochwillkommenes Sommergewitter. Immerhin aber eines der besonders theatralischen und langen Art. Mit geschickt eingebauten retardierenden Momenten, nach denen es dann doch noch einmal unerwartet heftig schepperte und blitzte. Gut gemacht war das.

Ein Sohn, der im Garten war und vorn dort flüchtete, als das Wasser um die Laube ungewöhnlich schnell anstieg, kam zwischendurch, schnell wie ein Hase durch den anhaltenden Wolkenbruch laufend, duschnass nach Hause. Der andere Sohn, der bei einem gründlich und pünktlich ins Wasser fallenden Schulsommerfest war und von dort eilig flüchtete, kam kurz nach ihm triefend herein.

Und nach diesem Sohn dann, es war wieder wie in einem Drehbuch zu einem Sketch, klingelte es noch mehrfach und es kamen nach und nach sieben oder mehr Jugendliche, Freunde der Söhne, ich habe irgendwann nicht mehr gezählt. Alle gleichermaßen zum Auswringen klitschnass.

Große Pfützen bildeten sich um sie herum auf dem Laminat im Flur. Die Luftfeuchtigkeit in den mollig warmen Räumen stieg und stieg, die nassen Klamotten und Schuhe dampften in unserer Slow-Cooker-Wohnung und rochen teils wenig erfreulich. Das Treppenhaus und der Fahrstuhl sahen durch den stark tropfenden Besuch wie geflutet aus.

Ich stand zwischen meinen Einsätzen als Doorman lange an der offenen Balkontür in den feinen Regenspritzern, die von den Blumenkästen und den Blättern der Buntnesseln darin zu mir sprangen. Ich wurde dabei auf angenehmste Art angefeuchtet, kühlte endlich etwas ab und sah den flüchtenden Menschen unten auf der Straße zu, die durch den Regen rannten und über Pfützen sprangen. Eine schöne und ausgedehnte Vorführung war das alles.

Später, als es wieder aufklarte und die Sonne doch wieder durchkam, saßen am frühen Abend lachgaskonsumierende Jugendliche auf dem Spielplatz vor der Haustür. Immerhin waren es keine, die ich kannte. Das immer bei allen Beobachtungen dieser Art mitdenken, in unserer Lebensphase.

Aber gut, habe ich das jetzt auch einmal gesehen, diese Variante mit den Luftballons. Die Kartusche und die Ballons waren nennenswert größer, als ich es angenommen hatte. Ich hatte mir das alles viel bescheidener vorgestellt, mehr wie kleines Silvesterpartyzubehör, da lag ich falsch. Das, was ich sah, reichte für längeren Konsum, nicht nur für ein wenig nebenbei.

Gesehen und gestaunt also. So sieht das dann aus, so geht das dann zu, ich kannte es bisher nur aus den Medien. Und verboten ist es nach wie vor nicht. Weswegen sie da einfach so sitzen können, in aller Öffentlichkeit, mit der ganzen Ausrüstung. Nun, sie würden, was weiß ich, vermutlich auch so sitzen, wenn es verboten wäre.

Aber das Wetter, wie gesagt, war gut, vom Balkon aus betrachtet. Das ist nicht nichts.

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Durch den Schatten schleichen

Es war zwischendurch zu warm da draußen, bei Ihnen vermutlich auch. Es war also selbstverständlich auch zu warm in unserer Wohnung, viel zu warm sogar, schier unerträglich heiß war es, aber man erträgt es dann doch. Immer wieder, sicher auch schon einmal erwähnt, die vage Erinnerung an eine Geschichte von Kishon, in der er eine Hitzewelle beschreibt, in Tel Aviv wird es wohl gewesen sein, und sich irgendwann nicht mehr erinnern kann, ob es Afrika oder Arfika heißt. Sein Gehirn gibt in dieser Story langsam nach. Ich verstehe das gut, genauso fühlt es sich an. Irgendwann erscheint einem Arfika vollkommen plausibel.

Immerhin geht es meinen Kolleginnen in Hamburg und den anderen Landesteilen auch so. Es sind Tage, an denen man langsam und in möglichst einfacher Sprache miteinander reden muss, temperaturadäquat.

