Eine Dankespostkarte

Rückseite

Ich habe zu danken für die Zusendung von „Der Tod in Rom“ vom ollen Koeppen, das wohl schon zur Herbstlektüre zu zählen ist, mir will Koeppen nicht recht wie ein Sommerautor vorkommen, dazu muss man ihn zu aufmerksam lesen. Was ich dann aber gerne mache und überhaupt Herbst, das ist ja quasi gleich und ich freue mich auf das Buch. Sommergeschenke gab es sogar auch noch, und zwar Lampions für den Garten. Die Herzdame, die beim Lampionverbrauch dezent verhaltensauffällig ist, ich erwähnte es bereits mehrfach, grüßt und dankt herzlich und sagt, genau die hätten ihr gefehlt.

Vorderseite

Eine etwa zweisekündige Bewegtbildsequenz mit Sound, damit kommen wir heute aus. Zu sehen gibt es eine Ampel an einer belebten, ausgesprochen urban wirkenden Straße, eindeutig haben wir hier eine Großstadtszene vor uns und wenn Sie aus einem Dorf oder einer Kleinstadt lesen, dann denken Sie sich genau das, was Ihnen zu Großstadt einfällt, wenn Sie es einmal halbwegs positiv sehen: Gewimmel der bunten Art, Straßencafés ein paar Meter weiter, Geschäfte mit vielfältigen Auslagen, eine Schule, aus der Kinder strömen, ausdrückliche Verkehrsvielfalt mit allen Arten von Fortbewegungsmitteln, darunter auch getunte Oldtimer, rote Stadtrundfahrtdoppeldecker, Elektromobile der futuristischen Art usw., hier ist etwas los. Zwei, drei Bäume sind auch im Bild, das ist hier eine halbwegs grüne Stadt. Die Ampel, wir sehen sie aus der Fußgängerperspektive, zeigt gerade Rot, links und rechts halten Autos, Elektroroller, Fahrräder, Scooterfahrer – und ein Lastenradfahrer, um den geht es jetzt.

Er hat einen großen Kasten vor sich, da wird wohl Material und Werkzeug drin sein, denn einer Beschriftung an der Seite können wir entnehmen, dass er für einen Handwerksbetrieb fährt. Das sieht man hier öfter, Handwerksbetriebe mit Lastenrad, das ist längst nicht mehr ungewöhnlich und auch nachvollziehbar, die kommen gut durch den sich überall stauenden Stadtverkehr, die können auch überall parken. Der Mann ist jung, groß und sportlich. Er wird Elektroantrieb am Rad haben, er sieht aber so aus, als würde er den gar nicht benötigen. Im oder am Kasten ist auch eine Box, und keine schlechte, aus der schallt es beeindruckend laut, sommerlicher Reggae. Es schallt sogar sehr laut. Der Fahrer trägt diese Frisur, die man der einen Künstlerin neulich so öffentlichkeitswirksam angelastet hat, aber das wollen wir bloß nicht vertiefen, ich halte nur eben fest, dass man die Dreadlocks ihm jedenfalls nicht anlasten würde, wenn ich alles richtig verstanden habe. Der Reggae könnte mit ihm eng verbunden sein, das weiß man aber nicht und es kann auch komplett falsch sein, denn man denkt da spontan immer Deutungen, die letztlich keinen Bestand haben können, wenn man nicht ausdrücklich nachfragt und viel mehr weiß, und wer würde schon nachfragen. Man muss sein Denken zur Ordnung rufen, pausenlos.

Das Wetter ist gut, die Sonne scheint, wir warten auf Grün, wir hören unfreiwillig aber angenehm überrascht Reggae. Und um uns herum: Wippen. Die beiden jungen Frauen da drüben auf der anderen Straßenseite machen angedeutete Tanzbewegungen, sie sind kaum zu erkennen. Die Mutter dort mit ihrem Kleinkind auf dem Arm hüpft schon eindeutiger und lacht dabei, weil das Kind auch laut lacht. Der junge Mann, der auf seinem Rennrad am Ampelmast lehnt: Auf den ersten Blick unbewegt, auf den zweiten Blick trommelt er allerdings Rhythmen an den Mast, mit den Fingern der Hand, mit der er sich abstützt. Der Dönerverkäufer, der gerade aus seinem Imbiss kam und etwas an den Tischen vor seinem Laden herumräumt, nickt im Takt und grinst, und die Rentnerin, die modisch auffällt, weil sie viel bunter als andere daherkommt, wiegt sich in den Hüften und strahlt: Sommer, Sonne, Reggae. Eine Hamburger Straßenszene in immerhin angedeuteter Ausgelassenheit, kurz mal die Vibes durchrollen lassen, wenigstens bis es Grün wird, und der Bass wummert kraftvoll durch die Hanseatenhüften. Nur der Mann auf dem Rad, der Mann, der diese Musik laufen lässt, der verharrt vollkommen starr und sieht ausgesprochen schlecht gelaunt aus, während um ihm herum so willig und entgegenkommend reagiert wird. Der ist aber auch auf der Arbeit, wenn man drüber nachdenkt, der macht da nur seinen Job, und wenn ich meinen Job mache, dann wippe ich auch nicht herum.

Zwei Sekunden Reggae. Dann tritt er in die Pedale und fährt weiter, und das Publikum stellt die auffälligen Seitwärts-Bewegungen der Körpermitte wieder ein und geht einfach nur über die Ampel. Es gibt nichts zu sehen, es gibt nichts zu hören, bitte weitergehen.

***

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4 Kommentare

  1. Ich bin kein ausgemacht Reggaefan..aber es gibt da diese britische Serie im Fernsehen…immer Mord…garniert mit Sonne,Palmen,Karibik,leichtbekleidete Menschen…und meist fröhliche Reggaemusik.
    Sehe ich diese Serie bzw. höre diese Musik…fange ich an zu grinsen..und die Laune ist gut…deshalb..in der beschriebenen Szene war ich mit drin…danke dafür

  2. Sie können so wunderbar Bilder in den Kopf malen. Man ist quasi mittendrin. So
    so wunderbar! Herzlichen Dank!

  3. Murder in Paradise heißt die Serie, vielen Dank für die Erinnerung! Muss ich auch mal wieder schauen.
    Herr Buddenbohm, danke für die Szene!

  4. Death in Paradise.
    Mir geht es wie Peter Zacharias.

    Und, Herr Buddenbohm, ich liebe ihre Texte.
    Ich wünsche ihnen und ihrer Familie einen wunderschönen Urlaub.

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