Man kann so sitzen

Ich gehe abends noch einmal ziellos raus, ich brauche mehr Bewegung. Ich gehe über die Gastro-Meile im kleinen Bahnhofsviertel. Es ist voll, es ist sogar sehr voll, die Menschen sitzen draußen. Es ist, man kann das kaum anders sehen, hochsommerlicher Betrieb. Es gibt Stellen, da kommt man kaum durch, die Menschen stehen auch vor den Kiosken und trinken.

„Man kann so sitzen“, das höre ich im interessierten Vorübergehen mehrfach, „man kann ja einfach so sitzen!“ Und dann ein Strecken, ein Räkeln, als würde man in seinen eigenen Körper noch einmal überall sorgfältig hineinfühlen aber nein, der ist wirklich nirgendwo kalt. Man braucht keine Decken, die liegen in Stapeln herum und werden nicht nachgefragt und nicht ausgeteilt. Man braucht keine Jacken oder Mäntel, keine Mützen und Schals, man braucht nicht einmal einen dicken Pullover, den man aber vielleicht dennoch anhat, mehr aus Prinzip oder weil es eben die Zeit der Herbstmode ist. Man will die neuen Sachen ja auch mal anziehen und vorzeigen. „Das ist der Klimawandel“, sagt eine und zeigt unbestimmt in die Gegend, auf all die Umsitzenden, auf die Szenerie, auf den Abend an sich: „Das ist der Klimawandel, aber es ist schön.“

Einer geht gerade, er verlässt mit beiden Händen winkend eine größere Gruppe mit Freundinnen und Freunden, das gibt eine laute Verabschiedungsszene. Viele Umarmungen, Küsschen, Schultergeklopfe. „Genießt das Wetter“ ruft er im Gehen noch laut in die Runde und wendet sich dann noch einmal um, „auch wenn das der Untergang ist!“ Fröhliches Gelächter, es wird schon wieder Bier gebracht, klirrendes Anstoßen. Der Abend ist noch lang, man sitzt da sehr entspannt.

Na, aber das halte ich nur eben für die Geschichtsbücher fest. So nämlich ging es bei uns zu, im Oktober des seltsamen Jahres 2022. So wurde geredet, so wurde das hier erlebt. So hat man beisammengesessen und die Lage kundig kommentiert, und sehr kurz darauf war es schon November.

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