Ich warte an den Landungsbrücken und

Das hat jemand mit Edding genau so auf das Brückengeländer an der U-Bahnstation Landungsbrücken geschrieben, da reißt der Satz dann ab. Und was? Das Geländer ist lang, da hätte durchaus noch etwas hingepasst, fast möchte ich das selbst irgendwie fortsetzen. Aber ich habe keinen Edding dabei, die Zeiten sind längst vorbei, dass ich noch irgendwas betextet habe, was nicht virtuell war. Ich warte an den Landungsbrücken und … wie eine Übung im Kurs für Creative Writing, so liest sich das.  

Die U-Bahnfahrt zu den Landungsbrücken war meine erste seit vielen Wochen. Ich finde ÖPNV mit Maske viel seltsamer als das Einkaufen mit Maske, vermutlich weil die Menschen einfach nur so herumsitzen, während sie im Supermarkt alle beschäftigt sind und man selbst natürlich auch. Aber in der Bahn – da hält man eben so sein Gesicht in die Gegend. Ein junger Mann fährt ohne Maske, den gucken alle und und er guckt so zurück, mehr passiert nicht. Man hat ja auch nicht immer Zeit für Eskalation, man kann sich auch nicht immer um alles kümmern. Viel bemerkenswerter finde ich eigentlich, dass alle während der ganzen Fahrt sitzen und alle einen Vierer für sich haben, das ist angenehm und entspannend, das kann so bleiben. 

An den Landungsbrücken raus. Niemand kann da aussteigen, ohne kurz dieses Lied im Kopf zu haben, das ist eigentlich auch eine stolze Leistung für eine Band.

Ich warte an den Landungsbrücken und summe ein Lied von Kettcar. Das Lied passt nicht zur Pandemie. 

Ich gehe die Treppen zur Elbe runter, vorbei an den Verkaufsbuden für die Hafenrundfahrttickets. Niemand ruft “Hafenrundfahrt! Mit der Barkasse!” Niemand spricht mich mich an, niemand ist da. Ich bin der einzige Mensch, der da runtergeht, es ist ein strahlender Tag. Kaiserwetter, wie auf Instagram bei einem der Bilder von heute kommentiert wurde, ein verblassender Ausdruck, der versinkt langsam in den Geschichtsbüchern. Die Imbisse und Postkartenverkaufsstände, die Ticketschalter und die Eisbuden, alle sind geschlossen. Rolläden unten, Stühle gestapelt. Hinweisschilder in den Fenstern, nur zwei Personen, Abstand, ja, ja, Maske, das kennt man jetzt. Es ist aber eh niemand hier, der das lesen könnte, die Möwen segeln so drüber weg und kümmern sich nicht um Details, die haben das ganze im Blick. 

Eine Frau trägt einen Werbeaufsteller aus einem Laden, den sie gerade öffnet, und sagt dabei in ihr Handy: “Das lohnt doch nicht, hier ist alles tot.”

Auf einen Poller hat jemand mit blauer Kreide geschrieben: “Du bist mein Crush!” Darunter steht, diesmal per Aufkleber: “Naja, so mittel.” Fähren fahren vorbei, auf denen sitzen zwei Menschen, drei oder mal auch nur einer, das ist ziemlich viel Schiff für eine Person. 

Ich sehe über die Elbe, rüber zum Blohm & Voss und Richtung Meer, das man von hier aus nach wie vor nicht sehen kann, es fühlt sich nur immer noch so an. Nirgendwo steht jemand im Weg, kein Mensch, alles kann ich sehen. Ich mache Fotos wie ein Tourist, das macht man sonst als Hamburger gar nicht mehr. Aber ich war wochenlang nicht mehr woanders als in der Wohnung oder im Garten, ich bin tatsächlich einigermaßen beeindruckt von dem Anblick, ich gucke wie ein Reisender. Das ist schon ganz hübsch da, besonders wenn niemand da ist, weswegen ich dann auch gleich wieder gegangen bin. Bloß nichts kaputtmachen! Auch kein pandemisches Panoramamotiv.

Jeder Blick ist hier nach Wochen ohne Besucher ganz unverbraucht, überall könnte man “Jetzt neu” drüberkleben. Postcards are healing.

Auf den Treppen der Flutschutzmauer, etwas weiter hin zur Elbphilharmonie hin, krabbelt ein halbes Kindergartengrüppchen, acht Kinder nur, wild durcheinander. Niemand sonst ist da und die Treppe ist so riesig für die kleinen Kinder – sie haben alle Stufen der Welt vor sich, und das stimmt ja auch. 

Ich habe Ihnen Bilder mitgebracht, sehen Sie, jetzt müssen Sie da auch nicht hin und alles bleibt da so. Schön und leer und vielversprechend. Aber die Versprechen werden nie eingelöst, man steht da nur und guckt  und guckt, man wartet nur an den Landungsbrücken und. 

 

 

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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, ganz herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber ganz klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Merci! 

7 Kommentare

  1. Eigentlich wäre es doch schön und angebracht, wenn die Stadt grundsätzlich von Mitte April bis sagen wir Mitte Mai für Touristen gesperrt wäre. Dann kann man als Hamburger inkl. Einzugsgebiet drumherum alle ansonsten überfüllten Orte genießen und ein Jahr davon zehren.

  2. Danke, Herr Buddenbohm, für die Bilder! Nun muss ich nicht mehr ganz so dringend dorthin, obwohl ich schon ganz kribbelig war nach diesem Anblick. Das ist für mich Heimat Hamburg, nicht weit davon bin ich aufgewachsen und die Elbe ist mein Magnet.

    Haben Sie etwa schon nach einem Ticket für Helgoland gelinst?

  3. Schön, da planen wir mal ganz vorsichtig die nächsten Abenteuer.
    Ich fotografiere derzeit auch mehr – den sehr leeren Park Sanssouci oder heute die Feuerwehrübung am Tiefen See (das war ein Event, vor allem für die Spaziergänger unter 1 m).
    Viele Grüße

  4. Danke dass das direkt mit dem Song verknüpft wurde; das geht ja gar nicht mehr anders

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