Gehemmt und verklemmt, aber faltenfrei

Der 31.5., ein Mittwoch. Wieder Sonnenschein auf dem dekorativ blühenden Holunder vor der Haustür. Die Stimmung steigt prompt, auch die Vögel singen munterer. Eine Frau kommt aus dem Haus gegenüber, als ich aus meinem komme, sie sieht zum blauen Himmel hoch, dann zu mir, und sie lächelt. So einfach, das alles. Die Müllabfuhr lärmt munter vorbei, Müllwerker rufen sich Scherze zu. Zwei Hunde treffen sich wedelnd, hey, du auch hier, wie toll ist das denn. Ich höre Sinatra auf dem Weg ins Büro, und ich weiß, es kam hier vor Jahren schon einmal vor, aber wenn das Lied doch so gut ist und passt. Cycles.

Das Bügeleisen ist uns heruntergefallen und unheilbar zerbrochen, wir brauchen ein neues Gerät. Ich lese am Nachmittag online Bügeleisenbeschreibungen, da steht etwas von, und ich sitze dann haltlos kichernd davor, „kontinuierlicher Dampfleistung.“ „Wie bei uns!“, sagt die Herzdame, die mir über die Schulter sieht, „genau wie bei uns!“, und ich mache nur deswegen keine lustigen Dampflokgeräusche beim Weiterarbeiten, weil ich mich sehr gut zusammenreißen kann. Und natürlich auch ein wenig, weil ich in Wahrheit eher nicht spontan und locker bin, sondern verlässlich gehemmt und verklemmt. Ich bestelle jedenfalls, so lese ich weiter, da nicht nur ein simples Bügeleisen, oh nein, ich bestelle einen „Verbündeten gegen die Falten“, es wird einem ganz feierlich zumute. „Ich sei, gewährt es diskret, in eurem Bunde das Haushaltsgerät.“

Unter dem Gerät dann noch abschließend der philosophisch anmutende Kommentar eines Kunden mit abgründiger Tiefe: „It presses clothes really good, let’s see how soon it dies.“ Ich lese den Satz mehrfach, ich bin hell begeistert, so eine schöne, lapidare Anmerkung. Diese Satzlogik demnächst auch einmal anwenden! Oder die zweite Satzhälfte einfach als Suffix nehmen und überall dranpappen. Es kann so oft passen, als sachliches, banales memento mori, let’s see how soon it dies. Jedes Projekt, jedes Konzept mit dieser realistischen Ansage starten, das erdet ungemein. Oder auch Silvester: Look, a new year! Let’s see how soon it dies.

Linkedin zeigt mir später noch ein weiteres Highlight, mir wird dort vorgeschlagen, ich solle meine Kenntnisse im Profil angeben und es werden auch – basierend auf meinem Standort, warum auch immer – welche zur Auswahl angezeigt, darunter: „Eskalation.“ Mir war nicht einmal klar, dass das eine Fähigkeit ist, aber ich kenne jedenfalls Familienangehörige, die sind da klar hochbegabt.

Heute um Mitternacht müsste sich mein Deutschlandticket in der App für den Juni erneuern, das finde ich toll und spannend. Sollte ich dafür wohl wachbleiben, um das Umswitchen live zu sehen? Aber das ist natürlich weit nach meiner Zeit, da bin ich längst im Tiefschlaf und vertraue daher einfach auf die Technik.

Naiv, wie ich manchmal doch noch bin.

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Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

 

Ein Kommentar

  1. „It presses clothes really good, let’s see how soon it dies.“
    Ein toller und bei Haushaltsgeräten mittlerweile auch sehr angebrachter Satz! Der Kommentierer ist anscheinend Leid-geprüft. Verstehe ich gut, denn mein Versuch, mir einen Mixer für Kuchenteil zuzulegen, ist gescheitert. 3 Geräte (mit guten Namen, aber alle in China produziert) kamen schon kaputt und verbogen in unzureichender Verpackung an – ich nutze immer noch Schneebesen!

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