Leave me alone

Aus der beliebten Reihe „Kein Tag ohne Demütigung“: Ich personalisiere im Büro eine KI dergestalt, dass sie mir bitte als gestandene Projektmanagerin mit viel Berufserfahrung antworten soll. Nach einigem Hin und Her zu einem brotberuflichen, eher abgedrehten Fachthema stellt sie in bemerkenswert trockenem Tonfall fest, dass meinen Fragen typischerweise (!) Kontextparameter fehlen würden und ich also offensichtlich kein Projektmanager sei. Sie würde aber dennoch stoisch immer weiter …

Okay, denke ich. And so it begins.

Kreideschrift auf dem Pflaster: Hallöchen Popöchen

***

Man sollte doch ernsthaft mehr an andere Inhalte denken. An analoges Zeug, das einem nicht widerspricht (oder doch nur auf eine höchst indirekte Art, indem es etwa später dezent nachwirkt) und einen auch nicht frontal bewertet. An alte Bücher und Lieder sollte man mehr denken, an Gedichte vielleicht, an Kunstwerke, Kirchenbau und dergleichen. Wenn nicht sogar an Natur und Sonnenuntergang.

Und vielleicht auch für ein, zwei Stunden eine schnurrende Katze oder einen sanft schnarchenden Hund mieten und diese dann zur Beruhigung neben sich legen, bis sich von Fell zu Mensch etwas von diesem süßen „Mir doch egal“ überträgt. Wenn es einen solchen Mietservice für Entspannungstiere überhaupt schon gibt. Und wenn nein, warum nicht.

Der September ist währenddessen fast vorbei. Ich bemerkte es gerade erst beim Nebenbeiblick auf den Kalender am Bildschirmrand mit etwas wehem und auch ungläubigem Staunen. Beinahe hätte ich vor lauter Beschäftigtsein in diesem Jahr sogar eine meiner wichtigen Herbst-Hymnen ausgelassen. Und so geht es ja nicht.

Den schwedischen Cowboy, den Lee Hazlewood also, den nehme ich wenigstens noch mit. Bevor es unvermittelt heranoktobert, bevor die Kontextparameter (jaha!) wieder andere sein werden und der Herbstanfang auch schon zur Vergangenheit gehören wird. Bevor wir auf dem Spielplan wieder weitergerückt sein werden.

Auch wenn ich inhaltlich in diesem Jahr sicher nicht an seinen Text anschließen kann. Denn das werde ich schwerlich so ausleben können, obwohl die Lust darauf stark anstieg in den letzten Tagen einer etwas wuschigen Woche. Was sie nur unzureichend beschreibt. Wild war sie, wenn nicht wahnhaft, wirr und toll in einem altmodischen Sinne.

„Hang me a hammock between two big trees
Leave me alone, dammit, let me do as I please.”

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Enden aller Art

Die Schlüssel und den Zugangschip zum Büro in Hammerbrook habe ich abgegeben, Kapitelende. Das war es dort. In drei, vier Wochen geht es am neuen Standort weiter, ich werde berichten. Die alte Adresse wird mir sicher nicht fehlen, und taugt vermutlich auch in der Zukunft so gar nicht für die Ausbildung nostalgischer Gefühlslagen.

Hammerbrook war und ist, wie kann es auch dreht und wendet, eine betont unromantische Ecke der Stadt. Am bewegendsten fand ich dort noch das Wissen, dass die zur Bauzeit so futuristisch gemeinte S-Bahn-Station dort steht, wo bis zum Zweiten Weltkrieg die Kirche des damaligen Arbeiterstadtteils stand, St. Annen. Die Bahnen halten, wenn man die Zeiten einen Moment lang für durchlässig wie in einem Fantasyfilm halten möchte, im Kirchenschiff. Man steigt vielleicht über dem Altar aus.

Die S-Bahn-Station Hammerbook, das Gleis mit dem roten Überbau

Aber ansonsten hat mich, um es mit Ringelnatz zu sagen, in Hammerbrook nichts weiter erregt oder betrübt. Wobei es in dem Gedicht, auf welches ich mich dabei gerade beziehe, „Karpfen“, noch zwei Zeilen gibt, die mittlerweile auf einige Kollegen und mich anwendbar sein dürften. In unseren letzten Jahren vor dem Renteneintritt.

Ich nehme hierbei aufgrund einer sicher etwas altmodisch anmutenden Höflichkeit die Kolleginnen der gleichen Altersgruppe ausdrücklich aus:

„Äußerlich etwas ausgefranst, abgewetzt –
Scheinen sie inwendig
Doch recht lebendig.“

Es enden auch im unblogbaren Bereich in dieser Woche gleich mehrere Handlungsstränge, auch bedeutende sind darunter. Was sind das wieder für merkwürdige Zusammenhänge, es scheint ohne mein direktes Zutun eine gute Woche für Enden aller Art zu sein. Und wenn man so etwas schon feststellt, sollte man dann nicht vielleicht mit aufräumlustigem oder gar aufbruchorientiertem Blick durch Wohnung und Lebenssituation gehen und alles einmal scharf ansehen?

