Von Baumhäusern und Blogs

Am Morgen sitze ich am Schreibtisch, die Familie schläft noch. Vor dem Fenster steht ein blühender Pflaumenbaum, ein weißes Strahlen, durch das eine Amsel turnt. Das ist ein sehr gutes Programm, ich sehe länger hin, denn was auf dem Notebook geboten wird, es fällt dagegen doch etwas ab. Weiter hinten landet ein Storch auf der Wiese, das ist schon alles recht schön so. Frühling in Nordostwestfalen, kann man machen.

Die Söhne verschwinden direkt nach dem Aufstehen wieder im gestern erwähnten Baum und arbeiten dort oben wild herum. Nach einer Weile bekommen sie noch einmal Verstärkung von anderen Kindern und Mangel an Fleiß oder Ehrgeiz kann diesem Bautrupp gewiss keiner vorwerfen, zumindest den Geräuschen und den bewegten Ästen nach zu urteilen, da geht es zur Sache, ein wahrer Schaffensrausch. Wie das hinterher aussehen wird, das ist natürlich sekundär und von denkbar geringem Interesse, es geht nur um die Aktion. Das ist die kaum zu überschätzende Bedeutung des Unfertigen, denn es ist doch meist das reine Machen, was uns treibt. Ziele sind nur Konventionen und Theorie, die hat man zwar, doch sind sie eigentlich egal; wir wollen nur irgendeinen Grund haben, immer wieder frisch anzufangen, denn sobald wir etwas erreicht haben und es zufrieden betrachten, sobald wir etwas hinnehmen, wie es ist und zum Augenblicke sagen: “Verweile doch, du bist so schön …” pardon, das ist eine ganz andere Geschichte.

Ein Hinweis am Rande für den Freundeskreis Zufall: An dieser Stelle läuft, und das ist ganz und gar kein Scherz, gerade der Pudel der Nachbarn durchs Bild. Hm.

Ich bin jedenfalls überzeugt, dass ein fertiges Baumhaus eine recht langweilige Angelegenheit ist, die Gärten sind voll von fertigen Baumhäusern, in denen keine Kinder sind, wozu auch, wie öde ist bitte etwas, das einfach ist. Sein, das ist doch kein Spiel. Weswegen im weiteren Zusammenhang und Verlauf des Lebens auch die im Vorteil sind, die sich mit dem Gärtnern beschäftigen, denn ein Garten ist das Unfertige schlechthin, ein rollierendes System aus Entstehung und Vernichtung, wunderbar, man bleibt ganz herrlich beschäftigt und ist niemals, niemals auch nur annähernd fertig – kann sich zur Not aber immer einbilden, schon morgen wieder etwas zu erreichen. Oder im nächsten Frühling. Oder wenn der Kirschbaum groß ist.

Wobei auch ein Blog, fällt mir gerade ein, als ein ewig unfertiger Text zu betrachten ist, also im Rahmen der persönlichen Unendlichkeit des Schreibenden jedenfalls, mit der es so weit bekanntlich auch nicht her ist. Aber egal, ein Blog bleibt jedenfalls immer Stückwerk, fügt sich nicht zu einem Ganzen, rundet sich nicht. Man tritt als Autor nie final zurück und sagt “So!”, man schließt nicht ab, man geht schreibend immer wieder über Start – womöglich sogar täglich! – und bastelt weiter. Und wenn es sich endlich doch noch rundet, weil irgendwann einfach keine weiteren Beiträge mehr folgen, dann nimmt es auch niemand mehr zur Kenntnis. Faszinierend.

Und morgen nagele ich hier einfach wieder ein neues Brett dran, widewide wie es mir gefällt. Toll.

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Musik! Irgendwas mit Baum.


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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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4 Kommentare

  1. Da fallen Sätze aus Ihrer Feder – zum Niederknien:
    “das ist die kaum zu überschätzende Bedeutung des Unfertigen…“
    Chapeau

  2. Ach ja, unser aller Faust…und Ostern. Doch,unfertige Baumhäuser werden generell unterschätzt.Wie unfertige Socken oder so. AllesFertige macht etwas lustlosoder so ähnlich.Wünsche noch ein paar nette Stunden beim Graben. Stockrosen aus den Samenim Herbst…äh, nur so by the way,ich weiß…Selbsterfahrung und so.Sunni

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