Der kleine Tierfreund

Da die Kaltmamsell in den Kommentaren zum letzten Artikel “Die Moselreise – Roman eines Kindes” von Ortheil empfohlen hat, habe ich mir das Buch aufs Handy geladen und umgehend angelesen. Ich hatte heute eine Stunde komplett freie Zeit dafür, da die Söhne im Jumphouse waren (keine bezahlte Werbung) und ich im Vorraum auf sie wartete, über die Aktion wird Sohn I eventuell noch schreiben. Ein sehr feines und rührendes Buch ist das jedenfalls, ich danke für die Empfehlung.

Was Sohn I sicher nicht über das Jumphouse schreiben wird, das nehme ich schon vorweg. Ich bin nämlich wegen meiner immer noch schrottreifen Ellenbogen nicht mit in diese Trampolinhalle gegangen, das schien mir nicht ratsam. Als die Herzdame das letzte Mal Kunststückchen auf einem Trampolin machen wollte, da hatte sie hinterher wochenlang Spaß mit einem Orthopäden, und die Herzdame ist deutlich jünger als ich und hat zwei völlig gesunde Arme. Ich habe also weise verzichtet, was mir, wie man sich vielleicht denken kann, nicht allzu schwer fiel. Herumhüpfen, nein, das ist einfach nicht meins. Andere Eltern sahen das anders, andere Eltern gingen da wild entschlossen und in betont sportlichen Klamotten mit rein – und ich habe mich mehr so nach innen etwas darüber amüsiert, dass die deutliche Mehrheit dieser anderen Eltern nach etwa zehn Minuten mit hochroten Köpfen ziemlich wörtlich in den Seilen hing oder in den Gastrobereich retirierte. Auf Trampolinen herumzuhüpfen ist nämlich doch nicht mehr ganz so einfach, wenn man ein gewisses Alter und ein gewisses Gewicht überschritten hat. Es sieht nur leicht aus.

Ich kann mich nicht erinnern, in meiner Kindheit einem frei bespielbaren Trampolin begegnet zu sein. Es gab zwei Dinge, die damals beim Springen halfen. Zum einen das Sprungbrett, das unser stets heillos besoffener Sportlehrer immer vor den großen Kasten schob, damit Kleine wie ich und auch Übergewichtige an dem Gerät eine Chance hatten. Zum anderen das Sprungbrett am Einer im Schwimmbad, von dem mich anlässlich des endlich zu erwerbenden Freischwimmers der Schwimmlehrer ohne Warnung warf. Es gibt so Vorkommnisse, die merkt man sich für die Ewigkeit und ja, das habe ich schon einmal erzählt. Da kann man mal sehen, was so etwas anrichtet.

In der Sporthalle der Schule gab es zwar ein kleines Trampolin, fällt mir gerade ein, das wurde aber nie aus dem Verschlag geräumt, das stand da eben so herum. Hochkant abgestellt.

Und übrigens immer wenn ich daran denke, wie viele unverkennbar alkoholkranke Lehrerinnen und Lehrer ich hatte, wie viele Erlebnisse mit krass übergriffigem Lehr- und Betreuungspersonal aller Art, fällt mir wieder auf, dass die Söhne es in dieser Hinsicht eindeutig besser haben, das kann und muss man doch ab und zu lobend erwähnen. Es wird nicht alles schlechter.

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Wir haben Ameisen in der Küche, es sind so dermaßen viele, da muss man etwas machen. Ich bitte also einen Sohn, das mal eben zu recherchieren, wozu hat man große Kinder. Der Sohn geht an den Computer, wie wir es alle machen würden. Allerdings sieht er gleich auf Youtube nach, ich dagegen hätte wohl erst einmal gegoogelt, das sind so die Unterschiede. Die Ergebnisse sind aber nicht großartig verschieden, merke ich später, man kommt bei solch einfachen Fragen auf dieselben Hinweise und guckt dann kurz darauf gemeinsam in den Schränken nach Backpulver, Essig, Spülmittel, Gurkenschalen und Zimt. Ich war auf Google deutlich schneller als er, er weiß dafür aber besser, was man genau wie mit dem Zeug machen muss, denn er hat ja Bilder gesehen – es gleicht sich irgendwie aus.