Nach dem Schreiben dieser Zeilen rüstete der Autor dann immerhin spontan seinen Kleiderschrank auf Herbst und Winter um und hängte Sommersachen weiter weg. Immer irgendwo anfangen, nicht wahr. Er sortierte dabei auch alte Kleidung aus, kaputte Socken, Hemden und dergleichen. Er fühlt sich jetzt allerdings wahnsinnig im Flow und muss für den Rest der Woche wirklich gut aufpassen, nicht mutwillig Weiteres zu verräumen, zu kündigen oder final abzuschalten.

Wenn man schon dabei ist.

In einem Paralleluniversum, siehe Fantasyfilm, erscheint dieser Text heute gar nicht, weil bei dieser Gelegenheit auch gleich das ganze Blog gelöscht wurde und fortan noch viel mehr verändert wurde. Das alte „Ich kann auch anders“, nur mit Druck und Schwung umgesetzt. Aber zumindest dieser Handlungsstrang geht in unserem Universum vorerst wie gewohnt weiter, keine Sorge. Ich sehe nur Szenen und Möglichkeiten vor mir und winke sie lässig durch, das ist geistig vermutlich noch im gesunden Bereich.

Hofft man dann so.


***

Aber apropos Handlungsstrang. Noch passend zur gestern erwähnten KI hörte ich ein Podcast-Interview mit einer Frau, die man eigentlich ebenso reflexmäßig wie sachbuchartig mit „deutsches Blog-Urgestein“ anmoderieren müsste, aber es kommt mir doch arg uncharmant vor und wird unserer Freundschaft auch nicht gerecht. Eine eher schwierige Bezeichnung. Wer möchte schon Urgestein sein und als Fossil betrachtet werden.

Katharina Borchert jedenfalls, die auch an diesem Blog ganz und gar nicht unschuldig ist, es vielmehr damals vor unendlich langer Zeit direkt verursacht hat, spricht hier im empfehlenswerten Podcast „Frauen und Technik“ im Gespräch mit Svea Eckert und Eva Wolfangel ab Minute 21 über die Lage im Silicon Valley. Auch über die Lage der Demokratie in den USA und bei uns, und man ahnt da schon, die Laune hebt das wieder nicht.

Schnell zurücksehen also auf die eben zitierten Ringelnatz-Zeilen und hoffen, dass dieses „inwendig lebendig“ auch auf Demokratien anwendbar sein kann.

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Von Keyserling zu KI, morgendliches Herumdenken

Ich sollte vielleicht überlegen, ob der gestern auf der Müslipackung präsentierte Slogan „Weniger Inhalt – gleiche Qualität“ nicht in einem gewissen Sinne auch auf Bürostunden, Werktage und Berufsjahre anzuwenden sein könnte. Alles immer möglichst komplett durchdenken! Also zumindest versuchsweise.

Ich sah in einem etwas weiter gefassten Zusammenhang mit milder Heiterkeit einen Artikel über „AI-Workslop“. Ein Begriff, den man demnächst sicher auch in Ihren Teammeetings gut unterbringen kann, falls solche in Ihrem Alltag überhaupt vorkommen. Es geht um das KI-bedingte und ausdrücklich unproduktive Verdödeln von Arbeits- und Lebenszeit:

AI slop is taking over workplaces. Workers said that they thought of their colleagues who filed low-quality AI work as „less creative, capable, and reliable than they did before receiving the output.

Wir klicken uns also einen Wolf und scrollen sinnlos im Kreis, wir installieren mit enormen zeitlichen Einsätzen überkomplexe Softwaregebilde. Die am Ende zu wenig können. Die dabei zu viele Fehler machen und sowieso in drei Wochen von rasenden Neuerungen überholt sein werden. So in etwa.

Ja, ja, so ist das bei technischen Änderungen. So war es auch immer schon und ich nehme an, diese Phase gehört schlicht dazu und lässt sich auch historisch bestens belegt x-fach nachweisen. Bei einem ganzen Katalog von technischen Neuerungen. Man hat sicher schon bei den ersten halbautomatisierten Webstühlen viel zu lange für das Einrichten gebraucht. Wie man dann später wusste. Was allerdings nicht ausschließt, dass bei der aktuellen Entwicklung gar keine anschließende Besserung eintritt.

Es ist unbewiesen, wait and see.

Kreideschrift auf dem Pflaster: "KI macht arbeitslos - wird Zeit!"

Wobei denjenigen, die Künstliche Intelligenz (oder was wir gerade so nennen) aus welchen Gründen auch immer gerade kritisieren oder zumindest mit abwartender Skepsis betrachten, in den deutschen Medien oft mit kölschem Tiefsinn begegnet wird. Also mit „Et hätt noch immer jot jejange“. Nichts gegen Kölner Weisheiten, aber mir ist das doch etwas zu wenig als Einwand gegen die teils bestens fundierte und kaum zu ignorierende Kritik.

Wir sind bei diesem Thema aber ohnehin wieder bei einem kollektiven Definitionsproblem: Was ist wirklich „besser“ und sehen wir das alle gemeinsam so.

