Online-Baby-Kurse mit der Herzdame

Ein Text von Maret Buddenbohm, die neuerdings online singt

Corona sorgt ja wirklich für die absurdesten Geschichten. Nicht nur, dass die ganze Welt gerade eingesperrt zu Hause sitzt und all diese Dinge, ich mache gerade etwas, von dem ich nie gedacht hätte, dass das jemals möglich gewesen wäre.

Wie vielleicht einige hier wissen, gebe ich einmal in der Woche in einer Familienbildungsstätte in Hamburg-Harburg Babykurse. Die nennen sich hier DELFI-Kurse. Deutlich bekannter sind PEKIP-Kurse, beides ist aber recht ähnlich. Ich habe da vor 10 Jahren mal eine richtige Ausbildung mit Zertifikat und so gemacht.

Bei meinen DELFI-Kursen begleite ich fast das komplette erste Lebensjahr eine feste Gruppe mit acht gleichaltrigen Babys und ihren Eltern (tatsächlich kommen in meine Kurse auch viele Väter, weil sie am Nachmittag stattfinden). Wir treffen uns einmal in der Woche in einem wirklich warmen Raum (Bikramyoga ist nichts dagegen …), in dem die Babys nackt ihre Umgebung und sich gegenseitig entdecken dürfen. Es gibt für den Entwicklungsstand entsprechende Anregungen und Spiele für die Kinder, welche die Bewegungs- und Sinnesentwicklung unterstützen sollen, außerdem Informationen und Erfahrungsaustausch für die Eltern. Ein besonderes Anliegen ist mir, dass die Gruppe zusammenwächst und auch über den Kurs hinaus Bestand hat, sowie dass die Eltern Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten gewinnen, das ist ja nicht immer ganz einfach.

Wir waren gerade mittendrin und dann kam Corona – von heute auf morgen keine Treffen mehr. Für mich war das am Anfang ganz okay, nach zehn Jahren auch mal eine kleine Kurspause zu haben.

Das Bedürfnis der Mütter nach Austausch und Kontakt ist aber geblieben. Also habe ich mein Kurskonzept auf Online umgestellt. Denn das machen irgendwie alle gerade, meine Tanzlehrer, die Swingbands, Theater, Autoren… Aber ein Konzept, welches ausschließlich auf direktem Kontakt und Austausch basiert digitalisieren? Und dabei die Babys, die normalerweise pädagogisch wertvolle Spielanregungen von mir bekommen, jetzt mit wenigen Monaten schon vor den Bildschirm setzen? Geniestreich oder Schnapsidee?

Noch bevor ich überhaupt einen Plan dafür hatte, habe ich den Müttern meine Idee mitgeteilt. Der eine meiner beiden Kurse konnte sich das nicht vorstellen, der andere fand die Idee sofort super. Also habe ich dann ein paar Tage über dem neuen Onlinekonzept gebrütet und danach den Kurs gestartet. Das Ganze funktioniert jetzt so:

Es gibt einen Onlineteil per Videokonferenz und dann eine Reihe Anregungen, was die Mütter im Anschluss mit ihren Babys und ggf. den Partnern machen können, als „Homework“ sozusagen. Unsere Onlinetreffen sind kürzer als die normalen Treffen, weil ich glaube, dass das sowohl die Mütter als auch die Babys sonst zu sehr stresst. Aus Datenschutz- und Sicherheitsgründen bleiben die Babys dabei angezogen.

Wenn alle online sind, müssen wir auch schnell mit unserem Begrüßungslied starten, bevor die Kleinen versuchen die Bildschirme abzuschlecken oder durch das Flimmern und die schrabbeligen Geräusche überdrehen. Wir machen dann jeder für sich und alle gemeinsam ein paar Sing- und Bewegungsspiele, so dass erstmal die Kinder zu ihrem Recht kommen. Und DAS ist für mich eine echte Herausforderung. Ich kann ja leider überhaupt nicht singen (schon immer die beste Vorrausetzung für Babykurse und eine echte Challenge für mich…) und jetzt muss ich mir dabei auch noch per Videokamera zusehen! Und damit nicht genug, wir singen aus technischen Gründen ja alle zeitversetzt. Die Mütter sind mir beim Singen und mit den Handbewegungen und Gesten immer eine Spur hinterher. Das bringt mich dann wieder total aus dem Konzept. Und zu wissen, dass die Restfamilie nebenan in der Küche sitzt und sich vor Lachen kaum auf dem Stuhl halten kann, macht die Sache dann auch nicht besser. Der Gatte meint auch, ich rede und singe viel zu laut. Aber ich meine, er hat zu sensible Ohren, sie sind ja auch sehr groß. Ich bin also froh, wenn wir die Lieder dann hinter uns gebracht haben.

