Baumelnder Smalltalk

Auf dem großen Schaufenster des Ladens für Deko und Geschenkartikel klebt jetzt ein Peace-Zeichen, blaugelb ist es.

Was noch? Es gibt keine Katastrophe ohne Schulmails, diesmal geht es darin um eine große Friedensdemo. Da gehen die Schülerinnen und Schüler hin, das empfiehlt sogar der Herr Schulsenator, von dem ich nicht erwartet hätte, ihm nach zwei Jahren komplett abwegiger Entscheidungen bezüglich einer anderen Katastrophe noch jemals bei irgendwas Recht geben zu können. Aber gut, blindes Huhn und so. Die Schülerinnen und Schüler müssen vor dem pünktlichen Beitritt zum Protestzug korrekt von den Eltern beim Schulbüro abgemeldet werden, versteht sich. Da muss man allzu naheliegende Scherze über den Nationalcharakter auslassen, schon weil ich eh nicht recht an Nationalcharakter glaube. Egal, hier wird jedenfalls ordentlich demonstriert, und wie sollte es anders gehen, ich weiß es doch auch nicht.

Also sollen sie bloß zum Protest auf die Straße gehen, es ist alles richtig und ich spare mir jeden Hinweis auf „wir sind damals ja noch einfach aus der Schule abgehauen.“ Es ist nicht die Zeit für Huckleberry-Heldengeschichten, und am Ende täuscht eh wieder die Erinnerung. Wer weiß, es ist zu lange her und alles nicht mehr wahr. Außerdem habe ich mir gerade eben zwei weitere Demo-Termine wie beliebige andere To-Dos im digitalen Kalender notiert, 18:00 Rathausmarkt, also bitte.

Ein Alltag findet ansonsten weiterhin statt. Im Discounter die allmähliche Ausweitung der Osterzone, demnächst dann das Bärlauchzeug. Die Bäume auf dem Spielplatz vor meinen Fenstern werden beschnitten, Profikletterer hängen da im Geäst, mit Seilen gesichert. Sie unterhalten sich dabei, während sie stundenlang schnippeln und sägen. Die ganze Zeit unterhalten sie sich, baumelnder Smalltalk in drei, vier, fünf Metern Höhe, direkt unter ihnen die eisernen Spitzen des Zauns. Wie unvorstellbar immer andere Berufe sind.

Die Website der ukrainischen Filiale des Konzerns, für den ich arbeite, sieht währenddessen aus wie immer. Als sei da business as usual in Kiew. So wird es nicht sein.

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