Ich hörte in einem Podcast gestern etwa das wilde Statement, dass Smartphones und soziale Medien der Gesellschaft nicht geschadet hätten. Das halte ich für mindestens diskutabel, was noch milde ausgedrückt ist, aber es wäre vermutlich eher schwierig, darüber sinnvoll zu reden. Weil wir uns auf die gedanklichen Grundlagen, die man für solche Befunde braucht, kaum noch einigen können.

Es gibt dazu, aber das ist nur ein kaum noch weiterführender Nebengedanke, einen schönen Satz vom sehr geschätzten Eduard von Keyserling, aus seiner Erzählung „Seine Liebeserfahrung“: „Definitionen stimmen nie, aber sie beruhigen.“

Da ist tatsächlich etwas dran, denke ich. Um auch meinerseits ein wildes Statement beizusteuern, denn das macht man jetzt so: In der Lebensspanne meiner Generation sind enorm viele abstrakte Begriffsinhalte aus der Ethik, Philosophie, Morallehre und Religion, überhaupt aus den Geisteswissenschaften und Deutungslehren, nennenswert unverbindlicher geworden.

Fast im wörtlichen Sinne – sie halten uns nicht mehr zusammen. Siehe Freiheit, Glück, Ausgewogenheit, Wohlstand, Demokratie usw. Und das macht unseren Diskurs, ich bitte um Verzeihung für den gründlich aus der Mode gekommenen Ausdruck mit übrigens interessanter Herleitung, nicht eben einfacher.

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Zwischendurch aber immer wieder auch die Gedanken aus den USA, auch hier, einen Tag später.

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KI, Dekokisten und Klimbim

Gestern erwähnte ich die Teuerung, die eskalierenden Preise im Supermarkt. Am Nachmittag sah ich dann auf einer frisch erworbenen Müslipackung die nahezu perfekt passende Bildergänzung dazu. Zwei Zeilen, über die beruflich textende Menschen womöglich lange nachgedacht haben. Ich kann mir das Brainstorming dazu in leider fast unangenehm deutlicher Stromberg-Qualität vorstellen:

Aufdruck auf einer Packung: "Weniger Inhalt. Gleiche Qualität."

Und alle Konsumentinnen so: „Yeah.“

Falls ich einmal dazu übergehen sollte, nur noch kürzere Artikel oder so etwas wie Tages-Haikus zu bloggen, ziehe ich mir dieses Bild einfach in den Header. Das schon einmal vormerken.

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Am Wochenende habe ich ansonsten viel Zeit mit Neugier und Lernen verbracht, Stunden um Stunden. An so einem Wochenende ist ja auch nicht viel dran, wie Ihnen vermutlich ebenfalls aufgefallen ist. Es ist in der Regel kürzer, als ein durchschnittlicher Kaninchenlochgang lang ist. Man interessiert sich am Sonnabendmorgen für irgendetwas und zack, ist es bereits Sonntagabend und man hat einiges von dem ganzen anderen Zeug, welches das Leben lästigerweise nahezu pausenlos bereithält, nicht gemacht und weiß auch schon, es wird sich rächen.

Es ging jedenfalls erneut um KI, ich bildete mich beflissen fort und immer weiter. Denn ich habe doch einen gewissen Ehrgeiz, mich dabei halbwegs auszukennen und dranzubleiben. Schon um auch bei den überaus einleuchtenden Gegenargumenten, von denen es immerhin etliche gibt, eher kundig zu sein als nur pauschal ablehnend. Was aber bei manchen Argumentationslinien auch legitim sein könnte, schon klar.

Jedenfalls stößt man, wenn man es sehen möchte und nicht konsequent und wie fast alle gerade ignoriert, bei vielen Ergebnissen der Standardmodelle schnell auf den Aspekt Bias, Verstetigung von Vorurteilen etc. Man kann es wirklich leicht selbst bestätigen, dass es so ist.

Dazu hörte ich eine Sendung im Deutschlandfunk, die das plausibel und einleuchtend darstellt: „Wie künstliche Intelligenz Rollenbilder zementiert.

Eine innovative Technik, Disruption und alles, mit einer erzreaktionären, traditionstümelnden Wirkung. Es ist doch staunenswert.

Aber apropos Tradition. Die Kaltmamsell hat, einem uralten Ritual folgend, ihre Stadt wieder wegen des Oktoberfestes verlassen. Was mich dazu bringt, zumindest kurz zu notieren, dass dieses Fest hier auch immer weiter um sich greift. Und zwar in einer Plastikversion irgendwo zwischen Ramsch, Jugendzentrumparty und Karneval. Immer mehr Schaufenster zeigen auch in Hamburg nun Trachten, Dirndl etc., meist in billigsten Abklatschversionen, dazu etliche blauweiße Versatzstücke und Brezeln, Bierkrüge etc. Es ist ein wenig wie beim Schlagermove, am Ende lässt sich auch dieses Fest auf lediglich eine Handvoll Ausrüstungsgegenstände und eine handliche Dekokiste mit dem üblichen Klimbim reduzieren.