Die Herzdame am Notebook

Dann sind die Mütter an der Reihe. Ich lasse sie berichten, wie es ihnen geht, wie sie die letzte Woche verbracht haben und ob es etwas Neues bei den Kindern gibt. Oft ergeben sich daraus auch Fragen zu verschiedenen Themen oder ein reger Austausch über Probleme und Tipps dafür. Das ist dann auch der Teil, wo die Kinder anfangen unruhig zu werden und oft auch laut. Einige nutzen die Zeit dann, um ihre Umgebung zu verwüsten oder einen Angriff auf das schöne, blinkende, technische Endgerät, mit dem sich Mutter da so intensiv beschäftigt, zu starten. Manchmal ist auch der Platz vor der Videokamera plötzlich ganz leer und man hört nur noch im Hintergrund Gebrüll. Aber eigentlich ist es nichts anderes als auch im echten Leben, wenn sich die Mutter einmal länger als 2 Minuten unterhält.

Je nach Zeit und Intensität der Quengeleien machen wir dann noch ein paar Sing- und Fingerspiele. Und dann gibt es „Hausaufgaben“ von mir. Dafür denke ich mir Bewegungsanregungen oder etwas zur Entwicklung der Sinne aus, Kleinigkeiten, die ich normalerweise im Kurs gemacht hätte und die die Eltern mit einfachen Mitteln auch zu Hause machen können. Außerdem stelle ich jede Woche Bastelideen für „Babyspielzeug“ aus Haushaltsgegenständen vor, Rezepte für Beikost, Lesetipps zu Themen, die im Kurs gerade aktuell sind, sowie neue Lieder, die die Eltern per Youtube lernen können. Das gibt es dann noch mal zusammengefasst als PDF.

Wir singen noch unser Abschlusslied und dann ist eine Stunde schon um. Aus der Küche kommt dann wieder Gekicher und für einen Moment finde ich meine Familie echt doof. Aber ich glaube, den Müttern gefällt es (sie achten im besten Fall auch mehr auf ihr eigenes Singen) und es tut ihnen gut, zu reden und miteinander Zeit zu verbringen. Und die Babys genießen es, im Hintergrund das Kinderzimmer neu zu sortieren.

Es ist natürlich nicht das Gleiche und für mich ist es auch viel mehr Arbeit, als die Kurse in meiner flauschigen Schwitzhölle mit acht wuseligen Babys vor Ort, aber aktuell ist einfach nichts wie gewohnt und man muss das Beste aus den bestehenden Möglichkeiten machen. Und dafür fand ich es richtig gut – mich, die Mütter und die Babys. Es hat Spaß gemacht, und so ein bisschen Normalität mit regelmäßigen Kursen tut auch mal wieder gut.

Was für seltsame Dinge macht Ihr gerade, von denen Ihr nie gedacht hättet, dass das jemals möglich wäre?

***

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11 Kommentare

  1. Ich find das klasse! Kreative Ideen sind jetzt einfach gefragt!
    Unsere Chorproben fallen im Moment natürlich auch aus. Nicht aber die anschließenden Treffen in unserem Stammlokal. Naja, eigentlich fallen die auch aus, aber jeder versorgt sich mit Essen to go und dann wird geskypt. Klappt wunderbar! Vielleicht schaffen wir ja sogar mal eine online Chorprobe! Haha…
    Gruß Margit

  2. Bein nächsten Kurs würde ich dann mal sagen: „Und diesmal singt mein Göttergatte ein Lied für Euch!“ und dann zerrst Du ihn vor die Kamera. Dann kannst Du Dir auch mal den Bauch vor Lachen halten.

    Guter Beitrag!