Zum obligatorischen Einkauf am Nachmittag durch den schmalen Streifen Schatten am Wegesrand schleichen, in den sich allerdings auffällig viele andere ebenfalls drängeln. Sich nur nebenbei wundern, dass es immer noch Eltern gibt, die ihre Kleinen auch bei solchem Wetter halbnackt in die Sandkiste auf dem Spielplatz lassen. Da buddeln sie krabbelnd in der sengenden Sonne, trotz aller amtlichen Warnungen vor ungewöhnlicher UV-Belastung.

Vermutlich ist es wieder das nervtötende Freiheitsding, es ist mittlerweile einfach überall zu bemerken. Sag mir eine Regel, und ich werde sie hohnlachend brechen.

Dann nachgesehen, ob das Eis in unserem kleinen Bahnhofsviertel wirklich billiger ist als in der Hafencity, wie ich neulich einfach kühn und ohne jede Recherche behauptet habe. Ja, das ist so. Schwein gehabt.

Ich brauche aber, das steht bei aller Aversion gegen diese übermäßige Wärme fest, einige Tage dieser Art, um den Herbst später okay und passend finden zu können. Etwas Hitze muss es in jedem Sommer gegeben haben, etwas zu viel muss es auch gewesen sein. Und so weit bin ich in diesem Jahr noch nicht. Ich hoffe, es kommt noch, denn ich freue mich besonders gerne auf den Herbst. Es ist eines der besten saisonalen Gefühle, schöner noch als die Freude auf den Frühling.

Aber das können Sie ruhig anders sehen und empfinden. Das ist wieder etwas, das zur Fraktionsbildung einlädt, und das Team Frühling ist groß, ich weiß.

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Ich folge den Weltnachrichten und den Berichten aus Deutschland gerade nur noch aus dem Augenwinkel. Ab und zu eine Pause einlegen und vom drohenden Unheil etwas wegdenken. Aber ich finde doch , selbst wenn ich nicht genau hinsehe, die meisten politikbezogenen Newsletter ungelesen lösche und auch sämtliche Debatten in den Timelines auslasse, alles vollkommen verrückt, niveaulos und in einem schauderhaften Abwärtsstrudel begriffen. Die Hoffnungszeichen dabei eher blass und selten. Immerhin gibt es noch welche, schon klar.

Ich lebe jedenfalls, selbst wenn ich etwas Abstand von den furchtbaren Themen nehme, immer in diesem Gefühl, dass ich selbst leichte Anflüge guter Stimmung jederzeit durch kurzen Nachrichtenkonsum komplett auslöschen könnte. Schlimm.

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Gehört: Eine Folge Radiowissen über die Belle Èpoque und eine über Hannah Arendt. Aus dem Jahr 2021. Ich höre mich allmählich rückwärts durch den ganzen Katalog des Formats und sammele mir alles heraus, was ich interessant finden könnte. Und meistens ist es das dann auch.

Noch im Laufe des Sommers werde ich aber wohl durch damit sein, dann muss ich wieder etwas anderes finden. Oder wieder Hörbücher ansteuern, und warum auch nicht.

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Es starb Kinky Friedman, eine fortgeschritten schräge Figur mit vielen Seiten und Fähigkeiten. Seine Bücher kannte ich nicht, seine Songs habe ich gerne gehört.

Vor Jahren hatte ich einmal seine Version eines Warren-Zevon-Songs hier im Blog. Sie würde ihm, nehme ich an, vermutlich passend vorkommen: Your shit’s fucked up.

“Well, I went to the doctor,
I said I’m feeling kind of rough
Let me break it to you, son
Your shit’s fucked up”

Auf Youtube schreibt jemand in den Kommentaren: “I want this played at my funeral or I am not going.”


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Jahre im Rückspiegel

Ein weiteres Update zu den Wahlen in Frankreich.

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Kid37 war in einer Hamburger Ausstellung, und nun muss ich da auch hin. Schlimm.