Ansonsten möchte ich Ameisen in der Küche als stundenlange Beschäftigung für Kinder ausdrücklich empfehlen, denn man muss ja herausfinden, wo die Tierchen herkommen, wo sie hingehen, was sie unterwegs so machen und welche Lebensmittel sie besonders toll oder abstoßend finden, ganz wie ein richtiger Tierforscher. Und genau wie die echten Tierforscher muss man dazu natürlich alles gründlich und lange beobachten, fotografieren und filmen. Darauf hätte ich auch früher schon viel kommen können, so ein billiges, lehrreiches und leicht verfügbares Entertainment.

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Die Deutsche Welle schaltet die Kommentare ab, ein längst überfälliger Schritt.

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Eine Reportage über einen Unfall. Auch beklemmend.

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An den Wänden geht es hier im Stadtteil gerade so zu, es eskaliert gewissermaßen vor sich hin:

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Was noch? Ein weiteres Filmchen, wir bleiben bei dem oben eingeleiteten Gefühlsmodus. Was man im Internet eben so findet.

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Nachdem mir auf der Wanderung mit Sohn II an der Ostseeküste so viel aufgefallen ist, was ich notiert und ausgewertet habe, so viel sogar, dass es mindestens noch für zwei, drei Blogeinträge reichen wird, bin ich heute zum Vergleich durch den ganzen Stadtteil hier gegangen. Ich bin ganz langsam gegangen und habe mich besonders viel umgesehen, ich habe auch hier und da bei den Gesprächen der Passanten mal hingehört. Ich bin ab und zu auch extra lange einfach so in der Gegend stehen geblieben – und mir ist überhaupt nichts aufgefallen. Nichts, gar nichts, worüber ich schreiben könnte, nur blanker Alltag der reizlosesten Art, das meinte ich neulich mit den Sehstörungen in der eigenen Hood. Hier ist nichts, gehen Sie weiter, es gibt nichts zu sehen.

Ich muss also wirklich wieder los, allerdings wird das an diesem Wochenende nicht klappen. Wir müssen und wollen nächste Woche zur Trauerfeier für die Urgroßmutter der Söhne, das verwirbelt terminlich erst einmal einiges. Wenn hier wieder mal nichts erscheint – Sie wissen Bescheid, ich fahre durch die Gegend. Und ab Montag geht es auch zurück ins Büro, es wird irgendwie nicht einfacher. Aber ich bleibe dran.

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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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9 Kommentare

  1. Trampolin! Erstaunlicherweise ist das eine der wenigen Sportarten, die ich damals tatsächlich eine Weile und mit einem gewissen Vergnügen betrieb. Zufall: meine Eltern kannten einen Lehrer, der sowas machte, und der holte mich dazu auch noch ab, es war in einem Nachbarort, in einer Turnhalle ein richtig großes Profitrampolin, nicht so ein Gummiding, wie man es aus Videos kennt, wo es unweigerlich zerreißt. Das ist jetzt allerdings auch schon 40 Jahre her, und ob ich darauf immer noch eine gute Figur machte, wäre Gegenstand eines Versuches.

  2. Danke für den Ortheil-Buchtipp, ich wollte das immer gelesen haben, nachdem ich von „Die Erfindung des Lebens“ so angerührt war. Habs dann aber wieder aus den Augen verloren. Der deutsche Buchmarkt ist so weit weg. Wird nicht mehr vergessen. Ich hingegen empfehle gerne von Alexandra Horowitz „Von der Kunst die Welt mit anderenAugen zu sehen. Elf Spaziergänge und das Vergnügen der Aufmerksamkeit.“
    Ameisen haben wir hier auch, jedes Jahr, aber sie sind ein vorübergehendes Problem (anders als die Moskitos). Sie kommen, sind eine Weile überall, auch im Kühlschrank, und dann sind sie wieder weg. Ohne Mittel, ohne alles. Heute morgen hatte sich ein Großteil der Ameisenbevölkerung in einer Nektarine versammelt – die Nektarine war seltsam Fruchtfleischleer und es wuselte Ameisendoll. Ich musste sie dann doch alle entsorgen. Die Verbliebenen amüsieren sich jetzt im kandierten Ingwer.

