Das Wetter auf Eiderstedt ist streifig. In dem einen Moment ist es grau und von so ausgesprochen oktobriger Temperatur und Nässe, dass sich die zahlreichen Meldungen und Warnungen bezüglich Hitze und Dürre in sämtlichen Medien etwas absurd lesen, es muss da um einen anderen Kontinent gehen. Im nächsten Moment reißt es plötzlich auf, die Temperatur steigt in der Sonne sprunghaft, schultintenblauer Himmel präsentiert sich mit dezent weißem Flor, nur an den Rändern wird er weiterhin oder schon wieder dunkelgrau heranstürmend bedrängt, und wie gut das aussieht. Weil der Himmel hier immer gut aussieht, quasi Hauptvorteil dieser Gegend. Ich vertreibe mir die Zeit als Max-guck-in-die-Luft, und das ist sehr gut so.
Im Wohnzimmer neben dem Tisch mit dem Notebook ein Fenster, das ist von außen mit Weinlaubvignetten bewachsen, die in der immer wieder durchbrechenden Sonne frisch grün aufleuchten. Silbrige Spinnenfäden kreuz und quer davor und wenn man an die Scheibe herantritt, sieht man außen in den unteren Ecken, rechts und links, zwei genau gleich aussehende und ausgesprochen edel geformte Vogelnester auf den Ziegelumrandungen der Fenster, elegante Halbkugeln mit feinster Moos- und Flaumpolsterung, derzeit unbewohnt, obwohl in bester Lage. Aber diese Symmetrie der Gebilde, dieses intensive Grün, diese überaus lässigen Kurven der feinen Weingirlanden, diese funkelnden Glitzerfäden … Man könnte glatt noch einmal auf den Jugendstil kommen.
Ich lese, ich schreibe, ich sehe aus diesem Fenster, ich finde das überaus unterhaltsam. Oben nur ein kleines Stück Himmel, das Fenster ist wirklich fortgeschritten zugewachsen. In den alten Apfelbäumen davor schlagen aprikosengroße Äpfel im Wind wild aneinander und fallen früh. Ich sehe dezentes Rot auf den Äpfeln, ich sehe oben Blau, ich sehe Grün – und dann steht da auf einmal ein riesiger Greifvogel im Blau, genau in dem kleinen Stück, das ich sehen kann. Steht da oben wie angeschlagen, zur ausgiebigen Betrachtung freigegeben.
Aus einem anderen Fenster sehe ich Windkraftanlagen am Horizont und bin mir nicht sicher, ob ich die von hier aus immer schon sehen konnte. Vielleicht sind sie neu? Waren die im März denn wirklich auch schon da? Oder wurden sie schnell hochgezogen wegen der Weltlage, die Mühlen der anzustrebenden Unabhängigkeit? Na, das ist nur ein bemüht konstruktiver Gedanke, ich weiß. Aber besser als nix.
Ich gehe raus, ich gehe spazieren, ich sehe zum ersten Mal einen Schilfrohrsänger. Wie im Vogelbestimmungsbuch hängt er an einen langen und stark schwankenden Halm gekrallt und singt beeindruckend laut. Verstummt dann, als er mich sieht und taucht geräuschlos ab ins Schilfdickicht. Von irgendwoher ruft ein Kuckuck, der Wind trägt es mir zu. Ich habe seit Jahren keinen Kuckuck mehr gehört, ich bin zufrieden mit den Ereignissen des Tages.
Ein Lamm kommt vorbei, während ich im Strandkorb sitze. Es stupst mich fordernd an, es möchte gekrault werden. Das kann man als Mensch nicht, denke ich. Mal eben Fremde anstupsen, wenn man gekrault werden möchte, und dann nach drei Minuten einfach grußlos weitergehen, als sei es ein vollkommen unverbindlicher Vorgang gewesen. Sich nicht einmal den Menschen merken, nur weitermachen.
Das Buch neben mir ist von Edith Wharton, Das Riff, Deutsch von Renate Orth-Guttmann. Edith Wharton habe ich mir für Urlaube aufgespart, und das war eine gute Idee, denn ihre Bücher sind exzellent, meisterhaft, genau wie erwartet. So viel Feinheiten auf einer Seite. Ich komme nur langsam voran, aber das macht nichts.
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Ohne jeden Zusammenhang, ich fand diese Übersicht bei der Republik zu Long-Covid gut lesbar und interessant. Die Republik ist immer wieder empfehlenswert.
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Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel. Merci!
Edith Wharton ist wunderbar. Sie kennen sicher auch ihre Gespenstergeschichten?
„Schultintenblauer Himmel“!
Noch nie gehört oder gelesen, klingt wunderbar und beschreibt es so treffend wie kein anderes Wort. Ich werde mir das von Zeit zu Zeit borgen müssen, wenn es erlaubt ist.
Schönen Urlaub weiterhin und beste Grüße nach Tetenbüll!
(Meine früheren Chefs besaßen eine längere Zeit eine Hälfte der alten Schule, wir verbrachten einige gute Wochenenden mit arbeiten und feiern dort.)
Geniessen Sie jeden kühlen Tag und noch viele Stupser.
Schöne Urlaubstage 🙂
Nein, ich kenne tatsächlich gar nichts von ihr, das ist ja das Schöne. Ich freue mich auf das Werk.