Hier ist ein guter Ort

Es interessiert irgendwie keinen, aber wir haben ein Problem. Oder ein paar mehr, denn was wurde gestern noch so gemeldet? Die Ozeane erwärmen sich schneller, das Eis schmilzt immer flotter weg, der Permafrostboden – na, und immer so weiter. Business as usual.

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Eine Album-Besprechung, es geht um Nick Drake. Nanu! Wenn Sie Nick Drake nicht kennen, ändern Sie das bitte.

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In den Kommentaren zum letzten Beitrag ging es um den von mir zitierten Satz zu Magdeburg und Hamburg, das verstehe ich, es war ein harter Satz. Das Thema lässt mich immer wieder ratlos zurück, schon weil ich im Empfinden deutscher Gemeinsamkeiten ganz unabhängig von Ost und West irgendwie nicht sehr fit bin. Ich bin norddeutsch, d.h. ich fühle mich auch in Hessen fremd, also fremd im Sinn von: “So geht zuhause aber nicht.” Ich weiß tatsächlich nicht, ob es aus Hamburger Sicht weniger Gemeinsamkeiten mit Magdeburg als mit, was weiß ich, Passau gibt, ich weiß nicht, woran ich das bemessen soll und ob es sich überhaupt lohnt, darüber nachzudenken. Soziologisch gewiss, soziologisch ist das alles interessant, persönlich eher nicht. Lauenburg liegt auch an der Elbe, die Gemeinsamkeiten mit Hamburg dürften sehr überschaubar sein, zumindest waren sie es bei meinem letzten Besuch dort. In Magdeburg war ich noch nie.

Der dahinterstehende Gedanke des Redners an dem Nachmittag der Veranstaltung jedenfalls, der war vermutlich eher eine Bitte darum, aus ostdeutscher Sicht korrekt und sorgfältig wahrgenommen zu werden, also im Sinne von “Interessiert Euch wenigstens für uns”, auch das war ein Satz, der da wörtlich fiel. Und das wiederum finde ich berechtigt, gerade bezogen auf mediale Aufmerksamkeit. Es gab vor einiger Zeit einen Artikel, ich glaube in der Zeit, über Ungerechtigkeiten und Dramen in der Nachwendezeit, der wurde viel herumgereicht und da waren viele im Westen ganz überrascht, das habe man ja gar nicht gewusst und ach guck, da gab es ja voll die Probleme, in diesen neuen Ländern da. Diese Reaktionen waren teils haarsträubend, denn natürlich hat man das gewusst, man wollte sich eben die ganze Zeit nicht weiter interessieren.

Das aber aus der Transformationszeit nach der Wende auch die heutigen Probleme resultieren, das ist, so verstehe ich es jedenfalls, eine Erkenntnis, die im Osten so gut wie jede und jeder hat, die im Westen aber eher bis heute nicht ankam, da denkt man eher “Na ja, da war eben DDR”, und das ist geradezu beleidigend verkürzt, to say the least.

Ich weiß aber nicht, was ich daraus ableiten soll, ich weiß auch nicht, was jetzt die richtigen politischen Maßnahmen wären, das ist nicht mein Metier. Aus ostdeutscher Perspektive, auch das wurde gesagt, kommt eh das meiste als Belehrung an, Belehrungen liegen mir fern. Es wurde geraten, sich abseits der negativen Schlagzeilen für die östlichen Regionen zu interessieren, es wurde geraten, die Multiplikatoren, die dort nicht dem rechten Rand zuzurechnen sind, nicht alleine zu lassen.

Und wie geht das? Es wurden Benefizveranstaltungen erwähnt, die etwa in von Rechten überfallenen Restaurants in Chemnitz stattfinden, das geschieht natürlich in allerbester Absicht – aber auch so etwas setzt das Thema doch immer weiter im negativen Kontext fort, denke ich mir, man bleibt dabei im Rahmen, den man sich keineswegs gesucht hat, den haben andere angefertigt. Es ist sehr kompliziert.

Ruben Herzberg erwähnte noch eine Frage, die vielleicht zum Schluss führt, die Frage nämlich, wo man denn noch hingehen könne. Weil es doch wieder Menschen gibt, die Angst haben, die an andere Länder denken, die quasi auf gepackten Koffern sitzen, in Frankreich übrigens noch viel mehr als bei uns. Und er sagte, die Antwort müsse unbedingt sein: “Hier ist ein guter Ort.”

Am guten Ort zu arbeiten, das ist dann vielleicht das, was wirklich wichtig und womöglich auch machbar ist? Unter dem Motto “Das Netz ist ein guter Ort” ist ja auch schon manches passiert, einige werden sich gewiss noch erinnern. Und “Hier ist ein guter Ort”, das gilt natürlich in Magdeburg und in Hamburg. Das gilt, wo jemand gegen den Hass ist. Vielleicht sollten wir uns einfach alle ein wenig um diesen Satz kümmern.

Aber was weiß ich schon.

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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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2 Kommentare

  1. Es ist wirklich kompliziert.
    Als vor einigen Tagen Ilse Junkermann (Landesbischöfin der evangelischen Kirche in Mitteldeutschland) sagte, in den neuen Bundesländern hat man mit Demokratie noch nicht soviel Erfahrung, es ist die Situation wie in etwa in den 60ern der BRD, dachte ich so bei mir: ‚Stimmt, das erklärt einiges.‘ Der darauf folgende kollektive Aufschrei lässt mich ratlos zurück…

    Vielleicht ist es aber auch gar nicht kompliziert, sondern ganz einfach. Wir sind Menschen, unterschiedlich sozialisiert, an verschiedenen Orten aufgewachsen, aber im Grunde alle mit den gleichen Bedürfnissen, Träumen und Lebenszielen. Das könnte doch eine Basis sein, oder?

  2. Es wäre schon wirklich sinnvoll, den Begriff „neue“ Bundesländer nach 30 Jahren wegzulassen. Oder würden Sie ein Familienmitglied, den Ehemann, wahlweise die Ehefrau, nach 30 Jahren auch immer noch als „neu“ bezeichnen? Es sind die kleinen Dinge, die unheimlich wichtig sind, eben und gerade in einer Demokratie, wo doch die gleiche Wertigkeit für jeden gelten sollte. DA muss man anfangen zu denken, nicht ich hier, du dort, nicht ich gut, du böse, ich West, du Ost, sondern wir…Und ich habe in den 30 Jahren viele, viele gute Gemeinsamkeiten gefunden, dafür muss man sich aber bewegen, die liest man nicht am Schreibtisch, die sieht man nicht an der nächsten Ecke, dafür muss man Menschen kennen lernen, nicht nur über sie reden oder schreiben. Man muss an den Plätzen gewesen sein, sie erleben und erfahren, bevor man urteilt. Das gilt in vielen Fällen, nicht nur in der deutschen Situation. Alles andere ist angelesene oder gehörte Theorie. Und selbige neigt generell zu einer Verallgemeinerung, die nicht angebracht ist.Sunni

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