Wobei ich ohnehin wieder viel zu lange an nichts teilgenommen habe, fällt mir auf. Museen, Theater, Konzerte, dies und das, ich komme zu nichts. Mit anderen Worten, ich muss vielleicht wieder einmal umpriorisieren.

Oder erst im Herbst, oder erst im Herbst, murmelte er dann aber leise mit Blick auf die erwarteten 31 Grad im Wetterbericht.

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Eine Folge Radiowissen über die Achtziger in Westdeutschland gehört. Wobei mir unangenehm deutlich und erneut auffiel, wie sehr ich in diesem Jahrzehnt, in meiner Teenager-Zeit, bei allen politischen Fragen davon ausging, automatisch und zweifellos immer auf der garantiert richtigen Seite zu sein, wenn ich nur mit den richtigen Leuten herumhing, auf dem Pausenhof oder bei Demos und Debatten. Wenn ich also nur die richtigen Leute sprach, las und hörte.

Nicht den geringsten Zweifel habe ich damals an „unseren“ Positionen gehabt, die aus meiner Sicht generell auch die Positionen der Jugend schlechthin waren. Man ist gerne etwas unbescheiden in dem Alter, durch alle Generationen.

Aber ich glaube nicht, nein, ich bin leider sicher, dass ich so etwas wie den Nato-Doppelbeschluss, um den es doch z.B. dauernd ging, jemals inhaltlich erfasst habe. Ich fürchte sogar, ich habe es nicht einmal ansatzweise erfasst oder durchdacht. Ich habe es nicht einmal versucht. Die schöne Zeit der Jugend. Nun ja.

Aus heutiger Sicht: Eher ahnungslos und uninformiert durch dieses Jahrzehnt gelatscht. Eher durch Glück als durch Verstandesleistung bin ich dabei manchmal auch auf einer richtigen Position gelandet, auf Positionen, die ich sogar heute noch teilen würde.

Und zu meiner und vielleicht auch Ihrer Entlastung stelle ich im Rückblick immerhin fest, dass es unmöglich falsch gewesen sein konnte, gegen die zu sein, gegen die wir damals so vehement waren, gegen Reagan, Thatcher, Kohl etc. Es war, wie sagt man seit einigen Jahren, alternativlos. Und wenn man das so denkt, dann kann man weiter in den Spiegel sehen. Auch in einen Rückspiegel.

Apropos. Hier wird gerade über Generationen geschrieben, und ich fand bemerkenswert, dass ich einiges, was da erwähnt wird, gar nicht kenne. Breakfast Club? Reality Bites? Keine Ahnung. Was aber wieder, man muss es immer dazu sagen, kein Werturteil ist.

Ich finde es immer betrüblich, wenn Menschen, und es machen leider furchtbar viele Menschen, ihre Unkenntnis mit einer Abwertung gleichsetzen, wenn also „nie gehört“ zu einem vernichtenden Urteil wird. Eine allzu egozentrische Sichtweise, aber natürlich perfekt passend zur Entwicklung der Gesellschaft.

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Auf arte gesehen: Lola, das Mädchen aus dem Hafen, mit der gerade erst verstorbenen Anouk Aimée, Regie Jacques Demy. Ein grandioser Film, und was für eine außerordentliche Kameraführung von Raoul Cotard.

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Mann mit Hut

Nach wie vor folge ich meiner kleinen Sommerobsession und suche mir weitere Soundtracks, Spaziertracks zusammen. Manchmal scheinen sie sogar zum täglichen Schreiben, zum Text zu passen. Allerdings ganz ungeachtet der Filme, aus denen die Stücke kommen, die meisten davon kenne ich nicht. Ich will einmal sehen, ob ich einige Melodien hier nach und nach unterbringen kann.

Ich habe mir einen Hut gekauft, eine Art Strohhut. Sommersonne auf dem Kopf finde ich nicht mehr so verträglich wie früher, habe ich in den wenigen und genau abgezählten Sonnenstunden der letzten Wochen gemerkt, und andere Kopfbedeckungen mag ich eher nicht. Also keine Baseball-Caps etc. für mich.