Siehe dazu auch Weihnachten, das man bald schon wieder aus dem Keller holen kann.

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Ein Update zum am Sonntag erst verlinkten Thema KI und Schule reiche ich zusätzlich nach. Denn der in Elternkreisen sicher weithin bekannte Lehrer Schmidt hat auch etwas gesagt, was erwartungsgemäß hörenswert ist, außerdem angenehm kurz.

Das Video hier als Link und nachfolgend eingebunden:

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Der Content da draußen

Ich habe lange nicht mehr über ein Zwischenzeugnis nachgedacht. Bei meiner mittlerweile etwas märchenhaft lang anmutenden Firmenzugehörigkeit, bei der mein Anfangsjahr mit dem Geburtsjahr von Teamkolleginnen übereinstimmt, was man allerdings bei Kenntnisnahme auch erst einmal verdauen muss, verliert sich so etwas leicht, während die Monate dahinfliegen.

Aber ich entnehme heute einem anderen geschätzten Blog doch eine mögliche Formulierung für so ein Dokument. Sie wird mir dort einladend serviert: „Herr Buddenbohm war fast so produktiv wie eine Berliner Badezimmerheizung.

Es hat einen gewissen Klang, hat es nicht?

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Noch eine verwertbare Notiz vom Wochenende gab es ansonsten, ich tue mich aber ungewohnt schwer damit. Denn wieder wirkt es so unangenehm konstruiert, was ich da erlebt habe. Diesmal etwa so, wie man es aus diesen kleinen Spielszenen in Fernsehsendungen mit ansonsten eher dokumentarischem Charakter kennt, aus diesen Spielszenen also, die Schlagzeilen und Thesen etwas unangenehm plakativ untermauern sollen. Die dann meist nicht einmal gut gespielt sind, sondern eher etwas hölzern und laientheaterhaft. Aber nun, auch hierbei gilt: Es ist, wie es ist.

Bzw. es war, wie es war, und die beteiligten Menschen haben immerhin nicht schlecht gespielt, sondern waren nur, was sie waren, und benahmen sich auch so. Wie wir alle meistens, wenn wir nicht gerade doch über unsere Rolle und das verdammte Skript nachdenken.

Und so war es nämlich, dass ich eingekauft habe, wie jeden Tag, mein routinierter Kontakt mit der Außenwelt. Die dabei trotz meines eher zurückgezogenen Lebensstils immerhin diverse Chancen hat, sich mir zu präsentieren, auf mich einzuwirken, sich so oder so darzustellen, mir Chancen, Drohungen und Content zuzureichen.

An der Kasse lud ich meine Waren aus dem Wagen und legte sie auf das Band, während die Kassiererin weiter vorne schon anfing, die ersten Artikel zu scannen. Die ersten beiden Packungen allerdings, Waren aus dem Convenience-Bereich des Kühlregals, besonders geeignet zur Fütterung des Nachwuchses im Hangry-Zustand, zog sie mit einem mehrfach wiederholten Ausruf des Erstaunens zwei-, dreimal über den Scanner.

Der Parkplatz der Firma "Wurst & Durst" am Hauptbahnhof mit entsprechendem Schild

Sie sah sich dann die Packungen genauer an und blickte noch einmal auf den angezeigten Preis im Display. „Das ist doch auch schon wieder teurer geworden“, sagte sie und schlug mit der flachen Hand empört auf das Laufband. „Und in der Werbung heißt es gerade irgendwas mit billig, weißte! In dem Spruch da, die sagen immerzu billig! Ja was, soll ich mir jetzt noch einen dritten Job suchen oder was, um den Scheiß zu bezahlen, wer soll denn da noch gegen ankommen?“

„Hab‘ ich schon“, sagte die Frau, die hinter mir ihre Waren aufs Band legte. „Was?“ fragte die Kassiererin irritiert, die nicht mit ihr geredet hatte. „Den dritten Job“, sagte die Frau, „also den hab‘ ich schon. Schon längst. Und schön ist das nicht.“

Falls Sie sich also zwischendurch oder etwa beim nächsten Einkauf fragen, ob Sie der einzige Mensch sind, dem immer noch oder wieder auffällt, wie die Kosten sich nach wie vor weiter in nur eine Richtung entwickeln: Dem ist offensichtlich nicht so.

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Für eine Handvoll Links

Gesehen: Diese kurze (26 Min.) arte-Doku über die abgedrehte, aber immerhin erzählfreudige Clique um Byron, Mary Shelley und Konsorten. Über Frankensteins Monster und das vom Wetter her seltsame Jahr 1816: YouTube-Link.

Davon abgesehen halte ich den Roman allerdings nicht für ein Buch, das sich heute noch gut lesen lässt. Aber bitte, das ist selbstverständlich Geschmackssache. Und das Motiv der Erzählung bleibt uns sicher für alle Zeiten erhalten, was zweifellos auch eine Leistung ist, keine Frage.

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Im Landlebenblog werden Gedanken von hier aufgegriffen, aber viel ansprechender bebildert. Wie es bei der Fotografin und auf dem Land nicht anders zu erwarten ist.

