Stollen und Spekulantien

Beim Bäcker gibt es jetzt auch wieder Stollen und Spekulantien, noch in kleiner Menge allerdings, das ist der letzte Rest an Zurückhaltung. Im Discounter stapelweise Dosen mit Weihnachtsbier und die kleinen Tetrapacks mit den Festtagssaucen, da kommt allmählich Stimmung auf, doch, doch.

8 Grad sind es am Morgen, das geht schon fast als kalt durch. Auf dem Spielplatz am Vormittag eine Mutter, die ihrem schneeanzugtragenden Kind im Strampelalter eine sicher genau für diesen Zweck hergestellte und gewiss auch aufwändig auf Instagram oder Tiktok beworbene Outdoor-Deckenunterlage ausbreitet, vermutlich batteriebeheizt und gepolstert, so dass das Kind dann zappelnd in der Sandkiste liegt, ohne den Sand zu berühren. Man wundert sich über nichts mehr, aber das ist am Ende nur wieder der mühsam verdrängte Neid, denn wir hatten ja nichts. Menschen meiner Generation haben damals auf dem Spielplatz, wenn wir überhaupt je auf einem waren, noch direkt im nassen, kalten Sand gelegen, wie die Kegelrobbenbabys auf der Helgoländer Düne. Primitiv und rustikal.

Apropos Werbung und Instagram. Mir wird in diesen Tagen wiederholt eine Anzeige für etwas gezeigt, das nicht ganz korrekt übersetzt als „gewichtetes Kuscheltier“ beschrieben wird. Gemeint ist damit ein Stofftier mit erheblichem Zusatzgewicht, welches als beruhigend empfunden werden mag, so die Annahme. Das kennt man von den Therapie- oder Gewichtsdecken, so eine haben wir hier sogar und sie hat auch durchaus etwas. Es gibt Tage, da finde ich die gut, da finden wir die vielleicht auch alle ganz gut, und dann streiten wir uns darum, was den intendierten Effekt allerdings etwas aufhebt. Aber ein Stofftier, ich weiß ja nicht.

Andererseits – nicht immer so negativ an alles rangehen. Ich stelle mir vor, ich habe ein riesiges Stofftier mit starkem Übergewicht. Ich stelle mir vor, ich liege unter, was weiß ich, 50 Kilo Plüsch und muss deswegen konsequent alles verneinen, ablehnen und ignorieren. Ich kann leider nichts machen, nicht teilnehmen, nichts übernehmen, Sie sehen ja, das Plüschproblem, so sorry, ich komme nicht weg. Ich kann hier im Moment einfach nur liegen, schade. Vielleicht sollte man das als möglichen Ausweg betrachten. Vielleicht sollte man viel mehr als möglichen Ausweg betrachten.

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Wir fahren in den Garten und stellen das Wasser ab. Im Wetterbericht steht etwas von Temperaturen um zwei Grad in den nächsten Nächten, da kann es vielleicht Frost geben, dann würde die Leitung einfrieren. Denn im Schrebergarten gilt: Wasser nur am Haus, nicht im Haus, die Leitungen liegen also frei draußen herum und müssen jetzt leer sein, sonst platzen Rohre und Schläuche. Im März oder April stellen wir das Wasser wieder an, das sind die beiden großen Wendepunkte im Gartenjahr. Ab März gibt es Kaffee im Garten, nach dem Abstellen im Herbst gibt es keinen mehr. So spät wie in diesem Jahr haben wir sicher noch nie abgestellt.

Ich gehe zu Fuß ins kleine Bahnhofsviertel zurück, das ist ein Weg von einer Stunde. Die Sonne kommt gegen Mittag durch, es ist ein strahlender, mit Aufwand kolorierter Oktobertag. Manche Bäume stehen in sensationeller Schönheit, ein jähes Aufleuchten der Farben, das große Blätterbuntdrama vor Tiefblau, Deko-Orgien in unwirklicher Plastizität, Knallerkulissen, Postkartenherbst. Sogar neben den großen Straßen ist es schön, sogar im Straßenbegleitgrün, das jetzt Straßenbegleitgold ist, findet man hier und da hinreißende Arrangements. Alles ist sehr schön, aber Regen wäre mir doch lieber, denke ich. November wäre mir lieber. November steht doch im Kalender, und ich habe es so mit der Pünktlichkeit, mit der Ordnung auch. Mir wird warm beim Gehen, ich habe wieder zu viel an.

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Gesehen, und zwar gerne gesehen: Diese Doku über die Sturmhöhe.


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