Nein, ich kaufte mir so einen altmodischen Strohhut, wie er fast unverändert seit hundert Jahren und mehr auf Männerköpfen vorkommt. Anhand alter Bilder ist diese Konstante leicht zu beweisen. In Form und Farbe wurde die Kopfbedeckung kaum variiert. Nur stand auf dem Etikett meines Exemplars jetzt irgendwas mit Recycling, das wird neu sein.

„Schwierig,“ sagte die Herzdame danach zuhause kopfschüttelnd und sah mich ausgesprochen skeptisch, wenn nicht schon direkt missbilligend an: „So etwas kann man nur am Strand tragen.“ Ich konnte das modegeschichtlich souverän widerlegen, was sie aber nicht interessierte. Meinung ist Meinung, und Meinung geht vor Fakten, man kennt das leider.

Aber egal. Ich trage einen leichten Anzug und einen sommerlichen Strohhut. Ich gehe so in die Stadt, ich zähle dort Männer mit Hut. Immer schön, wenn man etwas nachzählen kann, finde ich. Vielleicht sollte ich das auch beruflich … Ja, schon gut.

Zwölf Männer mit sommerlichem Hut zähle ich in einer halben Stunde in der rappelvollen Fußgängerzone hinter dem Bahnhof. Was ist das nun für ein Ergebnis, wie bewertet man das. Es ist ein okayes Ergebnis, befinde ich freihändig und ohne alle Benchmarks und Zielgrößen. Denn ich befinde bei solchen Fragen in aller Selbstherrlichkeit, was immer ich gerade befinden möchte. Es geht immerhin um nichts, nein, es geht hier nur um mich.

Und ja, zugegeben, einige Passanten gucken etwas seltsam. So viele Männer mit Hut laufen hier nicht herum, schon gar nicht mit Anzug und Hut. Es ist mir aber egaler als in früheren Jahren, stelle ich fest. Ich bin dezent overdressed und es macht nichts. Ich gehöre gerade so. Alles ist bekanntlich nur eine Phase, und Phasen wollen ausgelebt werden.

Ich bin immerhin nicht der Einzige, denke ich bemüht wie immer, während ich an einer Ampel auf grünes Licht warte. Ich habe hier zwölf Mittäter gesehen. Um mich herum ansonsten ein Volk in legerer Sportkleidung, in Jogginggemütlichkeit und in Normcore der tiefenentspannten Art. Ich habe gar nichts dagegen, sollen sie alle anziehen, was sie wollen. Vielleicht mache ich da auch bald wieder mit.

Ich ticke nur anders in diesem Jahr.

Dann stellt sich jemand neben mich, der hatte einen verdammt weiten Weg bis zu dieser Ampel, denn der muss aus einer anderen Zeit gekommen sein. Wie auch immer das zugegangen sein mag, er muss mehrere Jahrzehnte durchquert haben.

Er trägt einen edlen Nadelstreifenanzug, wie ich ihn lange nicht mehr in freier Wildbahn gesehen habe. Dazu eine Melone, einen regelrechten Bowler-Hat, wie damals in der Londoner City, auf dem Weg in die Börse. Und er trägt dazu auch einen wahrhaft mustergültigen John-Steed-Gedenkschirm, eng zusammengerollt. Wenn dieser Schirm actionfilmtaugliche Zusatzfunktionen der tödlichen Art hätte, es würde mich keine Sekunde wundern.

Der Mann sieht insgesamt aus wie mit der Bastelschere aus irgendeinem Filmmagazin geschnitten, dann hier in diese Hamburger Straßenszene eingeklebt. Es ist eine Art Collageneffekt. Plötzlich und nur sekundenlang sehe ich ungemein lebhafte Erinnerungsbilder. Ich sehe, wie ich so etwas als Kind gemacht habe, mit Schere und Klebestift. Stundenlang Modekataloge von Otto und Quelle zerschnippelnd. Im Kinderzimmer auf dem Fußboden, Bilder immer wieder neu zusammenfügend. Wir hatten ja nichts.

Mein bescheidener und gewöhnlicher Strohhut jedenfalls ist gar nichts gegen das Outfit dieses Gentlemans. Niemand sieht mich hier, alle sehen ihn an. Es wird mit Fingern auf ihn gezeigt, ich sehe es. Eine Gruppe Jugendlicher staunt unverhohlen, gleich werden sie Beweisfotos machen. Gut, denke ich. Mein Sommerhut ist eher dezent und geht also klar.

