Ich gehe am Sonntagmorgen spontan zu einem anderen Bäcker als sonst, lebe wild und gefährlich. Fünf normale Brötchen kosten dort drei Euro, ein neuer Rekordwert, nur nebenbei notiert.
In unserem Treppenhaus ein Aushang der Hausverwaltung, darauf stehen Informationen zu den Heizungskosten. Wieviel das Haus gesamt verbraucht, wieviel weniger uns das in den nächsten Monaten kosten würde, wenn alle im Winter sparsamer heizen würden. Ich sehe es im Vorbeigehen, und noch bevor ich den Zettel auf dem nächsten Weg ein zweites Mal und in Ruhe lesen kann, hat ihn schon jemand zerfetzt und abgerissen, was ist mit den Leuten.
Ich gehe zur Zentralbücherei, die hier mittlerweile auch am Sonntag geöffnet ist, wie in vielen anderen Städten, das ist eine erfreuliche Entwicklung. Die Außengastro vor den Restaurants auf dem Weg dorthin wurde auf einige wenige Stehtische reduziert, Raucherrestposten. Vor dem Steakhaus hat jemand die letzten drei Pflanzen aus den Blumentöpfen gerissen und sie auf den Boden geworfen. Die Erde wurde auf dem Fußweg verteilt, was ist mit den Leuten. Es ist in diesem Jahr deutlich geworden, dass Blumentöpfe im öffentlichen Raum hier nicht mehr gehen, sie werden einigermaßen zuverlässig nachts ausgeräumt, zerstört, geplündert, vandalisiert. Warum ist das jetzt so, und warum war das früher nicht so, ich kann das nicht beantworten. But this is why we can’t have nice things, nicht einmal Blümchen, nicht einmal gewöhnliche Geranien.
Ein paar Meter weiter ein E-Roller, den jemand herumgeschleudert oder getreten haben wird, er wurde zerstört, er liegt als leise piependes Wrack quer auf dem Weg und also im Weg. Was ist mit den Leuten?
Im Abgang zur U-Bahn die Habseligkeiten eines Obdachlosen, zerstreut und über die Treppen verteilt, die Isomatte, der Schlafsack, ein kaputter Regenschirm, der vermutlich ein Windschutz war, zerrissene Tüten, undefinierbare Speisereste. Kein Mensch weit und breit, kein Täter, kein Opfer. Vier Uniformierte von der Bahnpolizei gehen entschlossenen Schrittes vorbei, gucken grimm und haben wichtigere Ziele.
Es ist manchmal etwas schwer, auch das Positive zu beachten, aber ringsum an den Laternen hängen wieder die orangefarbenen Schals aus dieser Aktion, das immerhin. Da machen also Menschen etwas, um anderen zu helfen, diesmal wohl aus katholischer Richtung, ich habe mir nicht alles durchgelesen. Ein Schal wurde auch um die Klinke des Portals der evangelischen Kirche gewunden, vielleicht als freundlicher Gruß von nebenan, ein Gotteshaus weiter, ökumenischer Strickdialog, was weiß ich, mir fehlen da alle Kenntnisse und auch das Interesse. Stunden später sind es jedenfalls schon weniger Schals im Straßenbild, sie finden tatsächlich Abnehmerinnen. Ein Mann bindet sich gerade einen um, als ich ihn passiere, und er fragt seine Frau: „Na?“ Die sieht ihn skeptisch an, legt den Kopf schief und sagt: „Och.“ Es ist so ein Och, nachdem man den Schal entweder gar nicht mehr oder nur noch aus Trotz trägt, je nach Beziehungsverlauf. Orange ist aber auch eine schwierige Farbe, das weiß man.
Die Bücherei ist seit einer Stunde auf und schon rappelvoll. Lauter lesende, büchersuchende, stapeltragende, lernende, arbeitende, schreibende und diskutierende Menschen, irgendein Kinder-Entertainment ist da auch gerade, lachende Gruppen im Grundschulalter in den Vortragsräumen. Es sieht alles für einen Moment immerhin nach funktionierender Gesellschaft aus, nach Wohlmeinen und Rücksicht, nach Benehmen und Anstand und Bemühen. Manchmal geht es, manchmal geht es nicht, mir fehlen die Begründungen.
Ich nehme Maeve Brennan mit, Katherine Mansfield und Hermynia Zur Mühlen. Als hätte ich Zeit für viele Bücher. Einfach mal so tun als ob, quasi method-acting. Aber erst einmal lege ich mich am Nachmittag aufs Sofa und lese weiter und mit sehr großem Vergnügen das schmale „Der arme Chatterton“, vom fast vergessenen Ernst Penzoldt. Sprachlich schön ist das, sehr schön sogar, demnächst mal dringend noch mehr von ihm lesen. „Squirrel“ etwa, das soll auch gut sein. Nur gebraucht ist es noch zu bekommen, aber das ist ja lösbar. Und lösbare Fragen, nicht wahr, immer höher priorisieren.
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Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel. Merci!
„Squirrel“ ist auch eine, wie ich finde, unterstützenswerte App, die positive Nachrichten sammelt.