Rückseite
Ich habe zu danken für die freundliche Zusendung der Erinnerungen und Gedanken von Golo Mann, die ich mit Begeisterung vom Briefkasten zum Nachttisch getragen habe. Ich hänge bei der Literaturwahl gerade wieder ein wenig durch, ich finde nicht recht heraus, welches Thema oder welcher Roman mir gerade passt oder hilft oder mich wenigstens halbwegs erfolgreich unterhält, da sind autobiografische Bücher oft die Rettung. Das passt also im Moment sensationell, das war ein Lichtblick.
Vorderseite
Wir haben vor ein paar Wochen einen dringenden Kinderwunsch erfüllt und waren dort, wo man auch in Hamburg mit dem Mountainbike downhill fahren kann. Dafür muss man natürlich in entlegene, unwirtliche Gegenden, also südlich der Elbe. Da gibt es ausgedehnte Wälder mit richtigen Pisten darin, die findet man sogar in entsprechenden Apps für Mountainbiker und wir haben uns auch nur ein ganz wenig verfahren, nur etwa eine Stunde lang, bis wir den richtigen Trail endlich gefunden haben, den Trail mit der genau passenden Schwierigkeitsstufe für die Söhne. Nicht gerade lebensgefährlich, aber doch schon ziemlich abwärts.
Und die Söhne fuhren da mit großer Begeisterung runter, dann fuhren sie mit nicht ganz so großer Begeisterung wieder hoch, das war nämlich furchtbar anstrengend. Aber dann! Noch einmal ging es rasend und johlend bergab, diesmal schon etwas schneller. Danach ging es stöhnend und keuchend wieder bergauf, also wirklich, dieser Teil des Sports ist im Grunde eine einzige Zumutung. Und gleich wieder runter, jetzt schon wie die alten Hasen, im Hui und einigermaßen waghalsig, danach, man ahnt es, schoben sie wieder …. und so weiter. Und immer so weiter.
Die Herzdame und ich saßen derweil auf einem umgestürzten Baum und sahen Käferchen und Schnecken zu, wie sie da langsam über den Waldboden zogen. Das taten wir gefühlt sehr lange, bis es der Herzdame schließlich langweilig wurde und sie sich kurzentschlossen das Rad des größeren Sohnes griff, der gerade schwitzend zum xten Mal vorbeischob, und verkündete, nun aber auch einmal zu wollen. Die Söhne sahen sie entgeistert an und fragten mehrfach nach, ob das denn jetzt ernstgemeint sei und ob sie also wirklich, wirklich, und ob sie sich das denn auch zutraue und sie müsse ihnen da jetzt nichts beweisen und es sei ja auch ganz schön, eine Mutter zu haben – aber wenn die Herzdame etwas will, dann lohnen solche Diskussionen meist nicht. Sie schob entschlossen den Berg hoch.
Ich wartete unten. Das dauerte etwas, denn bis man da ganz oben war, verging immer ziemlich viel Zeit, aber schließlich schrie ein Sohn gellend: „Sie kommt!“ und wirklich brach sie kurz darauf durchs Gehölz, kam knapp vor uns zu stehen und sagte nichts, sah aber mit weit aufgerissenen Augen zurück auf die Strecke und krallte ihre Finger dabei immer weiter um den Lenker wie eine routinierte Eisenbiegerin. So verging ein langer, langer Moment, in dem die Strecke sichtlich in ihr nachbebte. Schließlich sagte sie nur: „Das mache ich nicht noch einmal.“
Und für das Bild auf dieser Postkarte stellen Sie sich also bitte drei Buddenbohms vor, die in einem frühherbstlichen Wald staunend um die Herzdame herumstehen. Sie hält ein Fahrrad sehr fest und es ist eine schöne, friedliche Szenerie, es liegt alles in einem milden, ausgesprochen freundlichen Licht, es ist alles gestochen scharf, nur die Herzdame, die ist seltsam verwackelt.
Auf dem Rückweg hörte sie dann aber wieder auf zu zittern.
***
Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, ganz herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und ganz klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel. Merci!
Vielleicht liegt der Herdame die Arbeit im Kleingarten oder das Kuchenbacken besser.
Was für eine tolle, ermutigende Alltagsabenteuergeschichte! So gern gelesen und dabei gelächelt und gedacht, dass das vielleicht das Beste war, das ich heute bis jetzt gelesen habe.
Dankeschön.
(Wie gern ich etwas in den Hut legen würde! Es reicht leider grad immer nur fürs eigene Überleben. Aber ich lege immer liebe und dankbare Gedanken in den Hut.)
Immerhin: unbeschadet (bis auf Zittrigkeit) überstanden – Gratuliere! (Ich hätte mich garantiert nicht getraut …)
Hut ab vor der Herzdame. Nach dieser Schilderung wäre ich da weder für Geld noch für gute Worte heruntergefahren.
Herzliche Grüße
Andrea
Wenn ihr mal wieder in Ostwestfalen seid, macht einen Tagesausflug nach Südostwestfalen, Winterberg, Willingen (ok, ist Hessen) und Warstein bieten Lifte für das Uphill. https://www.warsteiner-bikepark.de/
Und Respekt für die Herzdame.
Für die Zeiten, die ja mal wieder kommen müssen, wenn man nämlich verreisen kann, hab ich einen Tipp: in Oslo kann man mit der S-Bahn auf den Berg fahren, (Richtung Holmenkollen, also da ist bergtechnisch schon mächtig was los), sich quasi von der Haltestelle in den steil abfallenden Wald (mit sehr unordentlichen Waldboden) stürzen und dann, so man das erhoffte Ziel erreicht, unten in die S-Bahn steigen, wieder nach oben fahren und so weiter und so weiter. Ich habe nur 30 Sekunden lang zugeschaut, bis sie unten hinter den Bäumen verschwunden waren, und habe schon vom Zuschauen fast einen Herzkasper bekommen. Daher habe ich, als ich von der Tat der Herzdame las, nur gedacht: ne, oder? Chapeau. eine Geschichte, die auf ewig in der Familie bleiben wird.
Danke für das Herzdamenbild. Ich fühle mit ihr! In ebendieser Gegend lebend, sehe ich die Situation genau vor mir.
Holla die Waldfee! Hut ab vor der Herzdame!
Ich finde es sehr schön, dass die Jungs tapfer hochgetreten haben! Hierzulande lässt man sich leider oft mittels Bus oder Gondel hochkutschieren, um dann downhill zu rasen.
hach, wunderbare lektüre!
da schmeckt das frühstück hier gleich doppelt gut!
liebste grüße in den hohen norden
aus den herbstbunten eifelwäldern
Der Unterschied zwischen den Söhnen und abgeklärten erwachsenen Bloggern: letztere hätten erklärt, es sei schön gewesen, eine Mutter gehabt zu haben.
Grandiose Szene. Irgendwo mit dem Fahrrad schnell herunterfahren und dabei den Bremsen nicht trauen können ist einer meiner regelmäßigen Albträume.