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Beim Kochen etc. sehe ich mir gerade altes Fernsehen an, nämlich sämtliche Folgen von Tilman Spenglers „Klassiker der Weltliteratur“, die von 2009 bis 2011 liefen. Hier verlinkt mit einem beliebig gewählten Beispiel: Die Folge über Borges, von dort findet man leicht zum Rest des Vergnügens. Die Folgen haben je etwa 14 Minuten, die passen also gut zwischendurch.

Es sind rund hundert Folgen. Man kommt also eine Weile damit aus, und so etwas kann auch erfreulich sein.

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Blick über das Bleichenfleet Richtung Michel

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Ab und zu findet man es vielleicht nützlich und absichernd, wenn andere die eigenen Gefühle bestätigen. Besonders dann, wenn sich diese anderen mit den Vorkommnissen, welche die Gefühle auslösen, viel besser auskennen als man selbst, denn dann verschätzt man sich womöglich gerade weder im Geiste noch in den Gefühlen. Einerseits.

Andererseits ist es eher fatal, wenn auch gestandene Nachrichtenmenschen wie Philip Banse und Ulf Buermeyer davon berichten, wie die Arbeit, wie also ihre fortwährende Beschäftigung mit dem Zustand der Welt, ihnen in diesen Zeiten die Stimmung nachhaltig versaut. Hier in der aktuellen Ausgabe der Lage der Nation.

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Im KI-Podcast von Heise gibt es eine Folge, die für Lehrerinnen und Lehrer, auch für Eltern und sogar für schulpflichtige Teenager, unbedingt interessant sein dürfte. Der Wiener Lehrer Bernhard Gmeiner facettenreich über den Umgang mit KI in der Schule. Noch so ein abgründiges Thema, mit dem man vielleicht nur bedingt anfangen möchte. Aber doch irgendwie muss, situationsgetrieben.

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In diesem Musikpodcast über das allseits bekannte „Mmm Mmm Mmm“ von den Crash Test Dummies habe ich gehört, dass sie bereits vor diesem Song einen Hit hatten, im Jahr 1991, allerdings nur in Kanada. Ich kannte ihn nicht, habe ihn vermutlich nie vorher gehört, und fand dann aber, dass es ein gut geeignetes, angenehm ruhiges und geradezu besinnliches Lied für einen Sonntagnachmittag ist. Also um es sogar mehrfach zu hören, bevor man am Montagmorgen wieder routiniert losfliegt: „Forget Krypton and keep going.

Es kommt mir auch gerade vor, als sei dies noch so ein Satz, den man sich vielleicht an den Spiegel kleben sollte.

Das Video hier als Link und nachfolgend eingebettet.

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Was schön war

In einem Gespräch mit Sohn II erwähne ich aus Gründen, die leider eher uninteressant sind, den Begriff Dongle. Und ich sehe dann an seinem Gesicht, ich höre kurz darauf an seiner ungläubigen Antwort, dass er genau wie ich beim Erstkontakt auf dieses Wort reagiert. Also wie ich damals reagiert habe, als es zum ersten Mal im Büro auftauchte. Nämlich mit der Annahme, mein Gesprächspartner, der damalige IT-Chef, würde sich da eventuell einen eher albernen Spaß mit mir erlauben. Ja, klar, ein Dongle, was willst Du mir noch erzählen. Und zwei davon sind ein Dinge-Dongle oder was. Komm, hör auf, keine blöden Witze jetzt.

Das fand ich jedenfalls schön, diese Wiederholung meiner Reaktion auf einer jüngeren, ähnlichen Ausgabe meines Gesichts. So also kehrt Geschichte auch wieder.

Es ist aber überhaupt so eine Sache mit diesen albern klingenden Begriffen, die man nicht kennt. Ich weiß noch, dass ich im Jahr vor meiner Einschulung drauf und dran war, die Freundschaft mit einem etwas älteren Nachbarmädchen rabiat zu beenden, weil es darauf bestand, dass es im Englischen den Dankes-Ausdruck „Thank you very much“ gäbe.

Ich aber war geistig frühreif und überaus wachsam, weswegen mir so leicht keiner erzählen konnte, dass das Wort Matsch im Englischen dermaßen prominent vorkommt. Mir nicht!

Und dieser IT-Chef von damals, es ist wirklich schon recht lange her, der ist auch noch eine weitere Erwähnung wert, fällt mir ein. Eine Erwähnung, bei der ich mich dann wieder ein Stück älter fühlen werde, und Sie, wenn Sie diese Zeit noch erlebt haben, sicher ebenfalls. Es war nämlich jene Zeit, in welcher wir in den Büros noch geraucht haben, was man sich heute doch nur noch schwer vorstellen kann. Diese nebelverhangenen, eingeräucherten Büroflure, diese Schwaden überall, dieser chronifizierte Sauerstoffmangel bei uns allen.

