Kopfschmerzen und Komplikationen

Ich höre auf dem Weg ins Büro Theodor Storm, „Carsten Curator“, die Geschichte eines Niedergangs, ein charakterlich etwas labiler Sohn ruiniert in der Novelle die Familie. Storm hatte da, sehe ich in der Wikipedia, präzise Bezüge zum eigenen Leben. Meine eigenen Söhne ruinieren derweil in ihrer Ferienlässigkeit meine Ordnung in der Küche, da kann ich beim fortgesetzten Hören am Abend gleich noch besser mitfühlen.

In der Wikipedia heißt es noch: „In konservativer Sicht der Dinge beschreibt Storm den Untergang einer alten, scheinbar in sich gefestigten Welt im Austausch gegen eine schnelllebigen und riskanten Geschäften zugeneigte, die Menschen einander entfremdende Epoche, wie sie mit der Industrialisierung des neunzehnten Jahrhunderts immer mehr an Präsenz gewann. Immer wieder stellt der Autor den Gegensatz zwischen der verlockenden und mit der Zusicherung von Anonymität verführenden Metropole Hamburg und der sozialen Kontrolle aber auch Geborgenheit und Fürsorge verheißenden Inselidylle gegenüber. Letzten Endes lässt er die Ära der Romantik gegen das Haifischbecken des anbrechenden Frühkapitalismus scheitern und bekennt sich damit zu einer realistisch-nüchternen Beurteilung der unvermeidlichen gesellschaftlichen Entwicklung.“

Denksportaufgabe für Angehörige etwa meiner Generation und etwas jüngere Menschen, sofern sie aus kleineren Städten und Dörfern stammen: Spielten die vom Storm herausgearbeiteten Unterschiede zwischen der alten, scheinbar so gefestigten Welt und der schnelllebigen, riskanten Großstadt auch in Ihrem Leben eine Rolle, als sie nach der Schule die Heimat verlassen haben, um in der Millionenstadt zu studieren oder zu lernen? Spielten sie vielleicht sogar die gleiche Rolle wie in der Novelle und wie stehen in diesem Sinne Frühkapitalismus und Neuer Markt zueinander? Erörtern Sie.

Die Herzdame ist währenddessen schon wieder unterwegs und tobt sich beruflich erneut in Dortmund aus, wenn es so weitergeht, wird sie noch eine Kennerin dieser Gegend da. Ich dagegen war im Bürogebäude meiner Firma mal in einem Stockwerk höher als sonst, in einem anderen Konferenzraum als gewohnt, und ich hatte da schon dieses leicht anregende Gefühl, in einer anderen Gegend zu sein. Guck mal, der Ausblick aus dem Fenster ist von hier ganz anders. Ich muss dafür also nicht einmal nach NRW, auch gut.

Auch diese Woche war ansonsten unfassbar anstrengend, jeder Werktag fühlte sich an wie zwei oder mehr. Kopfschmerzen und Komplikationen, Herr Buddenbohm blieb dennoch stets bemüht.

Im Bild heute ein Aufkleber in Hammerbrook, er klebt an einer der vielen eher unschönen Ecken. Nein, das ist Unfug, Hammerbrook besteht überhaupt nur aus unschönen Ecken, Hammerbrook ist eine unschöne Ecke, da gibt es nichts. Um diese spezielle Betonecke herum war lange das Lager eines Obdachlosen, denn unter der Treppe ist es wenigstens trocken, wenn schon nicht warm. Ein paar Meter weiter die an eine Mauer gesprühte Aufforderung an die Massen, sich zu erheben. Die Massen, in der Ausprägung der Sachbearbeitungsarmee aus den Konzernzentralen, gehen werktags allerdings vollkommen unbeeindruckt vom Appell jeweils zum Dienstantritt und zum Feierabend an dieser Schrift an der Wand vorbei.

Denn so ist es mit den Massen, sie machen meist eher nicht, was man gerade möchte. Schlimm.

Ein Aufkleber an einer Betonwand in Hammerbrook, Aufschrift: "Sex, Drugs and Aufkleber!"

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