Durchfegen

Während ich gute Vorsätze weiter lieber nur im scherzhaften Bereich habe, ergeben sich immerhin halbwegs realistische Vorhaben aus den Aufräumtätigkeiten, die ich zum Jahresende, an den toten Tagen also, siehe Text von gestern, gerne angehe, darunter auch digitale Sortieraktionen. Und Löschaktionen, versteht sich.

Etwa bei den im Laufe des Jahres gespeicherten Rezeptlinks aus den Foodblogs, also bei all den Links zu Gerichten, bei denen ich zumindest kurz einmal dachte, als sie im Feedreader auftauchten: Kannste ja mal machen. Klingt doch gut. Und dann war die Spargelzeit schon wieder vorbei, die Erdbeerzeit auch, die Pflaumenzeit, die Pfifferlingszeit, die Kürbissaison, Sie kennen das. Es kommen sicher genug neue Spargelrezepte nach, denke ich, oder die alten werden neu angeschwemmt, ich lösche sie jetzt erst einmal. Als ob ich Platz brauchen würde, was natürlich Unsinn ist. Egal, es geht mir ohnehin mehr um ein halbwegs besinnliches Herumklicken, ich mag das in dieser Zeit. Tweets lösche ich auch, alte FB-Einträge, Instagrambilder, die gar nicht gut waren und dann noch die Links zu Podcastfolgen, die ich vermutlich nie hören werde, bei denen ich teils schon längst nicht mehr weiß, warum mich das überhaupt einmal interessiert haben könnte. Auch eigene Blogeinträge, die nicht mehr passen, also mir nicht mehr passen, es gibt viele davon. Auch solche Einträge, die zentral Links zu Seiten enthielten, die es schon seit Jahren nicht mehr gibt und dergleichen. Ein wenig hinter sich aufräumen und durchfegen, das passt gut jetzt. „Hier muss man mal feucht durchwischen“, wie meine Oma gesagt hätte, und wie immer hätte sie Recht gehabt.

Ich lösche dabei auch alle Rezepte, in denen irgendwelche Zutaten sind, die hier jemand nicht mag. Die kann ich eh nur sinnig als Abendessen einplanen, wenn der oder die nicht da ist, das ist mir alles zu kompliziert. Einfacher werden. Ich bin, was das Essen angeht, eher der Typ Müllschlucker, ich nehme so gut wie alles. Die anderen Familienmitglieder sind sämtlich in irgendeiner Art eher heikel, mögen dies nicht, mögen das nicht, und da zwei von ihnen noch jung sind, wechselt das auch noch dauernd. Was sie heute noch mögen, mögen sie morgen schon nicht mehr und umgekehrt, man nennt es wohl Entwicklung. Außerdem sind sie unregelmäßige Esser, mal brauchen Sie Portionen für mehrere Personen, mal essen sie gar nichts, das kommt bei Jugendlichen wohl öfter vor, besonders wenn sie auf dem Weg von der Schule nach Hause schon versehentlich in einen Imbiss abbiegen. Ich habe es aber auch schon erlebt, dass wir gegessen haben, gut und reichlich gegessen haben, also zumindest für mein Verständnis, und dass danach ein Sohn wortlos aufstand, in die Küche ging und sich eine Dose Ravioli aufmachte, um sie dann komplett und nur eben halb erwärmt zu vertilgen. Ich erinnere mich dunkel, dass ich als Teenager ähnlich war, vielleicht gehört es auch so.

Aber man kann für diese Lagen schwer passend kochen. Mal brauche ich nur zwei Portionen, mal brauche ich sechs, im Grunde ist ein großer Topf Suppe da immer die beste Lösung, aber wie oft kann man Suppe essen und am Ende sagt auch wieder jemand: Nein, meine Suppe esse ich nicht.

Ich stelle regelmäßig fest, dass ich da mehr oder weniger genervt ins Nachlässige abrutsche, ins Mirdochegal, und dann gibt es wochenlang nur noch Simpelküche auf unterstem Niveau, auf dem kleinsten gemeinsamen Geschmacksnenner sozusagen, Rahmspinat mit Spiegelei und Kartoffelpüree etc. Nichts gegen den Rahmspinatklassiker, den gab es auch gestern, weil es mir nach den Weihnachtsexzessen passend erschien, aber es ist alles eine Frage der Frequenz.

Ich lese Rezepte durch, ich lösche, ich sortiere. Ich habe guten Willen, wenn schon keine guten Vorsätze. Herr Buddenbohm war stets bemüht, auch in der Küche.

Und hier, was so alles wieder zu Tage kommt, wenn man räumt. Das alte Rosenkohlrezept vom Trific. Das mal aufbewahren, das mal wieder nur für mich machen und den anderen hier, während sie noch angewidert bis entsetzt gucken, einfach Brot hinstellen, mit guten Tipps zum Selberbelegen und sinnigen Serviervorschlägen.

Und da, ich sehe nur die Überschrift aus dem Augenwinkel, Rosenkohl mit Parmesan, das ist doch auch interessant, guck an, das mal lieber noch nicht löschen, die Saison dauert noch etwas.

Plötzlich Hunger.

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Beim Kochen gehört: Witch Hunter – Grimms Märchen in der Popkultur. Ein Feature beim Deutschlandfunk. Danach noch das Grimm-Märchen „Die Gänsemagd“ gehört, aber die Sprecherin betonte in dem berühmten Satz „Oh Fallada, da du hangest …“ den Namen Fallada auf der zweiten Silbe, das war wieder mit meinem sprachlichen Weltbild nicht zu vereinbaren, selbst wenn es richtig sein sollte.

Zu dem Märchen gibt es einen Brecht-Titel:

Man kann das kaum hören, ohne topaktuelle Aufsatzthemen im Sinn zu haben, nicht wahr, Gegenwartsbezüge, Neudeutungen, historische Klärungen … Ach, es ist eine Last: „Wenn das deine Mutter wüsste, ihr Herz tät ihr zerspringen.

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Ein Kommentar

  1. Oh, danke! Ich dachte bisher, alle anderen hätten Teenager, die einfach nur dauergefräßig sind. Das Thema „2 oder 6 Portionen“ treibt mich hier auch sehr um und ich bin beruhigt, dass es nicht nur mir so geht. Gern auch in der Variante „danke, habe keinen Hunger“, und kaum sind alle anderen mit Essen fertig, wird Spiegelei gebraten.
    Na gut, dann muss das wohl so sein.

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