Mit jenem IT-Chef hatte ich viel zu tun damals, saß dauernd in seinem Büro. In das zwischendurch immer wieder Kolleginnen oder Kollegen kamen, manchmal sogar angerannt kamen. Denn man hatte in jener Zeit bei Vorkommnissen aller Art noch persönlichen Kontakt, manchmal sogar viel davon. Sie kamen, um etwa aufgeregt von Fehlfunktionen zu berichten, von Software-Bugs, von kaputter Hardware, fehlenden Kabeln, wackelnden Steckern und dergleichen.

Er hatte eine Standardreaktion, der IT-Chef. Er stopfte sich, ganz wie es Kommissar Maigret bei Simenon tat, beim Zuhören langsam eine Pfeife. Dann zündete er sie äußerst umständlich an, in aufreizender Gemächlichkeit, lehnte sich zurück und nahm die ersten Züge. Sah sinnend dem Rauch nach, der zu den Neonröhren aufstieg, nahm schließlich die Pfeife aus dem Mund und sagte zu dem aufgeregten Menschen da vor sich: „Gut. Beobachten Sie weiter die Situation.“ Womit die Audienz beendet war.

Wir hätten zählen sollen, in wie vielen Fällen dies auch die korrekte und angemessene Reaktion war. Aber leider weiß ich es nicht genau und kann daher nur vermuten, dass es mit einiger Sicherheit die Mehrheit der Vorkommnisse gewesen sein wird.

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Die letzten Hammerbrookbilder müssen ansonsten weg und verpostet werden, ich habe nur noch einen Bürotag in jener Gegend vor mir. Und bald kommen dann kommen frische Stadtteilbilder aus attraktiveren Zonen der Stadt.

Blick über den Südkanal in Hammerbrook

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Für mich bitte normal

Nachdem die Woche nun ein paar Tage läuft und ich also mittlerweile etwas gründlicher hingefühlt habe, wie Sie vermutlich auch, werde ich einen gewissen Verdacht nicht los, dem man eigentlich nachgehen müsste. Weil da doch etwas nicht stimmt, und man müsste, man sollte mehr darüber wissen.

Denn es ist ja so, und es haben immerhin auch andere bemerkt, wie ich aus Gesprächen weiß, dass die Tage in dieser Woche nicht in der üblichen Länge ausgeliefert worden sind. Was man leicht daran merkt, dass auf einmal nicht mehr alles hineinpasst, was man so macht, wie auch daran, dass es dauernd etwa zwei Stunden später ist, als man denkt. Dass also fortwährend weniger Tag übrig ist, als übrig sein müsste, ginge es hier noch mit rechten Dingen zu. Aber uns wird Zeit entzogen, so sieht es aus.

Vielleicht hätten wir am Montag schon damit anfangen sollen, die Stunden nachzuzählen und genauer im Auge zu behalten, um der Sache auf die Spur zu kommen. Aber was soll man noch alles machen, nicht wahr.

***

In der Bäckereikettenfiliale bestelle ich das Brot, das ich immer dort bestelle. Dieses Brot gibt es in den Ausprägungen bio und normal, wobei normal besser schmeckt, warum auch immer. Also bestelle ich das auch. Das normale Brot.

Die Verkäuferin greift zum teureren und schlechter schmeckenden Biobrot, ich sage nein, normal. Sie sagt, bio sei doch normal, und da sind sie auf einmal wieder, diese stechenden, spontan auftretenden Kopfschmerzen bei mir. Nein, bio sei bio, sage ich im Versuch, mir einen Rest Logik in Standardsituationen zu bewahren.

Ja, sagt sie, das sei bei mir doch normal, das bio. Welches ich in dem Fall vielleicht großschreiben müsste, das Bio, es klingt aber dennoch seltsam und sieht komisch aus.

Nein, sage ich jedenfalls, bei mir sei wie immer normal normal, und zwar jeden zweiten Tag, bei jedem Broterwerb, nun seit Jahren schon. Also nicht bio, fragt sie noch einmal in betont skeptischem Tonfall und sieht mich an, als wüsste sie es entschieden besser, was bei mir normal sei. Und zwar viel besser, mit einem ein wenig unangenehm mütterlich anmutenden Gesichtsausdruck der kompetenten Einschätzung: „Ich weiß doch, was du magst.“

Normal, sage ich mit allerdings schon schwindenden Geisteskräften, das normale Brot, bitte. „Also normalerweise …“ murmelt sie dann noch, führt den Satz aber nicht zu Ende. Sie nimmt nur das Brot, immerhin das normale, geht damit rüber zur Schneidemaschine und fragt routiniert: „Wie geschnitten? Normal?“

Ich überlege, ob es am Ende auch Bioschnittvarianten gibt. Es wundert einen ja nichts mehr, und im Hirn multitaskend überlege ich auch, ob ich das Brot künftig nicht selber backen könne. Komplexen Situationen konsequenter ausweichen! Alles muss einfacher werden, Verwicklungsmöglichkeiten drastisch reduzieren. Normales Brot backen. Aber in welchen Stunden, wo doch, siehe oben, uns gerade welche abgezogen werden. Was übrigens nicht normal ist.

Denke ich so.