Wir gehen schließlich nebeneinander über die Straße, der Mann mit der Melone und ich. Zwei Männer mit Hut. Irgendwo müssen Trends eben anfangen, warum nicht hier vor dem Hauptbahnhof.

„Ich kaufe mir noch einen“, sage ich nach diesem Spaziergang entschlossen zur Herzdame. Denn so ein Hut weht schnell weg in einer winddurchtosten Stadt, wie es Hamburg in diesem Jahr fast durchgehend ist. So ein Hut kommt schnell abhanden. Die Herzdame hebt die Augenbrauen. Skeptische Blicke in Beziehungen, manchmal muss man sie einfach aushalten. Oder die Hand zum Hut heben, damit freundlich winkend lässig grüßen.

Fast schon vergessene Gesten sind das. Die auch einmal wiederbeleben.

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Langsam weitergehen, alles veratmen

Bei der Kaltmamsell gab es Erhellendes aus dem Kartoffelkombinat, mit interessanten Angaben auch für die Landwirtschaft in der ganzen Republik:

In Deutschland gibt es 260.000 landwirtschaftliche Betriebe, in 7.000 davon und auf nur 2 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche wird Gemüse angebaut.

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Frau Frohmann rezensiert in aller Kürze und ungeheuer treffsicher ein paar klassische Novellen. Besonders gerne gelesen.

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Mit der Herzdame bin ich am Sonntag, ich trage noch nach, durch die Hafencity spaziert. Wo wir selten ausgiebig herumgehen, so dass wir uns ein fast touristisch anmutendes Gefühl in der eigenen Stadt gerade noch erhalten können. Wo wir auf dem für uns immer noch unterhaltsamen Weg von den Elbbrücken zu den Landungsbrücken interessiert und neugierig nach Fotomotiven für Instagram gucken, wie es alle angereisten Besucherinnen Hamburgs auch tun.

Das ist immerhin angenehm, so ein kleines Ausflugserlebnis abseits der Routinen. Ein paar Schritte und zwei, drei Stunden aus dem Alltag. Öfter als etwa einmal im Quartal wird man das nicht machen dürfen, sonst nutzt es sich zu schnell ab. Aber wenn man nur quartalsweise geht, kann man immer noch mit mildem Erstaunen auf etwas zeigen und sagen: „Das stand da letztes Mal aber noch nicht!“ Und es stimmt dann zuverlässig auch. Die Bautätigkeit ist immer noch enorm dort, nach all den Jahren des Riesenprojektes.

Da man als Hamburger allerdings immer, wenn man durch die Hafencity geht, irgendetwas kritisch anmerken kann oder muss, stellen wir diesmal fest, dass es viel zu wenig Eis dort zu kaufen gibt. Wie lange man dafür laufen muss! Durch insgesamt zu wenig Schatten! Nirgendwo Erfrischungen! Und dort, wo es dann doch endlich Eis gibt, wo man das rettende „Gelato“ finalmente sieht, kostet die Kugel dann 2,50. Das ist noch teurer als bei uns im sogenannten Szeneviertel.

Man könnte sich kurz über solche Preise ereifern. Man kann es aber auch kurzentschlossen lassen. Denn es ist Sonntag und es passt auch nicht zum touristischen Gefühl, sich allzu sehr aufzuregen. Langsam weitergehen, Eis lecken, alles veratmen. Fotos machen, „Guck mal“ sagen.

Und dann taucht bald die Elbphilharmonie an der nächsten Ecke auf und die Straßen und Szenen werden wieder voller und vertrauter, werden wieder zu unserem altbekannten Hamburg, daher auch zu unserem Alltag, und das Wochenende vergeht.

Die Elbphilharmonie in klassischer Touristenansicht, Wolken und blauer Himmel spiegeln sich in den zahllosen Scheiben

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Auf arte gesehen, der Film ist nur noch drei Tage verfügbar, halten Sie sich also ran, denn es lohnt sich: Die Braut trug schwarz von Truffaut aus dem Jahr 1968, mit Jeanne Moreau, Michel Bouquet, Charles Denner.

