Eine Dankespostkarte

Rückseite

Ich habe zu danken für die überaus freundliche Zusendung der gedruckten Version der „Erzählenden Affen“, denen ich in der Hörbuchversion nicht recht folgen konnte, ich berichtete. Sehr fein, ich habe mich gefreut! Und ich habe auch gleich damit angefangen. Es passte gerade hervorragend, da ich mit den Notizbüchern der Highsmith jetzt durch bin und mich also nur ein rettendes neues Buch davon abhalten konnte, mit dem Stapel ungelesener Bücher auf dem Nachttisch anzufangen. Das folgt einer etablierten Tradition, die nicht nur mir bekannt sein dürfte.

Und wie ich vermutet hatte, verstehe ich beim Lesen jetzt mehr vom Text und kann deutlich besser folgen. Vielleicht ist es so – aber das ist nur ein erster Verdacht -, dass ich beim gedruckten Buch die letzten gelesenen Seiten eher im Kopf behalte, weil ich sie auch in der Hand halte, weil ich jederzeit zurückblättern könnte, während das Gesagte beim Hörbuch oft auch das Verflogene ist und der Rückweg beim Hören eher unüblich ist?

Na, wie auch immer. Interessantes Buch jedenfalls, aber das sagte ich neulich bereits. Vielen Dank!

 Vorderseite

Diese Karte ist schon wieder ein paar Tage überfällig, ich verstoße gegen meine eigenen Regeln, die besagen, dass Dankeskarten schnell zu schreiben sind, mit den Bildern, die eben da sind. Ich habe jetzt aber unangemessen lange darüber nachgedacht, was es gestern oder heute für Bilder gegeben hat, und es fällt mir nur eine vermutlich vollkommen pointenfreie Szene ein. Was soll ich machen, es ist nichts da. Ich sehe nach wie vor nichts, nur das Home-Office, die Nachrichtenseiten, den Himmel vor dem Dachfenster, alle paar Minuten ist eine Möwe mit dabei, etwas öfter noch eine Taube. Die sehen viel mehr als ich, denke ich. Vogel müsste man sein, wegfliegen und auf alles kacken und … nein, pardon. Die Karte, hier die Karte.

Ich gehe am Sonntag spazieren. Ich gehe durch die Innenstadt, am Rathaus vorbei und runter Richtung Hafen. Es ist nicht warm und es ist nicht kalt, es regnet nicht und es ist nicht klar, es ist ein Tag ohne greifbares Wetter. Es ist Egalwinter, irgendein beliebiger Tag im Januarfebruarmärz und die ganze Stadt kommt mir sterbenslangweilig vor. Ich gehe am Alsterfleet entlang, es sind dort kaum Menschen unterwegs. Ich komme an der Schaartorschleuse vorbei, wobei die Details dieses Bauwerks für unser Bild nicht von Interesse sind. Es ist eine wenig beeindruckende Schleuse, kein imposantes Bauwerk oder dergleichen, sie hat in etwa den Charme einer Tiefgarageneinfahrt, womit ich ihren technischen Wert und auch den für die Stadtentwässerung nicht schmälern möchte. Vor und hinter der Schleuse gibt es etwas zu sehen, den Hafen erkennt man schon, große Kontorhäuser stehen in der Nähe, Kirchtürme sieht man in der Ferne, das schon. Aber die Schleuse selbst ist doch ein eher banales Bauwerk.

Es fließt gerade Wasser ab, von der Alster in die Elbe. Ein tosender Strom bricht aus der Schleuse, und das wiederum kann man schon etwas beeindruckend finden, denn man sieht und hört sofort, welche unfassbare Kraft das Wasser hat. Wie es braust, wie es rauscht, wie es lärmt und brüllt und schäumt, was für ein gewaltiger Druck dahinter sein muss, welche Kraft, man sieht das. Das Wasser übrigens müssen sie sich ausgesprochen hässlich vorstellen. Da, wo es herabstürzt, schäumt es derartig abstoßend uringelb und bräunlich-schmutzig, dass man unwillkürlich an ein Klärwerk denkt, und da, wo es wieder zur Ruhe kommt, wird es tiefgrauschwärzlich und wirkt gleich bedrohlich. Schön geht anders.

Ein junger Mann steht vor dieser Schleuse und sieht zu, wie das Wasser aus ihr herausstürzt. Er lehnt an einer Wand. Ein Knie hat er angewinkelt und hochgezogen, die Hände hat er in den Jackentaschen, auf den ersten Blick wirkt er entspannt. Er sieht in das Wasser, konzentriert sieht er in das Wasser. Er legt den Kopf schief, er wechselt den Blickwinkel, aber er wendet die Augen nicht ab. Er guckt unverwandt in die Wirbel, er sieht immer weiter in die aus der Schleuse brechenden Wassermassen. Er sieht sich an, wie das Wasser tobend strudelt, wie der Schaum weiße und wirre Linien auf das dunkle Wasser krakelt, die von den Wellen gleich wieder verwischt werden, er sieht zu, wie diese Zeichen unentwegt wieder neu entstehen. Er wendet den Blick nicht ab. Er steht da und sieht zu, wie gewaltige Wassermassen mit großer Geschwindigkeit elbwärts abfließen.

Und im Vorbeigehen sehe ich erst, dass er nicht entspannt dort steht. Er steht eher wie jemand, der etwas auf keinen Fall verpassen darf oder will. Ein leicht unwilliges Kopfzucken, als ich vorbeigehe, weil ich einen Moment lang im Bild bin, er sieht an mir vorbei immer weiter zur Schleuse. Ganz genau sieht er dorthin, die Augen ein wenig zusammengekniffen, Konzentrationsfalten auf der Stirn. Er wartet.

Und mehr erfahren wir nicht. Es ist mir auch nur diese Anspannung in Erinnerung geblieben, dieses seltsam lauernde Warten. Groß war der Mann. Jung, gutaussehend, sportlich. Schwarze Lederjacke, schwarze Jeans. Filmfiguren sehen so aus. Filmfiguren stehen so an Schleusen und warten und dann … aber dafür bin ich nicht zuständig.

Ich bin einfach weitergegangen. Ich bin nach Hause gegangen und habe mein Notebook wieder aufgeklappt. Ich habe die Tabs im Browser angesehen und gewartet. Ich weiß auch nicht, worauf, aber ich behalte das Notebook immer weiter im Blick.

***

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