After all is said and done

Freitag. Es schneit den ganzen Tag. Ich sehe nicht hin, ich setze mich mit dem Rücken zum Fenster, ich gehe bis zum Abend nicht raus. Einfache Lösungen immer bevorzugen.

Ich habe dennoch den ganzen Tag gefroren, Kälte von innen. Der Nachbar übt sich stundenlang in Gesang, „Heal the world“ singt er immer wieder auffordernd, ich höre es durch die Wand. Was soll ich noch alles machen, denke ich, und wieso überhaupt ich.

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Gelesen: Deutschland als Wiederabwanderland.

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Ein Sohn erwähnt beiläufig den Satz „Alles hat ein Ende nur die Wurst hat zwei“. Er weiß auch, natürlich wieder von Tiktok, dass es da einmal einen Song gab, irgendwann früher, in grauer Vorzeit, er weiß aber nicht, wer das gesungen hat. Ich kläre selbstverständlich gerne auf und verweise auf Stephan Remmler, und ich erläutere auch, denn Kulturgeschichte ist mir wichtig, den Zusammenhang zur Band Trio und benenne dann noch, wenn ich schon einmal dabei bin, deren größten Erfolge, die ihm allerdings auch nichts sagen. Es ist doch verhängnisvoll, dass die Kinder nicht mehr in verzweifelt langweiligen Nachmittagsstunden dem Plattenschrank der Eltern ausgesetzt sind, wie es noch bei uns regelmäßig der Fall war, wir geben auf diese Art einfach viel zu wenig weiter. An dieser Generation brechen sämtliche Traditionslinien ab und nein, das ist gar kein Witz, ich meine das ernst. Die smartphonedingte, jederzeit vollumfassende Gegenwärtigkeit lässt alles, was vor dem alllzu riesigen Heute lag, schlagartig verblassen und verschwinden, nur Tiktokscherben bleiben davon übrig, zwei Zeilen von Rick Astley hier, ein Refrain von Elvis dort, das ist alles. Und das ist verdammt wenig.

Ich spiele dem Sohn also zur medienunterstützten Belehrung „Da da da“ in voller Lautstärke vor, ich singe und spreche routiniert mit, wir haben es doch wahrlich in der Jugend gründlich genug gelernt.

Der Sohn hört einigermaßen irritiert zu. Der Sohn sieht mich dann lange und ernst an. „Ja“, sage ich schließlich in die lastende Stille nach dem Song, „so war das damals.“ Er nickt langsam, um Verständnis bemüht. After all is said and done, it was time for you to run, aber das sage ich schon nicht mehr laut, und ich erwähne lieber auch nicht, dass zwei der Bandmitglieder längst auf der anderen Seite sind. Die Söhne nehmen ohnehin an, dass ich nur Bücher und Lieder von Toten konsumiere. Womit sie weitgehend richtig liegen.

Den Rest des Tages habe ich dann immer wieder Songs von Trio im Kopf, es steht zu befürchten, dass ich alle Texte noch kann. „Los Paul, du musst ihm voll in die Eier haun, das ist die Art von Gewalt, die wir sehen wolln, wenn auch nicht spürn wolln.“

In dem folgenden Video benutzt der Herr Sänger ein Telefon mit Wählscheibe. So war das damals. So war es wirklich.

Im Bild des Tages noch schnell etwas Liebe. Diesmal ist es eine Aufnahme aus dem kleinen Bahnhofsviertel, da geht es manchmal und zumindest in manchen Straßen doch etwas netter zu als im unterkühlten Hammerbrook.

Ein Schriftzug "liebe" in grüner Farbe an einer Hauswand

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5 Kommentare

  1. Ich musste sofort an Abbas When all is said and done denken, nur den Song meinst du gar nicht. Aber welchen dann? Konnte nix passendes ersuchen.

  2. @Bla:
    Die Zeile ist aus der englischen „Da Da Da“ – Version.
    Trio waren wirklich ziemlich genial. Danke für die Erinnerung!

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