Kreise, Zigarren und Zusammenhänge

“Wie aus gut unterrichteten Kreisen verlautet”, das ist so eine Standardformulierung im Journalismus, die feine Bezeichnung für Gemunkel aller Art, stille Post für graue Herren (und Damen) in den Hauptstädten und Zentralen der Welt. Auf Twitter hat man weniger Platz als auf den Medienseiten, deswegen wird diese Formulierung da manchmal abgekürzt und ein Tweet beginnt dann so –

“Kreise: Bundeskanzlerin Merkel blahfasel raun …”

Einfach so, Kreise Doppelpunkt, ich denke mir das nicht aus. Kreise als Kurzform für irgendwer sagt irgendwas zu irgendwem, ich weiß nicht, ob ich das nur lustig oder auch seltsam schön finden soll, die komplett sinnfreie Erwähnung einer geometrischen Figur am Textanfang, man möchte sofort zu Wolf Schneider schalten. Da immer irgendwer irgendwas sagt, könnte man es fast überall davor setzen, es stehen doch immer Kreise am Anfang einer Geschichte oder einer Meldung, Quellenbenennung in ganz grob, reicht doch, who cares, und wenn man das oft genug macht, fragt eh keiner mehr nach dem Sinn. Man benutzt es eben, weil es common sense ist, zwei Generationen weiter beginnen junge Journalisten vermutlich einfach jeden Text routinemäßig mit “Kreise:”, weil man das eben so macht, weil journalistische Texte nun einmal so anfangen.

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Es gibt hier in der Nähe einen Zigarrenladen. Da stehen ein paar Stühle vor der Tür, darauf sitzen, wenn es nicht regnet, Männer, die sich gerade Zigarren gekauft haben, und rauchen. Es sind immer Männer, die da sitzen, Frauen rauchen keinen Zigarren. Oder zumindest nicht in der Öffentlichkeit. Ich nehme an, es sind recht teure Zigarren, die sie da rauchen, es sind sicher nicht irgendwelche Nebenbeizigarren, wie sie etwa ein Großonkel von mir in meiner Kindheit geraucht hat, der immer so einen dicken Stumpen im Mund und eine blaugraue Wolke um sich herum hatte. Der war Tischler, roch nach Holz, Sägespäne und Tabak und nannte mich wegen meiner Frisur Prinz Eisenherz, obwohl ich doch sehr blond und nicht schwarzhaarig war. Das fand ich gut und saß gerne auf seinen Knien, wenn er unser Wohnzimmer gründlich vollqualmte, zumal ich genau wie der Prinz in den Büchern für Prinzessin Aleta alles getan hätte, alles und mehr, weswegen die Bezeichnung schon zu mir passte. Ob der Prinz diese Frisur aber auch wegen abstehender Ohren trug? Wenn man Kind ist, dann bleibt so vieles unklar.

Die Männer vor dem Laden, das wollte ich eigentlich sagen, sehen immer aus, als würden sie wahnsinnig bewusst und feierlich rauchen, das wird sicher am Preis der Zigarren liegen, denke ich mir. Und wenn man an diesem Laden öfter vorbei geht, erkennt man einen recht heiteren und unübersehbaren Zusammenhang zwischen Zigarrenrauchen und Manspreading. Fast möchte man stehen bleiben und lachen, aber das tut man ja nicht, auch wenn das Dargebotene noch so sehr nach Kabarett und Klischeewitz aussieht, oben das glühende Phallussymbol und unten das Raumgreifende, wie billig ist das denn.

Wissen Sie noch, wie es damals war, als alle plötzlich Zigarre geraucht haben, angeführt von Gerhard Schröder? Als man Leute im Freundeskreis hatte, die sich gar nicht so kleine Humidore in die Wohnung gestellt haben, als alle Welt plötzlich über Tabak und Deckblätter fachsimpelte, über Lagerbedingungen und die verschiedenen Methoden eine Zigarre möglichst kunstvoll anzuzünden, als man auf Partys auffiel, weil man da nicht mitgemacht hat, weil man lieber stur bei den dünnen Zigarettchen blieb? Das war in einem Land vor unserer Zeit.

Neulich hatte einer dieser Männer auf den Stühlen vor dem Laden eine Antiklederjacke an, da hätte ich dann aber doch fast laut gelacht. Zu viel ist zu viel.

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Blick aufs Münzviertel mit Bahngleisen

 

Ich habe einen neuen Roman angefangen, mit dem Feigenbaum bin ich dann doch nicht warm genug geworden. Jetzt lese ich “Was dann nachher so schön fliegt” von Hilmar Klute, der Kaffeehaussitzer hat drüben rezensiert. Ein Literaturroman also, da kann man sich im Stillen immer schön Bildungspunkte geben, wenn man eine Anspielung, ein Zitat oder einen Zusammenhang verstanden hat, das ist nett. Und wenn man etwas nicht versteht, dann merkt man es ja nicht. No risk!

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Musik. Bitte zurücklehnen und etwas einwirken lassen.

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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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