Eine eher abwegige Nebenbemerkung zum Film. Es kommt attraktive braune Ware vor, ein Tonbandgerät, ein kleiner Plattenspieler etc., und ich bekam beim Sehen Lust, richtiggehend Lust auf diese alten Geräte mit den großen Tasten und dem Sound der Zeit. Ein Nostalgieflash erster Klasse. Überhaupt Tasten, diese leider weitgehend verschwundenen Bedienelemente.

Truffaut mochte diesen Film später eher nicht sehr, lese ich. Ich dagegen war zufrieden. Das geht mir auch bei Chabrol so, habe ich neulich bei einem seiner Filme nachgelesen und gemerkt. Offensichtlich schätze ich Werke, welche die Urheber nicht so schätzen, was heißt das nun wieder.

Vielleicht, ich will es positiv sehen, bin ich einfach gut geeignet als kultureller Resteverwerter.

Danach noch eben gesehen, es ist kurz: Truffaut – Filme voller Liebe. Das sind zusammengeschnittene Interviewschnipsel mit recht beliebig arrangierten Kommentaren zu seinen Filmen. Wenn man die mag, dann ist es interessant, sonst ist es vollkommen entbehrlich.

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Der Garten gab ein Gürkchen

Nils Minkmar über die Lage in Frankreich: „Das politische System hat den Geist aufgegeben. Es ist, wie wenn der Kühlschrank aufgibt: Immer am heißesten Tag des Jahres und kurz vor einem Fest, das Haus voller Besuch. Ignorieren kann man es nicht.

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Ein kurzer Text aus der Reihe „Klimawandel in den Blogs

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Ein Nachtrag aus der letzten Woche: Die Herzdame bringt mir am Freitagmorgen freundlicherweise eine Rumkugel vom Bäcker mit, denn Rumkugeln sind für mich ein probates Hilfsmittel an berechenbar schwierig werdenden Tagen. Wie ein wenig groß geratene, leicht sedierende Pillen. Weil aber gerade EM ist, sind die Streusel auf dieser Rumkugel schwarzrotgelb. Das korrekte Gold war vermutlich aus Kostengründen nicht verfügbar, die Inflation, die Zeiten, der Niedergang. Verfassungskonforme Dekostreusel über braunem Teig gibt es also, und es schmeckt alles wie immer und enthält Alkohol. Die Rumkugel als tiefsinniges Symbol der Zeit, und warum auch nicht.

Alles spiegelt sich in allem.

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Ich habe mir einen weiteren Film noch einmal angesehen, für den ich vor etlichen Jahren im Kino war, 2015 war es (damals mit Isa, von der es übrigens bald, na ja, im Oktober, ein neues Buch geben wird, um betont rechtzeitig darauf hingewiesen zu haben, manche planen ja weit voraus):

Ewige Jugend, das war der Film. Er war damals so erfolgreich, ich kann wohl dazuschreiben, dass Sie ihn vermutlich kennen. Er gefällt mir immer noch, er hat das Wiedersehen hervorragend bestanden. Was für eine Bildsprache, ich mag Opulenz bei Filmen, es verhält sich ein wenig anders als bei Büchern.

Den auf der Wikipedia zitierten Kritiken kann ich dann leider mit angemessener Einsicht entnehmen, dass ich männlich und vermutlich auch fortgeschritten alt genug bin, um diesen Film zu mögen. Denn von „Rentnerfilm“ ist da abfällig die Rede, gar von „Machismo-Phantasie.“ Es mag sein, es mag sein. Warum sollte ich darüber erhaben sein.

Allerdings hat Isa der Film an jenem Abend vor Jahren auch gefallen, wenn ich mich richtig erinnere. Und Rentnerfilme mit Michael Caine sind für mich generell in Ordnung, glaube ich. Siehe dazu auch „Mr. Morgans letzte Liebe“, neulich erst gesehen, erwähnt und auch gemocht.