Währenddessen steht die Verkäuferin vor mir und macht nichts. Warum steht die da, warum sieht die mich so an. Fragend sieht sie mich an, und dann redet sie auch schon wieder: „Also wie jetzt. Normal?“

Im Zweifelsfall, so denke ich dann noch beim Jasagen, im Zweifelsfall bitte immer alles normal. Zumindest im Alltag, beim Bäcker und auch etwa im Büro. Am besten aufs T-Shirt drucken lassen: „Für mich bitte normal.“

Als würde ich jemals T-Shirts mit Botschaften tragen, das wäre doch irgendwie nicht normal bei mir.

Aushänge an der Hamburger Oper, drei Rahmen mit den Texten darin: "Für Sie", "Für Euch", "Für alle"

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Heute kein Text, dies ist der Text dazu

Ich hörte ein Zeitzeichen über Agatha Christie, dann eines über die Mayflower (je rund 15 Min.), letzteres leider mit logischer Verbindungslinie zu dem, der sich jetzt drüben dummerweise Präsident nennt und mit dem ich mich gar nicht so gerne beschäftige.

Dann noch ein Kalenderblatt über einen sympathischeren Menschen von da drüben, über einen Jungen vom Land: B. B. King (6 Min.). Den könnte man auch mal wieder hören, „The thrill is gone“ passt gewiss zu der einen oder anderen Bürostunde.

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Und dann noch ein Link für einen eher kleinen Kreis, ich weiß – aber ich mag meinen Nachbarn, das Ohnsorg-Theater, und besonders mag ich deren Prosa-Adaptionen dort. Im November gibt man z. B. als Wiederaufnahme „De Schimmelrieder“, nach dem „Schimmelreiter“ vom ollen Theodor Storm. Als Dreipersonenstück (keine bezahlte Werbung, nein.)  Und die Buddenbrooks, sehe ich nebenbei, habe ich irgendwie komplett verpasst, dabei gehe ich doch jeden Tag an dem Gebäude vorbei. Schlimm.

Aber es gibt weitere Aufführungen, vielleicht noch ins eigene Programm übernehmen? Ja, mach nur einen Plan.

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Blick über das Bleichenfleet in der Dämmerung

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Davon abgesehen aber fällt der reguläre Blogartikel heute leider aus, denn in meiner regulären und eigentlich familienintern nahezu geheiligten Schreibzeit hatte ein Sohn, der versehentlich und irritierenderweise ebenfalls schon wach war, Fragen zu ChatGPT und anderen Tools dieser Art. Zu Recherchemöglichkeiten und zu den Fehlerwahrscheinlichkeiten also, zu Halluzinationen, Personalisierungen und Anbindungen an andere Dienste und zu all dem.

Dem habe ich mich kurzentschlossen gestellt. Ich habe das alles nach Kräften beantwortet und habe, wo es mir nötig erschien, auch etwas weiter angeregt, außerdem notwendige Zweifel gesät sowie zu Anschlussfragen aufgefordert. Dann noch auf dies und das hingewiesen und überhaupt. Wie nennt man das, Dadsplaining, aber eben auf Bestellung, also war es wohl in diesem Fall in Ordnung.

Es ist definitiv so, dass ich das machen muss, wann immer sich eine Gelegenheit dazu bietet. Es ist eine drängende, ernstzunehmende Pflicht. Eine Pflicht, der sich gewisse andere nämlich nicht stellen.

Der Autor sieht an dieser Stelle das deutsche Bildungssystem sehr scharf an, bildet steile Falten auf der Stirn aus, schüttelt den Kopf, murmelt in ungewohnter Schärfe etwas von „alle Hoffnung fahren lassen“ und wirkt generell auf einmal etwas verstimmt. Er betont aber dennoch ebenso pflichtgemäß wie auch wahrheitsgetreu, dass er ausdrücklich das System meint, nicht aber einzelne, bestens motivierte und auch oft bemerkenswert bemühte Fachkräfte. Die wiederum das System manchmal ebenso ansehen wie er selbst. Ja, ja, er weiß es doch. Sie müssen sich nicht in den Kommentaren ereifern.

Aber interessant: Kaum regt man sich etwas auf, hat der Text auf einmal doch die normale Blogartikellänge. Guck an.

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Ein Lächeln, zwei Lächeln, dann Sätze

Ansonsten gibt es gleich mehrere frische Corona-Fälle im Umfeld. Und, aber das ist diesmal nur eine zufällige Gleichzeitigkeit, einen Elternabend, der digital stattfindet. Nanu!

Leichte Throwback-Wallungen wollen bei dieser äußerst unangenehmen Kombination dringend veratmet werden, merke ich, denn Verdrängung kann ein so überaus kostbares seelisches Gut sein. Beim Elternabend fällt dann das auffällige Wort „Verleihfeier“, welches sich auf das Abitur bezieht und mir mit einiger Sicherheit noch nie vorher begegnet ist. Verleihfeier. Seltsam. So hieß das damals bei uns nicht.

Aber wir hatten ja eh nichts. Nicht einmal dieses Wort, wie ich mit bebender Unterlippe feststellen muss.

