Genug

Ich lese, denn manchmal halte ich mich sogar an eigene Pläne, ganz wie ein Mensch mit formaler Funktionsweise, tatsächlich „Wiedersehen mit Brideshead“ von Evelyn Waugh, ich lese es nach vielen, vielen Jahren wieder. Und ohne den geringsten Bezug zu den Umständen zu haben, die das zentrale Nostalgiedilemma im Roman auslösen und abbilden, fühle ich das dermaßen mit, bis weit in den schmerzhaften Bereich hinein, dass ich, wäre ich meine Therapeutin, darüber gerne noch etwas länger mit mir reden würde, allerdings bitte erst beim nächsten Treffen, denn das schaffen wir heute sicher nicht mehr. Aber, und das dann im Tonfall dieses hyperaktiven Italieners aus der Kaffee-Werbung von damals gesagt: Isch abe gar keine Therapeutin.

Ein wohliges Lesen, ich mag das Buch sehr.

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Auch mal ein chinesisches Wort lernen: Tangping, Flachliegen.

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Ansonsten stellt sich am zweiten Feiertag nach einem gelungenen Fest programmgemäß allmählich der Gedanke ein, der sich zwingend einstellen muss, weil es seit immer schon so gehört: „Reicht jetzt auch.“ Genug Lebkuchen, Klingelingeling, Braten und Glühweinduft, genug Bilder von Weihnachtsmännern, Schneemännern, Engelchen und Rentieren, genug Tannengrün, genug von all dem, wirklich, auch wenn es sehr gut war. Jetzt noch eben die allgemeine Silvesterhysterie, die ich so überhaupt nicht nachfühlen kann, und dann war es das schon wieder. Es werden bald neue Werktage nachgelegt, nehme ich an. Okay. Was soll man auch machen.

Zwischen den Jahren werde ich wieder die Disintegration Loops hören, jedem sein seltsames Ritual. Etwas meditativ zerfallen lassen, es passt schon, es passt vortrefflich. Es von sich abfallen lassen. Andere gießen später Blei und hoffen herum, und das ist auch in Ordnung, ich verstehe grundsätzlich den Hang zu Hilfsmitteln und Traditionen. Auf Tiktok werden die Raunächte zelebriert, seltsame Rituale, arg bemühtes Hexenwerk. Diese Zeit nannte man früher auch die toten Tage, das ist gut und eigentlich sprechender als unser „zwischen den Jahren“. Was machst du an den toten Tagen? An den toten Tagen mache ich gar nichts, und dann nämlich klingt es gut und richtig so. Tangping, Flachliegen.

Rückgriffe in die Vergangenheit werden in diesen Filmchen auf Tiktok von jungen Menschen vorgespielt und nachgestellt, bis hin zu befremdlichem Brauchtum, das bis in dunkelste Zeiten zurückreicht, bis hin zur wilden Jagd der Wesen von der anderen Seite, bis hinein also ins Geisterreich und weiter zu sprechenden Tieren. Das ist natürlich alles Unsinn für uns moderne und wenigstens halbwegs aufgeklärte Menschen, das ist nur als Allgemeinbildung von Interesse.

Die Katze hier findet das auch.

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Ein Kommentar

  1. Die Lektüre zum ‚Genug‘:
    John von Düffel: Das Wenige und das Wesentliche
    Dieses Buch lohnt sich und führt zu Fragen über Fragen.

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