Ich denke, ich könnte mir stundenlang Filmszenen ansehen, in denen ein stark gealterter Michael Caine wenig macht. In denen er nur so herumsteht und guckt, etwa von der Seite in die Kamera. Ich finde das ungemein beruhigend.

Und Beruhigung, da stehen wir doch drauf. Mit oder ohne Rumkugeln.

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Wir haben das gar nicht geplant, als wir vor sechs Jahren den Schrebergarten übernommen haben, wir haben damals an die Teenagerzeit der Söhne noch lange nicht gedacht, aber es zeigt sich jetzt doch, dass so ein Garten mit einer Laube darin ein hervorragendes Hilfsmittel ist, um eine Familie besonders im Sommer auf die denkbar friedlichste Art situationsgerecht zu zerteilen. Ein dermaßen praktischer Rückzugsraum, für wen auch immer. Wenn es so weitergeht, brauchen wir allerdings bald einen digitalen Belegungskalender, wer wann mit wem und wie lange.

Dies jedenfalls auch als Tipp, falls Sie jüngere Kinder haben und gerade über einen Garten nachdenken. Er kann auch später noch angenehme Effekte haben, wenn die Kinder nicht mehr auf der Schaukel sitzen.

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Der Garten gab uns ansonsten ein Gürkchen mit, so die Herzdame lobend, „wirklich sehr gurkigem Geschmack“, und eine Handvoll roter Johannisbeeren. Fünf Stück genau. In diesem seltsamen Jahr der gärtnerischen Bescheidenheit kann ich die Ernte stückweise mitschreiben.

Die Bille an der Billerhuder Insel, Boote an den Ufern

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Normale Menschen machen seltsame Dinge

Meine Erwähnung der Sendung über Konsalik neulich findet eine Fortsetzung in Frankreich.

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Barcelona gibt es künftig ohne Ferienwohnungen. Mit dieser Regelung würde im kleinen Bahnhofsviertel um uns herum auch einiges frei werden.

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Ich habe ein Kalenderblatt zum Tod von Frank Schirrmacher gehört (14 Minuten), es enthält die bemerkenswerte Formulierung „er war der Sohn eines Ministerialrats und einer Polin.“

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Abends einen Film bei Mubi gesehen: Jung & Schön, ein Film von François Ozon (der mit den „8 Frauen“ damals), mit beeindruckender Marine Vacth in der Hauptrolle.

Die Handlungen der Hauptfigur werden nur dargestellt, nicht erklärt. Der Film wird dabei dennoch nicht auf diese unangenehme Art kryptisch, die sich belastend nach Deutscharbeit anfühlt. Deuten Sie das mal bitte alles richtig, schreiben Sie mal eine treffsichere Interpretation streng nach Schema, 45 Minuten Zeit.

Das gefiel mir, ich halte das für eine angenehme Art des Erzählens. Normale Menschen machen seltsame Dinge. Und so ist es dann eben, damit muss man irgendwie klarkommen. Ohne in jedem Fall eine korrekte Abhandlung über die jeweiligen Beweggründe schreiben zu können, ohne weiterhelfendes Rätselraten.

Die Lebenserfahrung bestätigt das, so undeutbar geht es da draußen nun einmal zu. Und hier drinnen womöglich auch.

Danach noch gesehen, ebenfalls bei Mubi, ich habe gerade eine ausgeprägte Filmphase:

Wo in Paris die Sonne aufgeht“, ein Schwarzweißfilm von 2021, vom Regisseur Jacques Audiard, durchweg grandios besetzt. Ich dachte zu Beginn allerdings mindestens zehn Minuten lang, dass mir der Film eher nicht gefallen würde. Und zehn Minuten sind viel für solche unentschlossenen Entscheidungsphasen. Es fing alles so deprimierend urban-verlassen-herunterziehend an, schon diese endlosen Hochhauslandschaften ohne Farbe. Hammerbrooksche Trostlosigkeit in Potenz, wer will das sehen, das habe ich ja am Montagmorgen, wenn ich das möchte. Ich brauchte also eine Weile – und der Film gefiel mir dann doch.