  3. Klingt jetzt martialisch. Ist aber sanft, weil nur wenige Ameisen dran glabend müssen: Mitten auf der Ameisenstraße einige Tiere töten und Wichtig! liegen lassen. Die werden weggeräumt vom Rest. Dann wieder einige und liegen lassen. Recht schnell merken die Ameisen, dass auf dieser Strecke Gefahr droht und gehen woanders lang.

  4. Ich habe (Jahrgang 1945) selten eine so außergewöhnlich gute Sendung über unsere Nachkriegsvergangenheit gesehen wie “Kulenkampffs Schuhe“. Sehr vieles deckt sich mit meinen Erfahrungen. Die Schilderung der Autorin, wie ihr Vater (kraft gesetzlicher Rechte) nach der Eheschließung das Arbeitsverhältnis der Mutter aufkündigte. Er, nicht die Frau selbst. Ein deja vu! Denn genauso machte das auch mein Vater. Der kein Konservativer war, sondern meinte, fürsorglich zu sein.
    Man macht sich heute keinen Begriff mehr, welche autoritären Denkstrukturen aufzulösen waren.

    Durch die Verknüpfung der Zeit- mit persönlicher Geschichte ist es der Autorin gelungen, eine ungeheuer spannende Sendung zu produzieren.

    Den Einfluss der als roten Faden dienenden Unterhaltungssendungen (Kulenkampffs loses linkes Mundwerk, Rosenthals jüdisches Schicksal) auch als Mittel der Aufklärung eines großenteils verblendeten Volkes schätze ich relativ hoch ein. Bei einer Sehbeteiligung damals bis 90%!

  5. Trampolin fand ich toll! In der Schule kam das kleine, runde ab und an zum Einsatz. Es gibt ein ca. 50 Jahre altes Foto von mir, da hüpfe ich auf einem kinderzimmergroßen in die Erde eingelassenes Trampolin herum. Ich erinnere mich immer noch an das Gefühl, leider nicht mehr an den Ort. Es muss eine dieser Freizeiteinrichtungen vom Typ „Revierpark“ im nördlichen Ruhrgebiet gewesen sein, gibt es heute leider nicht mehr.
    Danke übrigens für den Hinweis und Download Link zu Kulenkampff, ich hatte das verschlafen im wörtlichen Sinne.
    Und wo kamen die Ameisen denn her? Kann man vielleicht lernen,worauf man achten muss. Hier bleiben sie glücklicherweise im Garten, toi, toi, toi.

  6. Die Dokumentation ist wirklich sehenswert, danke für den Hinweis.

    Alkoholkranke, kriegstraumatisierte Lehrer, ja, davon hatten wir auch einige, um es mal vorsichtig zu formulieren. Rückblickend betrachtet finde ich genau zwei, die nicht auf die eine oder andere Art einen merklichen Knacks hatten, manchmal sogar noch sichtbar (der Lehrer mit der Augenklappe und dem Holzarm, der mit dem nervösen Zucken, wann immer die Klingel schrillte und der dann in Pension ging, nachdem er bei einem unangekündigten Sirenentest – vielleicht hatte er die Ankündigung auch nur nicht mitgekriegt – unters Pult hechtete, sehr zur Erheiterung seiner vierten Klasse. Der, der eine Schülerin ohrfeigte, weil sie ihn unterbrach und auf dem Elternabend vom Klassenlehrer mit den Worten ‚Herr Doktor S. war in Russland, er ist manchmal etwas kurz angebunden‘ entschuldigt wurde. Die Lehrerin, die als Kind in Theresienstadt gewesen war und uns Mittelstufenkindern weinend die Details erzählte.

    Für diese Lehrer und Lehrerinnen müssen die paar 68er Lehrer, die jungen, langhaarigen Gammler in Cordanzügen, mit Ohrringen und ohne Krawatte, die sich mindestens mit den Oberstufenschülern duzten, wie ein Schlag ins Gesicht gewesen sein. Kulturschock total. Wir waren zu jung, um die Zusammenhänge zu sehen, aber die Atmosphäre war so dick wie der Zigarettennebel im einer Billardkneipe.

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