In Hamburg gibt es übrigens durch die ungewöhnlich späten Sommerferien gerade das eventuell kürzeste Schulhalbjahr jemals. Zumindest haben jetzt mehrere Lehrkräfte erwähnt, dass sie sich an nichts Vergleichbares in ihrem Berufsleben erinnern können. Selbstverständlich werden dennoch alle Beteiligten genötigt, das übliche und also rappelvolle Programm in den deutlich knapperen Zeitraum zu pressen. Es war ein wenig erwartbar.

Nicht unerheblichen Stress wird das auslösen, zwei Arbeiten in jeder Woche werden geschrieben werden müssen und dergleichen. Sprechen Sie also die Jugendlichen und Kinder der Stadt in diesem Jahr besser nicht auf die besinnliche Vorweihnachtszeit an, wenn der Herbst vorangeschritten ist.

Sie werden dabei vielleicht ausfällig oder handgreiflich, und ich könnte es verstehen.

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Ich höre nach wie vor die „Madame Bovary“ von Meister Flaubert (Audiotheklink) und wundere mich nebenbei erst nur am Rand, dann aber immer mehr, dass es in all den Jahren seit dem Erscheinen des Buches noch niemanden gab, der das Buch noch einmal und aus der Sicht von Charles erzählt hat. Ich finde es dermaßen naheliegend.

Vielleicht gab es das aber auch längst und das Werk ging sang- und klanglos wieder unter, mag sein. Oder ich habe es einfach verpasst, weil es nicht bekannt genug geworden ist. Aber gut, neben Flaubert zu bestehen, das ist auch nicht die leichteste Übung im Literaturbetrieb.

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Und apropos Literaturbetrieb. Ich schreibe hier bekanntlich oft über die Bezüge zwischen der Realität und ihren mehr oder weniger passenden Abbildungen oder Verzeichnungen in Büchern, Filmen etc. Da kann ich auch einmal etwas Originelles ergänzen, das ich so vermutlich noch nicht hatte: Denn neulich war ich in den ersten drei, vier Minuten einer romantischen Komödie. Womit man doch nicht unbedingt rechnet, nicht wahr. Oder ich jedenfalls nicht.

Das fand statt in einer Buchhandlung, was zweifellos ein hervorragend gewählter Ort ist, um romantische Komödien beginnen zu lassen. Da hat man dann gleich und trotz der absehbar flachen Liebeshandlung im Rest des Films etwas Niveau signalisiert. Eine Buchhandlung in einem ausgeprägt woodyallenhaften New York wäre vielleicht eine noch bessere Wahl gewesen als die etwas trostlose Filiale einer großen deutschen Kette, in der ich war. Aber man muss nehmen, was einem die Gelegenheit zu bieten hat.

Da stand ich also vor einem Regal und suchte ziellos vor mich hin, was eine in diesem Zusammenhang selbstverständlich ungewöhnlich attraktive Frau neben mir auch gerade machte. Wobei ich das „äußerst attraktiv“ zunächst nur aus dem Augenwinkel feststellte, denn ich bin meist um Höflichkeit bemüht und starre keine Menschen auffällig an. Nicht einmal solche.

Wir griffen dann aber beide gleichzeitig nach einem ebenfalls attraktiven Buch, und unsere Hände hätten sich dabei berühren können. Wenige Zentimeter nur dazwischen, ach was, Millimeter nur, und dann ein nachfolgend ausgetauschtes Lächeln, zwei Lächeln also, schließlich sogar einige Sätze.

Solche Sätze, die sich auffällig leicht und gefällig ergänzten. Solche Sätze, bei denen ein für Hamburger Verhältnisse ungewohnt direkt nachfolgender Gedanke an einen Kaffee oder dergleichen, irgendwo gemeinsam getrunken und warum eigentlich nicht sofort, gar nicht mehr so abwegig schien. Sondern im Gegenteil verdächtig naheliegend, wie ungewohnt auch immer.

Solche Sätze auch, bei denen ich die allzu nahe liegende Frage, was ausgerechnet ich denn bitte in so einem Filmbeginn als männliche Hauptrolle verloren haben könnte, gerne noch etwas länger verdrängt hätte. Für einige ausgesprochen wohltuende Minuten wenigstens.

Bis ihre beiden kleinen Kinder und ihr Mann im Gewühl des vollen Ladens wieder zu ihr fanden und sie dann sofort anderweitig beschäftigt war, und das auch sehr. Aber für einen Moment …

Es ist dann auch einmal nett, so etwas, und das ist noch zurückhaltend ausgedrückt. Etwas anregender ist es auch, etwas belebender und deutlich stimmungsaufhellender als diese trostlosen Standardszenen in den ewigen Arthouse-Doku-Dramen, in die einen der Alltag sonst immer wieder unberbittlich hineinschreibt. Als könne man nur genau diese eine Rolle, so wie Pierre Brice für uns immer Winnetou war. Kann ich nur eine Rolle? Bin ich denn der Apache des Alltags?

Der wirft einem aber auch Fragen hin, dieser Alltag – schlimm.

Kreideschrift auf dem Pflaster: Darfst du das?

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