Ein sauberer Schnitt durch unsere Geschichte

Am Mittwoch dann das letzte Mal in diesem Jahr im Büro gewesen, also vor Ort. Der Rest der üblichen Aufräumarbeiten zum Jahresende findet im Home-Office statt, ein nur noch virtuelles Zusammenfegen. Einerseits muss ich morgens nicht mehr in die Kälte, andererseits fehlen mir die Schritte und die Hörbuchzeit. Ich weiß nicht recht, so komme ich nicht in akzeptabler Zeit durch den Felix Krull. Ich kann Hörbücher weiterhin unmöglich im Sitzen oder Liegen konsumieren, ich schlafe sofort ein dabei. Irgendwas ist immer.

In den Nachrichten gab es dieser Tage diverse neue Zahlen zu den Home-Office-Quoten in Deutschland. Es wird wohl darauf hinauslaufen, dass jeden Tag etwa ein Fünftel bis ein Viertel der Büroangestellten eher nicht mehr vor Ort in den Firmen sein wird, und zwar dauerhaft. Das ist jetzt so, das bleibt auch so. Mit selbstverständlich weitreichenden Folgen für den Kiosk neben dem Bürogebäude, für den Imbiss um die Ecke, das Restaurant mit dem schnellen Mittagstisch, auch für den Mann, der an der S-Bahnstation morgens bettelt, für den kleinen Wochenmarkt neben den Verwaltungszentralen. Es wird sich vieles verschieben und verlagern, und da es nicht ruckartig geschehen wird, wird es uns vermutlich kaum auffallen oder erst viel später, wenn es bei den „Weißt du noch“-Gesprächen um die graue Vorzeit, damals vor dem März 2020 gehen wird. Dieser März als Wasserscheide der Erinnerungen. So wird es sein, alles wird der trennen, der lange März, ein sauberer Schnitt durch unsere Geschichte, durch die Kindheit der Söhne auch.

Im Büro ein Gespräch über den Wandel der Imbisskultur durch die Jahrzehnte seit den Siebzigern. Das Verschwinden des Schaschliks und der halben Hähnchen, die man hier kaum noch irgendwo bekommt, die es früher aber überall gab, an jeder Ecke fast. So ein Wandel ist schwer zu bemerken, während er geschieht.

Da mal als Chronist stets bemüht bleiben.

Ein Sohn wacht am Donnerstag mit neuem Husten und frischen Halsschmerzen auf, geht zur Schule und dreht doch gleich wieder um, rien ne va plus. Das Virenkarussell dreht sich weiter, es ist auf Dauer gar nicht mal so unterhaltsam. Die Stundenpläne an den Schulen nur noch brüchiges Flickwerk, kaum belastbar. Meine Mutter wurde währenddessen erfolgreich operiert, sie gibt mir einen neuen Einkaufszettel durch. Sie braucht Kekse, Kartoffeln und Kaffee, am Ende ist die Vorliebe für Alliterationen auch erblich, wer weiß. Was man alles so mit auf den Weg bekommt.

Und hier noch einmal Daniel Herskedal, Wintermusik. Sogar das kleine Bahnhofsviertel war gestern dezent angeweißt, die kleineren Kinder auf dem Spielplatz standen verblüfft und die Eltern machten ihnen Schneebälle vor, guck mal, so. Oben drüber die Rabenkrähe mit schiefgelegtem Kopf in der Eiche, was machen die Spinner da unten jetzt wieder.

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2 Kommentare

  1. Hach, die Wasserscheide der Erinnerungen ist mal wieder so schön… Dankeschön für dieses Bild, es passt ja auf einige Ereignisse, auch im privaten Leben
    Schönes Wochenende, Esthi

  2. Ich frage mich, wie dann im Home Office gegessen wird. Ich kann mir nicht vorstellen, dass überwiegend selbst gekocht wird.

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