Das Durchhalten beim Kulturkonsum kann also auch einmal richtig sein. Aber es bleibt eine spannende Frage, wieviel Zeit man genau richtig einsetzt, bevor man etwas abbricht. Entsprechend auch, wie viele Seiten man bei Büchern zweifelnd und mit wachsender Skepsis durchhält, zwanzig oder mehr, wie lange man im Theater, im Kino sitzen bleibt und sich fragt, was das da soll.

Ich bin, glaube ich, bisher nur einmal aus einem Theaterstück gegangen. Aus einer mir unerträglich vorkommenden Hamlet-Inszenierung, welche die Feuilletons dann selbstverständlich am nächsten Tag ausführlich bejubelt haben.

Schließlich einen deutschen Film, was aber nicht auffiel, und das heißt immerhin auch etwas: Das Zimmermädchen Lynn von Ingo Haeb, mit Vicky Krieps und Lena Lauzemis.

In allen drei Filmen geht es hauptsächlich um Liebe, Anziehungskräfte, Sex und Nähe und Partnerschaften, es kommen kaum andere Probleme vor. Und man kann noch einmal denken, was ohnehin selbstverständlich ist, dass diese Themen nämlich locker ausreichen, um Geschichten und ganze Leben zu füllen, so schwierig, schön, furchtbar, vielfältig und inhaltsreich sind sie.

Und dafür, dass sie vollkommen ausreichen, um uns jahrelang Tag und Nacht voll zu beschäftigen, dafür machen wir uns immer wieder erstaunlich viele andere Probleme.

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Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

Zahlen an den Wänden

Vorweg ein herzlicher Dank für die freundliche Zusendung von Lion Feuchtwangers „Erfolg“, das Buch stand auf dem Wunschzettel. Der Roman „weitet sich zu einer Geschichte der allgemeinen deutschen Zustände in der Epoche des beginnenden Nazismus aus„, schrieb Victor Klemperer damals. Die Gegenwartsbezüge werden einen also mit Gewissheit überall anspringen.

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Morgens in den Nachrichten die Meldungen über Hitzetote, über eine Unzahl sterbender Pilger in Mekka, über vom Himmel fallende Vögel und Fledermäuse anderswo. Dann weiter über noch mehr Rekordtemperaturen in verschiedenen Weltgegenden. Daneben, etwas kleiner, die Nachricht, dass wir so viel fossile Energien verbrauchen wie nie zuvor.

Es gehört auch zum Menschsein, denke ich, es macht uns auch aus, dass wir in der Lage sind, die eigene Art knalldumm und furchtbar zu finden. Ich glaube nicht, dass andere Lebewesen auf diesem Planeten dazu auch nur ansatzweise befähigt sind. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Ameise in ihrer rastlosen Arbeit irgendwann innehält, ihre Verwandten ansieht und skeptisch denkt: „Was sind wir denn bitte für eine schauderhafte Gurkentruppe.“

Aber wir, wir können das.

Was wir alles können.

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Eine zeitlich gerade passende Radiosendung über echte, gefälschte, verbogene und erlogene Traditionen zur Sonnenwende, über völkische Feuer, Ting-Taumel, Druidendarsteller und schwedische Bräuche im Möbelhandel.

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Ansonsten gab es wieder das Renten-Thema im Büro, ein weiterer Abschied. Und wieder die erwartbaren Gespräche, wer arbeitet noch wie lange. Vielleicht sollten wir, also wir alle aus dieser Altersgruppe, uns die entscheidenden Zahlen gut sichtbar an die Wände hinter den Schreibtischen hängen. Dann hat man die Restwerte beim Smalltalk immer parat, muss nicht jedes Mal erst nachfragen und kann jederzeit vergleichen.

Diese Restwerte werden uns eh unweigerlich durch die verbleibenden Jahre begleiten, das langsamste Herunterzählen des Lebens wird es vermutlich sein.

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Nach der Arbeit kurz in den Garten, dort eine weitere Handvoll reifer Himbeeren gegessen. Immerhin. Dann noch einmal kopfschüttelnd vor den Beeten gestanden, aber das motiviert die Kümmerpflanzen dort auch nicht mehr.

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