Hörbücher und Sonstiges

Ich höre Hawthorne, „Der scharlachrote Buchstabe“, gelesen von Jürgen Fritsche. Seit mir bei Kafka die Parallele zum Jetzt so dermaßen einleuchtend auffiel und kurz darauf auch die beim Querdenker Kohlhaas, achte ich wieder etwas mehr darauf, was in den Büchern noch Bestand hat, was zu uns oder zumindest zu mir noch spricht. Und da haben wir also beim Hawthorne die rigiden Moralvorstellungen jenseits aller Lässigkeit, allen Humors auch, bar aller Gnade, fern der Toleranz, da haben wir selbstgerecht gefällte Urteile für die Ewigkeit, ohne jede Chance auf Revision, da haben wir Fehler und Sünden, die nie wieder gutzumachen sind, Fehltritte, die verlässlich in den Abgrund und aus aller Achtung stürzen lassen, kommt es uns bekannt vor? Und hätten sich die im Roman geschilderten Moralapostel, ich will einmal annehmen, dass sie gut getroffen sind, träumen lassen, dass spätere Zeiten davon ausgehen werden, dass sie Unrecht hatten, dass die Sympathien künftig eindeutig bei den Opfern liegen könnten?

Wobei das nicht der Kern ist, denke ich, der Kern liegt im Rigiden, im Gnadenlosen, in der nicht vorhandenen Fehlertoleranz und im vollkommen unerschütterlichen Bewusstsein der eigenen Weisheit, im dauernden Besoffensein vom Rechthaben und ja, wir kennen das. Insofern, das hätte ich gar nicht unbedingt erwartet, ich habe das Buch immer – und warum eigentlich – für eher langweilig gehalten, ist es eine Leseempfehlung auch für die Heutigen, glaube ich.

Ich habe Maria Stuart von Schiller gehört, und wie schon bei den Räubern, es sind sicher schöne Stellen darin, aber es spricht nicht mehr zu mir. Und ich glaube, das fällt mir sonst eher nicht auf, es würde mir auf Papier mehr Spaß machen, weil ich dann de schönen, die zu merkenden Sätze besser registrieren würde, anstreichen könnte etc.

Ansonsten, um es salopp zu formulieren, ist das Stück doch definitiv etwas zu depri für Februar 2022.

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Ich höre „Die Nacht von Lissabon“ von Remarque, das ist vielleicht sogar noch mehr depri, aber da sehe ich eine Stelle, die man auch wieder in Bezug auf Twitter etc. durchdenken könnte: „Solange man spottet und Angst hat, versucht man, die Dinge auf ein kleineres Maß zu bringen, als sie haben.“

Ich bin auch nach längerem Nachdenken nicht sicher, ob ich das mit der Angst richtig verstehe, aber beim Spott gebe ich sofort Recht, da ist etwas dran. Wobei es aber statthaft und womöglich auch nützlich ist, Dinge auf ein kleineres Maß bringen zu wollen, glaube ich.

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Im Discounter, der mir mangels Naturerleben oft den phänologischen Kalender ersetzt, habe ich am Sonnabend die ersten Osterartikel gesehen. Das Jahr schreitet demnach trotz des gefühlten Stillstands voran und auch dieser Februar endet vermutlich irgendwann, da sind dann so die verbleibenden Hoffnungen.

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Im echten phänologischen Kalender sehe ich, aber nur aus seinem bestimmten Winkel und auch nur bei einem bestimmten Licht, einen hauchfeinen und nur sehr dezent grünen Schimmer um die Mirabelle vor der Haustür, und nur bei ihr, sonst nirgendwo, das erste frische Laub des Jahres also, eine Andeutung davon zumindest. Ich sehe das beim Brötchenholen und freue mich, ich gehe zum öffentlichen Bücherschrank, dort steht prompt „Der Geist der Mirabelle“ vom ollen Lenz. Gehen Sie mir doch weg mit dem Konzept Zufall, das taugt mir nichts.

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4 Kommentare

  1. Maria Stuart sagt Ihnen jetzt nichts. Vielleicht spricht es in ein paar Jahren zu Ihnen? Auch für Literatur gibt es mitunter den richtigen Zeitpunkt. Deshalb soll man keine Bücher wegwerfen. (Das mit dem Papier ist wahrscheinlich tatsächlich ein Argument, aber sicher bin ich nicht. Ich habe keine Hörbücher.)

  2. „Solange man spottet und Angst hat, versucht man, die Dinge auf ein kleineres Maß zu bringen, als sie haben.“ Bei Angst könnte ich mir eine Schutzhaltung vorstellen. Man beruhigt sich selber, in dem man sich einredet, dass es schon nicht so schlimm wird/dass andere auch damit fertig geworden sind.

  3. „Die Nacht von Lissabon“ von Remarque, wow, eins der Bücher die es mir wirklich angetan haben … zusammen mit dem Film `Casablanca` und Simmels `Es muss nicht immer Kavier sein`, für eine Ostdeutsche so ein anderes Bild von diesem Europa in dieser Zeit …
    Der phänologischen Kalender gibt für den Vorfrühling die Blüte der Forsytie als Erkennungsmerkmal (glaube ich mich zu erinnern) und diese blüht seit ca 2 Tagen in Berlin!

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