  3. Klingt nach einer guten Idee, das so umzusetzen. Besser so als gar nicht, oder? Du kannst arbeiten und die Mütter haben Gesellschaft und die Kinder am Ende auch etwas davon und sei es nur, dass die Mütter entspannter sind, weil sie sich einen Moment gehört und gesehen gefühlt haben.

    Ich mache gerade erstmal Farbberatungen online. Auch eine kleine Herausforderung, weil alleine auf jedem Bildschirm Farben anders wirken können.

    @Restfamilie Man muss die nicht immer und in jeder Sekunde lieb haben! 😉

  4. Ich erstelle Videobotschaften für meine Schüler*innen (Schule für geistige Entwicklung). Sich selbst im Film zu sehen ist schon gewöhnungsbedürftig.

  5. – Ich hätte nie gedacht, dass das ,,Homekneiping“ mit Freunden via Videokonferenz so gut funktionieren würde. Auch wenn ein echtes Treffen in der Kneipe natürlich viel schöner ist, haben wir auf diese Weise eine Menge Spaß gehabt — und man spart sich den Heimweg! 😉

    – Wir nutzen auf der Arbeit (Behörde …) im Team inzwischen einen Gruppenchat, damit die ,,Heimarbeiter“ und die Kolleginnen vor Ort besser vernetzt sind. Ich hätte nie gedacht, dass das so gut funktioniert. Wenn man im Homeoffice sitzt, kommt man sich dadurch nicht mehr ganz so abgeschnitten vor.

  6. Ich finde das toll von dir. Ich weiss aus dem Umfeld, dass gerade frische Mütter froh sind über etwas Abwechslung, aber auch froh sind für ein wenig Struktur im Tag. Danke also an dich, und an viele andere, die bei solchen und anderen Problemen helfen.

  7. Hallo, wann findet der nächste Onlinekurs für Babys statt? Ist da noch ein Platz für uns frei? Viele Grüße in den Norden, Anne

  8. Liebe Anne, vielen Dank für Dein Interesse. Da jetzt wieder Vor-Ort-Kurse stattfinden dürfen, biete ich aktuell keine Onlinekurse mehr an. Grundsätzlich bin ich ja sehr froh darüber, unter gewissen Auflagen wieder reguläre Kurse anbieten zu können. Aber für Dich finde ich es jetzt sehr schade. Das hätte mir gefallen, Leserinnen aus ganz Deutschland im Kurs zu haben. Sorry und viele Grüße, Maret

  9. Hallo,
    ich musste ziemlich lachen, als ich Deine Beschreibung las, und gleichzeitig wurde mir mulmig…
    Ich starte in 2 Wochen meine Onlinekurse, allerdings nicht von zu Hause, sondern im leeren Kursraum, die Familie kann also nicht zuhören ;-). Trotzdem eine sehr große Herausforderung. Gebastelt wird bei mir live im Kurs – ich bin gespannt, wie es klappt.
    Legst Du jetzt selbst wieder mit Online-Kursen los? Veränderst Du einiges oder hat sich alles so bewährt?
    Viele Grüße Julia

  10. Hey Julia,

    ohne Familie im Hintergrund… da hast Du echt Glück 😉
    Sind die Kinder beim Basteln dabei? Wie alt sind die? Und wie umfangreich die Bastelleien? Ich glaube, meine Mütter hätte das zu sehr gestresst.
    Bei uns dürfen noch richtige Kurse stattfinden, weil das unter Kinder- und Jugendhilfe fällt. Ich habe jetzt noch 3 Termine und dann geht es regulär erst im Januar wieder los. Mal sehen, was bis dahin ist. Als Notlösung sind Onlinekurse super und ich würde alles genauso wieder machen, aber ich reiße mich nicht drum. Und auch wenn es bei einigen Eltern Verunsicherungen gegeben hat, waren die meisten sehr dankbar, noch kommen zu dürfen. Das erste Jahr mit einem Baby gibt einem keiner zurück. Und das ganze Paket, wie Freude, Glück, Verunsicherung, Sorgen und schlaflose Nächte nicht teilen zu können ist für viele echt hart. Also hoffe ich, erstmal so weiter machn zu können wie bisher.
    Viele Grüße Maret

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